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04/00 |
Die Bundeswehr auf
Reformkurs?
Otfried Nassauer
Wie immer im Falle solch strategischer Zwickmühlen,
wie immer wenn der Reformstau die Gefahr des Handlungsunfähigwerdens immanent werden
läßt, kennt der bundesdeutsche, manchmal rheinisch genannte Kapitalismus, einen
propperen Weg, um die Lösung anzuarbeiten. Eine honorige Kommission aus Vertreter(Inne)n
gesellschaftlicher Kräfte wird einberufen. Ihr wird die Aufgabe gestellt, eine
langfristig tragfähige und gesellschaftlich konsensfähige Lösung - also so etwas wie
einen (partiellen) Gesellschaftsvertrag - auszuarbeiten. Und die Politik verspricht, sich
an den Empfehlungen der Honorablen gründlich zu orientieren. Die Kommission ist
eingesetzt und arbeitet unter Leitung des ehemaligen Bundespräsidenten, Richard von
Weizsäcker. Aufgabe ist es, bis zum Mai 2000 Empfehlungen für die Entwicklung der
Bundeswehr bis zum Jahre 2010 vorzulegen. Alle wichtigen Fragen liegen auf dem Tisch der
Kommission: Die Beurteilung des internationalen Umfeldes, die Aufgaben der Bundeswehr der
Zukunft, die Frage Wehrpflicht- oder Berufsarmee, Größe und Ausstattung künftiger
Streitkräfte und die Anforderungen an die Rüstungsindustrie - ganz wie damals, als die
SPD 1972 bereits einmal eine solche Kommission an die Arbeit setzte.
Die verschieden Modelle für die zukünftige Bundeswehr: SPD
Vorschläge gibt es zuhauf. Ein Modell stammt aus der Feder sozialdemokratischer
Befürworter einer defensiv orientierten Verteidigung. Sie plädieren für eine
Reduzierung der Bundeswehr auf etwa 250.000 Soldaten (Mobilmachungsstärke 450-500.000)
bis zum Jahre 2005 oder 2007. 150.000 davon sind Zeit- und Berufssoldaten. Die
Wehrpflichtigen sollen zwischen sechs, neun und zwölf Monaten Dienst wählen können -
der "Grundwehrdienstleistende kein exotisches Element in der Truppe werden". Die
Bundeswehr wird strukturell defensiver ausgerichtet und insbesondere im Bereich der
offensivfähigen Komponenten (hochseefähige Schiffe, Jagdbomber etc.) findet ein Abbau
statt; die Gewichte zwischen Heer, Luftwaffe und Marine bleiben in etwa gleich.
Ausgangspunkt dieser Überlegung ist, daß die Bundesrepublik Landmacht ist und bleibt.
Landesverteidigung als Distanzverteidigung (Bündnisverteidigung) in einem verbesserten
sicherheitspolitischen Umfeld ist die vorrangige Aufgabe. Die sicherheitspolitische
Einbindung der Bundeswehr in multinationale Strukturen vor allem im Heeresbereich soll
erhalten werden, was eine Mindestgröße von etwa 18 Heeresbrigaden voraussetze. An
militärischem Krisenmanagement soll die Bundesrepublik sich vorrangig im Verbund mit
anderen NATO-Staaten und unter Rückgriff auf deren spezifische Fähigkeiten zu
Interventionen in den Bereichen Luftwaffe und Marine beteiligen.
Die Bündnisgrünen
Ein zweites Modell ist von bündnisgrüner Seite in die Debatte geworfen worden.
Eingebettet in eine deutliche Stärkung der präventiven Sicherheitspolitik soll die
Bundeswehr über acht bis zwölf Jahre in eine Armee aus Zeit- und Berufssoldaten
umstrukturiert werden, die sich an den Aufgaben Bündnisverteidigung und Krisenmanagement
orientiert. Eine deutlich kleinere Armee - die veröffentlichten Angaben lassen auf eine
Gesamtstärke von ca. 150.000 (maximal 200.000) Soldaten, aufgegliedert in Einsatz- und
Ausbildungsstruktur, schließen - soll beide Aufgaben parallel wahrnehmen und
technologisch modern und effizient ausgestattet werden. Das Heer wird im Vergleich zu
Luftwaffe und Marine überproportional stark verkleinert. Deutliche Reduzierungen werden
auch im Hinblick auf die Zahl und Struktur der Führungsebenen anvisiert. Das
Rationalisierungspotential einer Ausrichtung auf die europäische Integration soll genutzt
werden. Der finanzielle Handlungsspielraum zur Modernisierung der Streitkräfte soll aus
Einsparungen bei überflüssigem Personal, überschüssiger Infrastruktur und Bewaffnung
kostenneutral oder kostensenkend gewonnen werden. Mittel für eine präventive
Sicherheitspolitik und die dafür erforderlichen Strukturen sollen, wo möglich,
freigesetzt werden. Der überfällige Strukturwandel in der Bundeswehr soll mit
längerfristiger Planungssicherheit endlich vollzogen werden. Zugleich soll die Bundeswehr
der Zukunft strukturell abrüstungsfähig gestaltet werden, d.h. ohne Notwendigkeit
erneuter tief in die Struktur eingreifender Schnitte soll eine weitere Verkleinerung
möglich bleiben. Deshalb eine Perspektive auf 8-12 Jahre.
