Die All-in-One-Atombombe
von Otfried Nassauer
Praktisch, diese technischen All-in-One–Geräte. Drucker,
Scanner, Fax und Kopierer – nur ein Gerät - geringe Kosten,
wenig Platzbedarf und für viele Aufgaben geeignet. Etwas
Ähnliches müssen sich die US-Nuklearwaffenspezialisten
gedacht haben, die die Anforderungen für die künftige
Atombombe vom Typ B61-12 ersonnen haben: Eine einzige Bombe für
alle Aufgaben – das wäre die ideale Lösung. Die B61-12
ist so eine „All-in-One“-Bombe. Sie soll alle sechs
vorhandenen Atombombentypen der USA ablösen und deren
unterschiedliche militärische Funktionen in ihren Fähigkeiten
vereinen. Heraus kommt weit mehr als eine simple
Lebensdauerverlängerung.
Eine für alles
Ende Oktober erläuterten Vertreter des Pentagons, des
Militärs, des Energieministeriums und des Atomwaffenlabors Sandia
einem Unterausschuss des US-Repräsentanten-Hauses ihre Planung
für die Modernisierung atomarer Bomben. Die Anhörung brachte
eine substantielle Überraschung: Die geplante neue Variante einer
alten Atombombe, der B61, soll nicht nur vier derzeitigen Typen der
B61, die Modelle -3, -4, -7 und -10 ersetzen, sondern alle sechs
Atombomben ablösen, die es im Arsenal der USA heute noch gibt.
Wenn die neue Bombe eingeführt sei, könne man zusätzlich
gleich auch die nuklearen Bunkerknacker vom Typ B61-11 und die
strategische atomare Bombe B-83 mit ihren 1,2 Megatonnen Sprengkraft
außer Dienst stellen, verkündeten die Regierungsvertreter
den Abgeordneten.
Bis 2020 soll die erste der B61-12 jetzt fertiggestellt sein. Weitere
vier Jahre später, 2024, sollen die Produktion abgeschlossen und
die alten Bomben abgelöst sein. In den USA, in Europa und auch in
dem deutschen Eifel-Dörfchen Büchel, auf dessen Fliegerhorst
noch immer bis zu 20 US-Atombomben vom Typ B61 gelagert sind. Dann, so
der Plan, kann die neue Bombe sowohl mit taktischen Kampfflugzeugen wie
der F-16, dem deutschen Tornado, der F-15E oder dem neuen Jagdbomber
F-35 eingesetzt werden als auch von strategischen Bombern wie der
B-2 „Spirit“ oder dem geplanten Zukunftsbomber vom Typ
LRS-B.
Damit das möglich wird, soll die Waffe zwei Funktionsmodi
bekommen, weil man die Flugzeugelektronik der Vergangenheit nicht mehr
mit der heute aktuellen kompatibel machen kann: Als „System
1“ wird sie als analoge, ballistische Gleitbombe mit älteren
Trägerflugzeugen wie der F16 oder dem Tornado zum Einsatz kommen,
deren Systeme nicht ausreichend digitalisiert werden können. Als
„System 2“ wird sie zur modernen, digitalisierten
Lenkwaffe, also zur einer atomaren Präzisionswaffe, wenn sie an
Bord von digitalisierten Trägern wie der F-35, also dem Joint
Strike Fighter, oder dem B-2-Bomber verwendet wird. Zwecks
präziser Lenkung wird die Waffe über ein modernes
Heckleitwerk, ein sogenanntes Tail Kit Assembly, verfügen, das
derzeit zeitgleich zu der B61-12 von der Firma Boeing entwickelt wird
und für rund 1,6 Milliarden Dollar in mehr als 800 Exemplaren
beschafft werden soll.
Vor allem von diesem Leitwerk und der digitalisierten Lenkwaffe
versprechen sich Entwickler und Militärs eine kleine Revolution:
Aufgrund der deutlich höheren Zielgenauigkeit benötigt die
Waffe künftig eine viel geringere Sprengkraft als die meisten
Vorgängerwaffen. Die Zerstörungskraft der kleinsten
bisherigen B61, der B61-4, ist mit 50 Kilotonnen, also der vierfachen
Sprengkraft der Hiroshima-Bombe, ausreichend, um auch die Ziele
bekämpfen zu können, für die bislang Waffen mit einer
Sprengkraft von 300, 400 oder mehr Kilotonnen eingeplant wurden.
