IAEO drängt Iran zu mehr Kooperation
Denkfabriken schlagen neue Strategie im Atomstreit vor
von Otfried Nassauer
Wenig Gutes wusste Mohammad al Baradei, der Generaldirektor der Internationalen
Atomenergiebehörde (IAEO), zu berichten, als er gestern in Wien auf
das Atomprogramm des Irans zu sprechen kam. Man habe "bedauerlicherweise"
bei der Untersuchung des iranischen Nuklearprogramms "keinerlei Fortschritt"
mehr gemacht. Er dränge den Iran, "alle notwendigen Maßnahmen
zu ergreifen, um Vertrauen in die ausschließlich friedliche Natur
seines Nuklearprogramms zu schaffen." Die Situation sei verfahren
und der Weg zu einer Lösung blockiert. Al Baradei äußerte
die Hoffnung, "dass der bevorstehende neue Ansatz der internationalen
Gemeinschaft für den Dialog mit dem Iran" auch neue Optionen
eröffnen werde, um den alten Streit endlich zu lösen.
Mit dem "bevorstehenden neuen Ansatz" meinte Al Baradei die
Bereitschaft des neuen US-Präsidenten Barack Obama, direkte Gespräche
mit dem Iran führen zu wollen. Dessen Verteidigungsminister Robert
Gates hatte am Wochenende erklärt: "Sie (die Iraner) stehen
derzeit nicht kurz vor einer (nuklearen) Waffe." Es sei noch "etwas
Zeit", um nach einer diplomatischen Lösung zu suchen.
Teheran besteht auf Anreicherung
Doch bislang ist der Weg zu einer solchen Lösung versperrt. Der
Uno-Sicherheitsrat und die IAEO haben den Iran auf Drängen des ehemaligen
US-Präsidenten George W. Bush aufgefordert, die bereits begonnene
Urananreicherung wieder einzustellen. "Null Anreicherung" sei
die Voraussetzung dafür, mit dem Iran über eine Normalisierung
der Beziehungen und die Zukunft des iranischen Atomprogramms zu verhandeln.
Der Iran dagegen beharrt darauf, dass der Atomwaffensperrvertrag ihm
die Anreicherung zu zivilen Zwecken erlaubt. Er baut deshalb seine Anreicherungskapazität
seit mehreren Jahren unbeirrt aus und hat mittlerweile mehr als 1 000
Tonnen leicht angereichertes Uran hergestellt, wie es für Kernkraftwerke
benötigt wird. Genug, um das Material für eine Atomwaffe zu
gewinnen, wenn man die 1 000 Tonnen erneut und deutlich höher anreichert.
Das befürchtet der Generalstabschef Washingtons, Michael Mullen,
am Wochenende in einem CNN-Interview.
Garantien gegen Bedrohung
Bewegung könnte in die festgefahrene Situation kommen, wenn die
Regierung Obama auf die Vorschläge zweier sehr einflussreicher Denkfabriken
eingeht. Die amerikanische Rand Corporation und die deutsche Bertelsmann-Stiftung
haben den Regierungen in den USA und Europa eine deutliche Kehrtwende
im Streit um das iranische Atomprogramm empfohlen. Dem Iran sollte schnell
ein neues Verhandlungspaket vorgelegt werden, "das die Anreicherung
von Uran für nukleare Brennstäbe erlaubt", wenn Teheran
im Gegenzug "alle Kontrollmaßnahmen der Internationalen Atomenergiebehörde
akzeptiert" und sich verpflichtet, auf Arbeiten an einem militärischen
Atomprogramm zu verzichten. Dieser Vorschlag bedeutet eine deutliche Abkehr
von der bisherigen kompromisslosen Linie des Westens, die auch das deutsche
Auswärtigen Amt bis zuletzt immer wieder vertrat.
Die beiden Denkfabriken halten direkte Gespräche zwischen Washington
und Teheran für dringend erforderlich und empfehlen darüber
hinaus die Entwicklung einer "neuen Stabilitätsinitiative".
In deren Kontext sollen die USA,. Europa, China und Russland als "Garantiemächte
gegen nukleare Bedrohungen im Nahen und Mittleren Osten" auftreten.
Neue Sanktionen gegen den Iran solle es nur geben, wenn dieser ein "vernünftiges
Angebot" der USA zu "direkten Gesprächen" ablehne.

ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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