FDP
Ein weiteres Modell hat die FDP vorgelegt. Sie plädiert für die Beibehaltung einer
modifizierten, auf fünf oder sechs Monate verkürzten Wehrpflicht und eine
Schwerpunktsetzung bei Bündnisverteidigung und Krisenmanagement. Bis zum Jahre 2008 soll
die Bundeswehr auf 260.000 Soldaten reduziert werden, von denen 65.000 - 80.000
Wehrpflichtige sind. Die Zahl der Berufs- und Zeitsoldaten wird um maximal 5% auf 185.000
verringert. Die verbleibende Bundeswehr wird an Haupt und Gliedern reformiert. Ein
Generalstab unter Führung des Generalinspekteurs wird eingeführt, das
Verteidigungsministerium deutlich verkleinert, die Teilstreitkräfte werden aufgelöst. Es
entstehen eine Einsatz- und eine Ausbildungsorganisation mit zentralisierten
teilstreitkraftübergreifenden Bereichen wie Logistik und Sanität. 110.000 Soldaten und
Wehrpflichtige werden der Ausbildung zugewiesen, 150.000 gehören zur Einsatzorganisation,
bilden das Krisenreaktionspotential. Der Verteidigungshaushalt wird von weiteren
Kürzungen ausgenommen, um Rationalisierungsgewinne und Einsparungen durch Personalabbau
und Effizienzsteigerung zur technischen Modernisierung voll nutzen zu können.
CDU/CSU
Auffällig schweigsam verhielten sich lange die CDU/CSU und der engere Kreis der
SPD-Verteidigungspolitiker. Rufe der CDU nach mehr Geld für dies oder jenes Vorhaben oder
danach, daß der Bundeswehrumfang 300.000 Soldaten nicht zu stark unterschreiten sollte,
waren regelmäßig zu vernehmen. Ein konzeptioneller Vorschlag aber fehlte lange. Als er
im Februar 2000 vorgelegt wurde, war deutlich zu erkennen, daß er sich stark an den
konzeptionellen Entwicklungen der vergangenen Jahre und an der Forderung orientierte, mehr
Geld für die Bundeswehr bereitzustellen. Aus Sicht der CDU bleibt die Landesverteidigung
die vorrangige Aufgabe der Bundeswehr. Sie umfaßt künftig auch Aufgaben innerer
Sicherheit, so z.B. den Schutz kritischer Infrastrukturen gegen terroristische oder
kriminelle Bedrohungen. Hinzu kommen Bündnisverteidigung als Distanzverteidigung sowie
Krisenvorsorge und Krisenbewältigung, einschließlich humanitärer Aktionen. Die
Beibehaltung der Wehrpflicht und der Territorialverteidigungselemente der Bundeswehr
begründet sich bei der CDU aus der Aufrechterhaltung aufwuchsfähiger militärischer
Strukturen und der Übernahme US-amerikanischer Bedrohungsperzeptionen´. So wird von
einer umfangreichen Sicherheitsgefährdung durch Kriminelle oder Terroristen ausgegangen,
die über nukleare, chemische und biologische Substanzen verfügen und deshalb wachsende
Aufgaben der Bundeswehr im Bereich Innere Sicherheit gesehen, ohne zugleich auf die in
Deutschland mit einem solchen Vorgehen verbundene Verfassungsproblematik einzugehen. Die
Bundeswehr benötigt nach Vorstellung der CDU künftig etwa 300.000 Soldaten, die im
Kriegsfall auf rund 600.000 aufwachsen können. Dazu gehören 100.000 Wehrpflichtige. Die
Wehrpflicht wird deshalb nur geringfügig modifiziert und auf neun Monate verkürzt. Sie
kann in Einzelfällen variabel gestaltet werden. Die Bundeswehr soll etwa 100.000
Heeressoldaten für Kriseneinsätze bereithalten und an zwei Orten gleichzeitig mit ca.