Deshalb soll die entscheidende Nuklearkomponente der B61-4, das
sogenannte Secondary, dessen Konfiguration die Wahlmöglichkeiten
für die Sprengkraftstärke bestimmt, als Basis für die
B61-12 genutzt werden. Als Gleitbombe fliegt die Waffe zudem in beiden
Versionen die letzten Kilometer bis zu ihrem Ziel eigenständig.
Dabei ist die Zielgenauigkeit im digitalisierten Modus „System
2“ noch größer als jene des Systems 1. Das Flugzeug,
das die Bombe abgeworfen hat, kann angesichts der bevorstehenden
Explosion in beiden Fällen bereits früh das Weite suchen.
Eine „maßvolle Abstandsfähigkeit“ nannte das
John Harvey, ein leitender Pentagon-Beamter, die die
Überlebenschancen von Pilot und Flugzeug verbessert.
Weniger wird mehr
Die US-Administration betont, die neue Waffe helfe, den
Gesamtbestand luftgestützter Atomwaffen in den USA künftig
deutlich zu reduzieren. Rund die Hälfte der heute noch vorhandenen
Atombomben werde verzichtbar. Das betreffe nicht nur die anderen alten
Versionen der B61 sondern auch die schwere strategische Bombe B-83 und
den nuklearen Bunkerknacker der USA, die B61-11. Beide sollen
außer Dienst gestellt werden, wenn die B61-12 einmal
eingeführt ist.
Die neue Bombe wird also alle drei bisherigen taktischen Atombomben der
USA (B61-3, B61-4 und B61-10) und ebenso alle bisherigen strategischen
Waffen dieser Bauart (B61-7, B61-11 und B83) ersetzen. Das nukleare
Arsenal der USA soll künftig nur noch eine atomare Fliegerbombe
enthalten, die sowohl taktische als auch strategische Aufgaben
übernimmt. Die gesteigerte Leistungsfähigkeit der B61-12
erlaubt es, mit einer Waffe sowohl den taktischen und als auch den
strategischen Zielbedarf abzudecken. Zugleich wird mit der B61-12 der
Unterschied zwischen taktisch-nuklearen Gefechtsfeldbomben und
strategischen Bomben aufgehoben.
Die größere Leistungsfähigkeit wirft eine entscheidende
Frage auf: Verstößt das Vorhaben B61-12 gegen die politische
Vorgabe von US-Präsident Barack Obama, keine neuen atomaren Waffen
und auch keine Waffen mit neuen militärischen Fähigkeiten
mehr zu entwickeln? Die zuständige Nationale Nukleare
Sicherheitsbehörde (NNSA) bestreitet das: Man benutze für die
B61-12 überarbeitete nukleare Komponenten einer vorhandenen Bombe
und schaffe auch keine neuen militärischen Fähigkeiten, weil
alle Ziele, für die die B61-12 gedacht sei, ja auch in der
Vergangenheit bereits bekämpft werden konnten – mit Waffen,
die eine wesentlich größere Sprengkraft besaßen.
Kritiker sehen das ganz anders. Hans Kristensen von der Federation of
American Scientists kommentiert die gesteigerte Leistungsfähigkeit
der Bombe mit kaum überhörbarer Ironie: “Nicht schlecht
für eine simple Lebensdauerverlängerung,“ sagt er.
Stephen Young von der Union of Concerned Scientists weist darauf hin,
dass eine verbesserte militärische Leistungsfähigkeit der
Waffe von der NNSA für 15 der 16 genauer beschriebenen
Verbesserungen an den nicht-nuklearen und nuklearen Komponenten als
Zweck und Motiv der Modernisierung genannt wird, während
verbesserte Sicherheitsstandards oder der Ersatz veralteter Komponenten
nur bei ganz wenigen Verbesserungen erwähnt werde. Schon das
mache deutlich, dass die Verbesserung der Leistung die
„treibende Kraft“ bei diesem Modernisierungsvorhaben sei.
Der Traum der Entwickler
Bruce Walker nennt die B61-12 „das größte
Nuklearwaffenprogramm der letzten 35 Jahre“. Walker ist der
Leiter des Entwicklungsprogramms für die Bombe im zuständigen
Sandia National Laboratory. Er hat miterlebt, dass der Kongress seit
dem Ende des Kalten Krieges immer wieder die Entwicklung neuer
Atomwaffen gestoppt hat. Die Mininukes, die Rapid Replacements
Warheads, der Robust Nuclear Earth Penetrator – all diese
Vorhaben für die Entwicklung neuer Atomwaffen wurden letztlich
gestoppt, weil das Parlament den Bau neuer Nuklearwaffen nicht
finanzieren und bisher nicht zulassen wollte.
