Nuklearlobby verlangt neue Generation von Sprengköpfen
USA stellen ihre modernste Atomwaffe außer Dienst
von Otfried Nassauer
Die US-Streitkräfte wollen ihre modernste Atomwaffe außer Dienst stellen. Das
bestätigte das Pentagon in Washington dem Forscher Hans Kristensen von der Vereinigung
amerikanischer Wissenschaftler (FAS). Aus den Haushaltsunterlagen für 2008, die dem
Kongress zugeleitet wurden, geht hervor, dass die US-Luftwaffe kein weiteres Geld mehr
für ihre nuklearen Marschflugkörper vom Typ ACM-129A beantragt. Die Ausmusterung dieser
Waffen diene der Einhaltung der Obergrenzen des Moskauer Vertrages (SORT) aus dem Jahre
2002, erklärt das Pentagon. Russland und die USA vereinbarten damals, dass beide Seiten
zum Jahresende 2012 nur noch je 1 700 bis 2 200 Sprengköpfe auf aktiven Trägersystemen
stationieren wollen.
Die noch vorhandenen rund 400 modernen Marschflugkörper mit Stealth-Eigenschaft waren
erst in den Jahren 1987 bis 1993 produziert worden. Eingesetzt werden sie von
Langstreckenbombern des Typs B-52H aus, die in den Bundesstaaten North Dakota und
Louisiana stationiert sind. Sie haben eine Reichweite von 3 500 Kilometern. Die maximale
Sprengkraft ihrer Atomsprengköpfe vom Typ W-80-1 wird auf 150 Kilotonnen geschätzt.
Für die Bomber stehen weiterhin 1 300 Marschflugkörper des älteren Typs AGM 86B zur
Verfügung. Sie wurden in den vergangenen Jahren modernisiert und tragen den gleichen
Atomsprengkopf.
Unklar ist, was mit den Marschflugkörpern selbst geschehen soll. Sie könnten zu
konventionellen Waffen umgerüstet werden,. Die US-Luftwaffe hat bereits vor einigen
Jahren versuchsweise einige konventionelle, bunkerbrechende Versionen bauen lassen.
Spekuliert werden kann auch darüber, ob die Nuklearwaffenlobby durch die
Außerdienststellung einer so modernen Waffe den Druck auf den noch widerstrebenden
Kongress vergrößern will, eine Generation neuer Atomsprengköpfe entwickeln zu lassen.
Anfang März wurde bekannt, dass die Nuklearwaffenlaboratorien jetzt mit der Entwicklung
eines ersten Sprengkopfs der neuen Generation verlässlicher Ersatzsprengköpfe (RRWs)
beginnen wollen, sobald der Kongress die Gelder dafür freigibt. Dies wären die ersten
neuen Atomwaffen, die die USA seit Anfang der neunziger Jahre einführen.
Die USA verfügen derzeit über rund 6 700 aktive und reaktivierbare Atomsprengköpfe
sowie über mehr als 3 000 Waffen, die aussortiert werden sollen. Auch wenn die
Abrüstungsschritte im Rahmen des Moskauer Vertrages 2012 abgeschlossen sind, wird
Washington insgesamt noch knapp 6 000 Atomwaffen haben.

ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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