5.000 Heeressoldaten einsetzbar sein. Hinzu kommen Luftwaffen- und Marinekontingente. Eine
umfassende technologische Modernisierung - die CDU spricht von einem über die Jahre
aufgelaufenen Modernisierungsstau im Gegenwert von 40 Mrd DM bei Ausrüstung und
Infrastruktur und dürfte zusätzliche Kosten für neue Technologien unausgesprochen
hinzuaddieren - erfordern schon kurz- und mittelfristig eine deutliche Anhebung des
Verteidigungshaushaltes auf deutlich mehr als 50 Mrd. DM.
Die Zurückhaltung der CDU kann verschiedene Gründe haben: Entweder sie beschränkt sich
angesichts ihrer exzellenten Kenntnis des perspektivlosen Zustandes, in dem sie die
Bundeswehr hinterlassen hat, auf die Kritik der Vorschläge anderer. Oder sie sieht, daß
auf der personnell weiter von CDU-Kräften dominierten Hardthöhe unter Federführung des
seit fast acht Jahren amtierenden Staatssekretärs Wichert eine nur unwesentlich andere
Politik gemacht wird als unter Volker Rühe.
Der engere Kreis der Verteidigungspolitiker in der SPD dürfte sich erst wenn die
wesentlichen Eckpunkte der Reform der Bundeswehr im Verteidigungsministerium festgelegt
worden sind zu Wort melden, um dessen Position abzustützen.
Alle wollen mehr Interventionsfähigkeit
Aus friedenspolitischer Sicht können die Alternativen nicht begeistern. Sie alle haben
gravierende Nachteile. Absehbar ist, daß die Bundeswehr der Zukunft zumindest im Blick
auf Europa und dessen Nachbarregionen eine signifikant größere Interventionsfähigkeit
besitzen wird. Schon daß die Hauptaufgabe der Bundeswehr sich von der Landesverteidigung
zur Bündnisverteidigung verlagert, weist diesen Weg. Für die Beteiligung an der
Bündnisverteidigung im Rahmen der NATO, z.B. auf dem Boden der Türkei, sind Bewaffnungs-
und Logistikstrukturen erforderlich, die allemal auch Interventionen und
"friedensunterstützende" Einsätze, z.B. auf dem Balkan ermöglichen. Absehbar
ist auch, daß in diesem Kontext große Summen in die technologische Neuausstattung der
Bundeswehr gesteckt werden. In ihrer heutigen Struktur hat die Bundeswehr deutlich zuviel
Panzer und zuwenig Hirn. Zudem besteht die Gefahr, daß die problematischen Aspekte der
verschiedenen Grundkonzeptionen miteinander verknüpft werden. Minister Scharping und
seine Generalität drängen, die Wehrpflicht aufrechtzuerhalten und wollen damit die
Voraussetzung dafür schaffen, daß eine aufwuchsfähige, große Bundeswehr erhalten
bleibt. Zugleich unterstützen sie die Forderung nach einer Stärkung der militärischen
Fähigkeiten für das Krisenmanagement, nach mehr Krisenreaktionskräften für den Einsatz
im Kontext der NATO wie im Kontext der Europäischen Union und nach einer umfangreichen
technischen Modernisierung. Bewußt wird spekuliert, ob die Bundeswehr neben Bosnien und
dem Kosovo nicht bald vor einem dritten Einsatz auf dem Golan und im Südlibanon stehen
könne. So schafft man die Notwendigkeit zu erhöhten Finanzaufwendungen. Die Unterschiede
zwischen Hardthöhe und den CDU-Vorschlägen sind lediglich gradueller Natur.
Hinzu kommt: Nicht nur die NATO sieht im Krisenmanagement zunehmend die wichtigste
Zukunftsaufgabe. Auch im Rahmen der Europäischen Union werden seit etwas mehr als einem
Jahr die Vorbereitungen für eine "autonome" Fähigkeit Europas zur
Entscheidungsfindung und zum militärischen Krisenmanagement beschleunigt vorangetrieben.