Und doch blieb es natürlich über die Jahre immer ein Wunsch
der Ingenieure und der Labore, endlich wieder einmal eine ganz neue
Waffe zu entwickeln. Oder zumindest eine Entwicklung zu betreiben, die
möglichst nahe an die Entwicklung neuer Waffen herankommt. Wie
sonst sollte die Ausbildung einer neuen Generation von qualifizierten
Nuklearwaffenentwicklern gelingen?
Die Nuklearwaffenspezialisten haben deshalb in den letzte Jahren ihre
Argumentations- und Werbestrategie geändert. Modernisierungen von
Atomsprengköpfen werden politisch korrekt jetzt
regelmäßig als Lebensdauerverlängerungen bezeichnet und
sollen vor allem der Sicherheit und Zuverlässigkeit dieser
Waffen dienen. Leistungssteigerungen und verbesserte militärische
Fähigkeiten, sind dagegen keine guten, sondern in der
Öffentlichkeit verpönte, eher schädliche Argumente. Vom
Bau neuer oder weitgehend neuer Waffen redet niemand mehr. Allerdings
werden die Programme für Lebensdauerverlängerungen technisch
immer anspruchsvoller, umfassender und teurer und wundersamerweise
haben sie auch zur Folge, wovon in der Öffentlichkeit niemand
gerne spricht: Verbesserte Fähigkeiten der Sprengköpfe und
eine bessere militärische Nutzbarkeit. Näher als mit der
B61-12 sind die NNSA und die Techniker in den Atomwaffenlaboren dem
Wunsch nach Entwicklung einer weitgehend neuen Waffe schon lange nicht
mehr gekommen und bislang hat der Kongress deren Finanzierung noch
nicht ernsthaft infrage gestellt.
Vor drei Jahren aber machte Barack Obama dieser Strategie scheinbar
fast einen Strich durch die Rechnung. Er verankerte in seinem zentralen
Dokument zur künftigen Nuklearwaffenpolitik der USA, dem Nuclear
Posture Review, 2010 die politische Vorgabe, keine neuen Nuklearwaffen
und keine Waffen mit neuen militärischen Fähigkeiten mehr zu
bauen. Das hätte den Versuchen, per Lebensdauerverlängerung
weitgehend auch neue Waffen zu bauen, Grenzen setzen können. Doch
die für Entwicklung und Bau atomarer Waffen zuständige
Behörde, die NNSA, wollte das so nicht stehen lassen und
eröffnete sich kürzlich ein neues Hintertürchen für
weitergehende Aktivitäten. Sie legte dem Kongress ein auf 25 Jahre
angelegtes Planungsdokument, den Fiscal Year 2014 Stockpile Stewardship
and Management Plan vor, in dem es heißt: „Die NNSA wird
keine neuen nuklearen Sprengköpfe entwickeln oder neue
militärische Fähigkeiten bereitstellen, es sei denn, um die
Sicherheit und Zuverlässigkeit [der Waffen] zu verbessern.“
Da die Verbesserung der Sicherheit und der Zuverlässigkeit von
Atomwaffen seit der wiederholten Ablehnung der Entwicklung neuer
Nuklearwaffen zum Standardargument der Begründung
größerer Modernisierungsvorhaben für Nuklearwaffen
wurde, erweckt das Hintertürchen den Eindruck eines Scheunentors,
das man jederzeit weit genug öffnen kann, damit sowohl neue
Atomwaffen als auch Nuklearwaffen mit neuen militärischen
Fähigkeiten hindurch passen. Waffen wie die B61-12 eben.
Jedenfalls solange, wie der Kongress oder der Präsident diese
Möglichkeit nicht explizit ausschließen.
Für ein größeres Ganzes
Damit die Hintertüre nicht so einfach geschlossen werden
kann, haben Politik, Militär und Atomwaffenlabore schon in den
vergangenen Jahren vorgebaut: Präsident Obama konnte die
Ratifizierung des New START-Abkommens im US-Senat nur durchsetzen, weil
er zugleich versprach, das atomare Arsenal der USA umfassend zu
modernisieren. Die NNSA hat dafür Pläne entwickelt, in denen
das B61-12-Projekt der erste Schritt auf dem Weg zu einem deutlich
kleineren aber auch leistungsfähigeren und langlebigeren
Nuklearwaffenpotential der Zukunft ist.