Der Europäische Rat beschloß im Dezember 1999 in Helsinki, daß bis zum Jahre 2003 eine
multinationale, europäische Kriseninterventionstruppe in Korps-Stärke (50.000 - 60.000
Soldaten) geschaffen werden soll, die binnen 60 Tagen disloziiert werden kann und
zunächst Einsätze von bis zu einem Jahr Dauer durchführen kann. Der Beitrag der
Bundeswehr zu den Krisenmanagement-Verbänden der NATO wie der EU muß aus den
Krisenreaktionskräften der Bundeswehr gedeckt werden. Diese müssen aber schon heute
aufgestockt werden, um nur die Anforderungen der NATO im Rahmen der Operationen auf dem
Balkan zu erfüllen. Es besteht deshalb die Gefahr, daß für die EU-Verpflichtungen eine
weitere Aufstockung der KRK der Bundeswehr gefordert wird - mit festem Blick auf die
Wirkung - das künftige Wachstum des Verteidigungshaushaltes. Doppelassignierungen, in
denen dieselben Verbände die Beteiligung der Bundesrepublik am NATO- und am EU-
Krisenmanagement sicherstellen, sind hier die einzige Alternative, wenn es gilt, bereits
zugesagte internationale Verpflichtungen auch einzuhalten.
Zwei Kernprobleme: Finanzmittel und Zeithorizont
Wenn im Mai die Weizsäcker-Kommission ihre Empfehlungen vorlegt, arbeitet die Hardthöhe
bereits an ihren Vorstellungen zum Verteidigungshaushalt für das Jahr 2001 sowie an einem
neuen Weißbuch. Sie wird dabei die in der NATO und der EU gefällten Entscheidungen zur
künftig stärkeren Rolle dieser beiden Organisationen beim militärischen
Krisenmanagement ebenso zugrunde legen, wie die Streitkräfteziele der NATO. Dies kann von
der Hardthöhe genutzt werden, um die Kommissionsergebnisse präemptiv zu umgehen und den
Versuch zu machen, die Entscheidung über die Zukunft der Bundeswehr doch selbst zu
fällen, obwohl Bundeskanzler Schröder sich diese letztlich vorbehalten hat. Ob und
welche der Kommissionsempfehlungen dann angesichts der anderen Vorgaben und der
Vorstellungen des Verteidigungsministeriums umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Denn mit
dem Haushalt 2001 fallen die Grundentscheidungen über die grobe Richtung der Entwicklung
für den Rest dieser Legislaturperiode.
Rudolf Scharping hat sich positioniert. Er hat keinen Zweifel daran gelassen, daß er eine
Erhöhung der Militärausgaben für notwendig hält, will und befürwortet. Er ließ keine
Gelegenheit ungenutzt, für den internationalen Begleitschutz dieser Forderung zu sorgen.
Ob US-Verteidigungsminister Cohen, NATO-Generalsekretär Robertson oder Javier Solana,
Europas künftig starker Mann in der Sicherheitspolitik - sie alle haben in des Ministers
Sinne dem deutschen Publikum diese Forderung bereits wunschgemäß eingebleut. Scharping
weiß, daß er mehr Geld benötigt oder aber höchst unbequeme tiefe Einschnitte
vollziehen muß, um Mittel für die Zukunftsausgaben aus internationalen Verpflichtungen
freizusetzen.
Diese Haltung übersieht allerdings die entscheidende Frage: Wie kurz-, mittel- oder
langfristig tragfähig ist das Konzept, mit dem die Politik für die Bundeswehr aufwarten
wird? Hat es eine ausreichend lange, zeitliche und finanzielle Perspektive, um den
erforderlichen Umbau der Bundeswehr mit Blick auf ein größeres Zwischenziel
voranzutreiben? Oder wird über das Ende der Legislaturperiode im Jahre 2002 kaum
hinausgedacht?
Passiert letzteres, so ist das Ergebnis vorhersehbar: Der Sprung in die Zukunft, die
Neuausrichtung der Bundeswehr nach dem Ende des Kalten Krieges wird zum Sprung zurück in
die Dilemmata der Bundeswehrplanung der Vergangenheit. Jährliche Haushaltsplanung mit dem
Helm unter der Decke, schieben, strecken streichen als strukturelles Aktionsmoment und
immer wieder das Problem: Nur mit mehr Geld ist die Planung zu realisieren. Gibt es nicht
mehr Geld, muß die Planung angepaßt werden, wird kurzatmig und erneut kostet mehr. Ein
Teufelskreis.
Wird dagegen der Blick auf die mittel- und längerfristige Zukunft gerichtet, müssen zwar
jetzt unpopuläre Entscheidungen und tiefe Einschnitte verkündet werden. Zugleich aber
kann für die Zukunft eine längerfristige Handlungsperspektive sowie neuer finanzieller
Handlungsspielraum entstehen. Ein solches Vorgehen wünscht sich offensichtlich
Finanzminister Eichel. Seine Entscheidung, der Bundeswehr auch mittelfristig nicht mehr
Geld in Aussicht zu stellen, sondern weiterhin moderate Einsparungen aufzuerlegen, zielt
darauf, eine umfassende Strukturreform notwendig zu machen.
Der Aufgabe, eine solche anzudenken, stellt sich bislang lediglich der von den Grünen
präsentierte Vorschlag. Ihm kann man zwar vorwerfen, die Bundeswehr zu sehr auf
Interventionsfähigkeit auszurichten. Ihn kann man kritisieren, weil er mehr "Bang
for the Buck", also ein effizienteres Militär verspricht. Man kann ihn für
friedenspolitisch illusionär halten, weil er die politische Einhegung einer
interventionsfähigeren Bundeswehr zwar einklagt, aber nicht schon leistet. Aber man kann
ihm nicht vorwerfen, sich vor den notwendigen harten Entscheidungen mit langfristiger
Wirkung zu drücken. Das aber tun die meisten anderen Vorschläge. Sie scheinen der Maxime
zu folgen: "Wer nichts Entscheidendes tut, kann auch nichts Entscheidendes falsch
machen." Die nächste Bundestagswahl fest im Blick.
Last but not least: Die Weizsäcker-Kommission
Und die Kommission um Altbundespräsident Richard von Weizsäcker? Sie hat ihre
inhaltliche Arbeit abgeschlossen. Der Abschlußbericht wird derzeit verfaßt. Es ist davon
auszugehen, daß die Kommission auf Grundlage ihrer Beurteilung des günstigen
sicherheitspolitischen Umfeldes weitgehendere Reduzierungsempfehlungen vorlegt als die
Hardthöhe und die meisten Politiker - z.B. verschiedene Modelle mit 200.000 bis 240.000
Soldaten. Diese dürften auf einer leicht reduzierten Zahl von Zeit- und Berufssoldaten
und unterschiedlich ausgeformten Modellen eines Grundwehrdienstes von drei bis sechs
Monaten als Form einer Rest-Wehrpflicht beruhen. Diese wird damit de facto zum
Auslaufmodell, aber weiter beibehalten - ganz im Sinne des Kommissionsvorsitzenden, der
durchaus an eine Pflicht des Bürgers, seinem Staat zu dienen, glaubt. Die Kommission wird
zudem viele Einzelempfehlungen abgeben, die Rationalisierung, sparsame
Ressourcenverwendung, den Abbau von Doppelstrukturen und überlappenden
Verantwortlichkeiten, eine Art Verwaltungsreform für die Bundeswehr und den Bereich der
Zivilbeschäftigten sowie die Verlagerung von umfangreichen Aufgaben in den zivilen
Bereich vorsehen. Etliche dieser Vorschläge werden zur Zeit vom Verteidigungsministerium
bereits in Eigenregie angegangen. Nach Struktur und Charakter dürften die
Kommissionsvorschläge näher bei den Vorschlägen von FDP und Bündnis90/Die Grünen
liegen als bei jenen von SPD und CDU. Dies ergibt sich schon daraus, daß die Kommission
ihre Aufgabe nicht in der Konservierung bestehender Strukturen sah.
Fazit
Eines dagegen fehlt in der bisherigen Diskussion: Ein schlüssiger Alternativ-Vorschlag,
der die Notwendigkeit einer deutlichen Verkleinerung der Bundeswehr, ihre Neuausrichtung
auf die sicherheitspolitischen Entwicklungen in der NATO, der EU, der OSZE und den
Vereinten Nationen bei substantiell reduziertem Finanzbedarf leistet, militärisches und
nicht-militärisches Krisenmanagement und die zugehörigen Mittel sinnvoll integriert und
zugleich sicherstellt, daß mit der künftigen Bundeswehr kein
politisch-interventionistischer Mißbrauch getrieben werden kann. Ein solcher Vorschlag
müßte zudem die Glaubensfrage "Wehrpflicht oder Berufsarmee?" überzeugend
entscheiden. Wäre das zuviel verlangt - oder ist es schlicht die Quadratur des Kreises?
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).
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