Im November 2012 beschloss das Nuclear Weapons Council, ein Ausschuss
der zuständigen US-Staatssekretäre, die sogenannte „3
plus 2 Strategie“, um Obamas Modernisierungsversprechen
umzusetzen. Diese sieht vor, dass die USA künftig nur noch drei
unterschiedliche Atomsprengköpfe für ihre see- und
landgestützten Langstreckenraketen nutzen. Zwei weitere atomare
Sprengsätze sollen an Bord von Kampfflugzeugen zum Einsatz
kommen: Eine atomare Bombe, die B61-12, und ein Sprengkopf für
künftige Marschflugkörper der USA. Alle fünf
Sprengkopftypen sollen durch Lebensdauerverlängerungsprogramme aus
bereits vorhandenen Typen entwickelt und dabei gründlich
modernisiert werden. Besonderes Gewicht soll darauf gelegt werden, dass
die Sprengköpfe, zumindest aber ihre wesentliche Komponenten,
untereinander austauschbar werden, also mit mehr als einem
Trägersystem bzw. in mehr als einem Sprengkopf genutzt werden
können. Dieses Ziel dient als Begründung dafür, dass die
einzelnen Programme technisch sehr anspruchsvoll und weitgehend
ausfallen müssen und natürlich auch sehr teuer werden
können. Ein reiner Austausch veraltender Komponenten reicht zur
Umsetzung dieser Strategie nicht aus.
Beispiele: Es soll ein Sprengkopf entwickelt werden, der sowohl auf
seegestützten als auch auf landgestützten Langstreckenraketen
eingesetzt werden kann. Die atomaren Baugruppen der Atomwaffen sollen
so weiterentwickelt werden, dass man sie in mehr als einem Sprengsatz
verwenden kann. Ähnliches gilt für nicht-nukleare Komponenten
wie Neutronengeneratoren oder Radare. Die Summe der
Entwicklungsaufgaben, die zur Umsetzung dieser Strategie erledigt
werden müssen, umfasst wahrscheinlich fast alle Aufgaben, die auch
bei der Neuentwicklung atomarer Waffen anfallen würden – mit
Ausnahme von Modernisierungsschritten, die Atomwaffentests erforderlich
machen würden.
Die „3 plus 2 Strategie“ eröffnet Militärs und
Entwicklern zugleich gut verkäufliche Argumente. Sie
ermöglichen zahlenmäßige Abrüstung. Statt wie
bisher üblich, einen Sprengkopftyp bei technischen Problemen
komplett außer Dienst zu stellen und durch einen anderen,
reaktivierten Reservesprengkopftyp zu ersetzen, könne man
künftig einfach nur die problematische Baugruppe austauschen. Dann
werde es nicht mehr nötig sein, alternative Sprengköpfe
für einen solchen Fall als Reserve bereitzuhalten. Gelagert werden
müssten nur noch passende, alternativ einsetzbare Baugruppen. Das
wiederum erlaube es, das Arsenal der inaktiven Reservesprengköpfe,
das heute weit mehr als die Hälfte der US-Atomwaffen ausmacht,
deutlich zu verkleinern. Irgendwann, wenn diese Modernisierung
abgeschlossen ist,
Der nächste Schritte, der auf die Modernisierung der B61 folgen
soll, zeigt wohin die Reise gehen soll und wie zentral das Vorhaben
B61-12 für diese Modernisierungsstrategie ist. Wenn die Produktion
der B61-12 ausläuft, soll ab 2024/25 ein neuer Atomsprengkopf
für die künftigen Marschflugkörper der Luftwaffe
hergestellt werden, Für diesen laufen bereits heute konzeptionelle
Vorarbeiten. Derzeit wird die Entscheidung vorbereitet, ob dieser
künftige Sprengkopf unter Rückgriff auf die vorhandenen
Marschflugkörper-Sprengsätze W-80 und W-84 oder auf die B61
entwickelt werden soll. Allzu groß sind die Unterschiede nicht.
Bei allen drei Sprengsätzen handelt es sich im Kern um Varianten
der B61, die schon heute einen ähnlichen Aufbau und viele
Gemeinsamkeiten aufweisen. Auch deshalb hat das B61-12-Projekt aus
Sicht der NNSA eine so große Bedeutung.
Widerspruch aus der Politik
Dass die ambitionierte Strategie der NNSA tatsächlich
letztlich aufgeht, ist keineswegs sicher. Die angestrebte zeitlich
parallele Einführung neuer Trägersysteme und der
dazugehörigen modernisierten Sprengköpfe dürfte –
wie das Beispiel B61-12 und Joint Strike Fighter zeigt – nur sehr
schwer zu realisieren, wenn nicht eine Illusion sein. Auch die
explodierenden Kosten der Sprengkopfmodernisierungen können noch
immer zu deren Aus führen. Die ersten Kostenschätzungen
für eine Modernisierung der B61-Bombe lagen bei etwa zwei
Milliarden Dollar. Mit den wachsenden technischen Anforderungen an die
Leistungsfähigkeit der neuen Waffe stiegen sie über knapp 4
Milliarden auf heute mehr als 8 oder gar 10 Milliarden Dollar. Die NNSA
räumt ein, dass sie für die B61-12 mindestens 8,1 Milliarden
benötigt. Das Pentagon glaubt, dass die Kosten sich am Ende auf
mehr als 10 Milliarden belaufen werden – ohne die Kosten für
Projektanteile wie das Heckleitwerk, die die Luftwaffe direkt bezahlt.
. Während der Haushaltsberatungen des Kongresses
zeigten sich zuletzt wachsender Widerspruch und immer öfter
drängende Fragen: Geht es nicht auch eine Nummer kleiner und damit
billiger? Ist das Vorhaben überhaupt sinnvoll? Brauchen die
Streitkräfte eine Waffe wie die B61-12? Zweifel wurden laut, aber
ein endgültiger Stopp der Finanzierung wird bislang nicht ins Auge
gefasst.
Barack Obama hat dem Kongress vorgeschlagen, 537 Millionen US-Dollar im
Haushaltsjahr 2014 für die B61-12 bereitzustellen. Das
republikanisch dominierte Repräsentantenhaus ist bereit, sogar 560
Millionen auszugeben. Der Senat aber spielt bisher nicht mit. Er
kürzte das vorgesehene Budget für die Waffe um rund ein
Drittel auf 369 Millionen Dollar. Die endgültige Einigung steht
noch aus. Der Streit um Haushalt und Schuldenobergrenze geht zudem
weiter und somit kann es auch 2014 noch zu automatischen
Budgetkürzungen, dem sogenannten Sequester, kommen, der noch
tiefere Einschnitte zur Folge haben könnte.
Die Nervosität der Befürworter der B61-12 wächst. Sie
drängeln. Stehe 2014 nicht ausreichend Geld zur Verfügung, so
werde sich das Projekt weiter verzögern und verteuern. Schon
der Sequesters im laufenden Jahr 2013 habe die Fertigstellung der
ersten B61-12 um sechs Monate auf 2020 verzögert und führe zu
der Notwendigkeit, sich gegen potentielle Mehrkosten in Höhe von
mehr als 200 Millionen Dollar abzusichern. Robert Kehler, der
kommandierende General des Strategischen Oberkommandos der
US-Streitkräfte, hört die Uhr in der B61 ticken: „Das
Programm zur Verlängerung der Lebensdauer der B-61 ist eine
absolute Notwendigkeit“, sagt er, „Da ist schon viel
vertagt worden, jetzt können wir uns nicht den Luxus leisten, noch
länger zu warten.“
„All-in-one“ gegen Rüstungskontrolle
Die NNSA und das Verteidigungsministerium ficht das alles
nicht an. Für sie ist die B61-12 das derzeit wichtigste Vorhaben.
Es darf nicht kippen, weil es wie ein Dominostein die nachfolgenden
Projekte der „3 plus 2 Strategie“ mit umreißen
könnte. Selbst das geplante neue Abrüstungsabkommen mit
Russland, in das erstmals die nicht-strategischen Atomwaffen einbezogen
werden sollen, wäre aus ihrer Sicht kein Argument. „Machen
Sie keinen Fehler“, argumentierte Ende Oktober die
Pentagon-Staatssekretärin Madelyn R. Creedon vor dem Kongress,
„selbst wenn die NATO mit Russland ein Abkommen über eine
wechselseitige Reduzierung der taktischen Nuklearwaffen aushandeln
würde, würden wir das B61-12 Programm im Rahmen der
derzeitigen Zeitplanung zu ende bringen müssen.“ Wenn dem so
ist, die alten B61-Versionen die einzigen nicht-strategischen
Atomwaffen der USA sind und mit der unvermeidlichen Modernisierung zur
B61-12 also die einzigen nicht-strategischen Waffen weg-modernisiert
werden, an deren Wegverhandlung Moskau vielleicht ein Interesse haben
könnte, warum sollte Russland dann noch ein Interesse an
Diskussionen über ein Abkommen haben, das auch nicht-strategische
Nuklearwaffen umfasst? Mehr noch: Es droht sogar eine Blockade der
Rüstungskontrollbemühungen um eine weitere Reduzierung der
strategischen Nuklearwaffen auf beiden Seiten.

ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
Leser, die mehr Detail-Informationen zum
„Projekt B61-12“
suchen, können diese in der ausführlichen Studie
„Atomwaffenmodernisierung
in Europa – Das Projekt B61-12"
nachlesen.
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