Elke Durak im Gespräch mit Ottfried Nassauer, Direktor des Informationszentrums für transatlantische Sicherheit in Berlin
Nassauer: Schönen guten Morgen, Frau Durak. Durak: Hat der Präsident der USA den 'point of no return' bereits erreicht? Nassauer: Einen 'point of no return' in der Frage eines Krieges solle es
eigentlich nicht geben. Insofern ist es mir ein bisschen unlieb, die Frage so zu
beantworten. Allerdings, was man sagen kann, mit den wachsenden Kosten des Aufmarsches
wird es für Bush immer schwieriger, politisch wie finanziell, einen Krieg zu vermeiden,
denn würde er dies tun, würde er auch ein Stück weit sein politisches Gesicht verlieren
und darin liegt das eigentliche Risiko des massiven Aufmarsches, das ansonsten natürlich
auch als die Druckkulisse zur Erzwingung der Kooperation des Iraks theoretisch
interpretiert werden könnte, aber wohl doch nicht ist. Durak: Also im Grunde kann er ja nicht mehr zurück, ohne sein Gesicht zu
verlieren, politisch vor allem. Nassauer: Das werden wir noch sehen. Es gibt durchaus Optionen. Denke Sie nur,
an die Nachrichten über die Gespräche darüber, ob ein Rücktritt von Saddam Hussein
einen Krieg vermeiden lassen könnte. Aber es wird immer schwieriger. Durak: Glauben Sie daran, dass Hussein freiwillig zurücktritt? Nassauer: Nein, er würde unter sehr viel Druck zurücktreten oder als von ihm
selbst gewähltes Mittel der politischen Überraschung mit Nachfolgern, die er selber noch
mitbestimmen würde. Durak: Dann müsste Hussein sich dazu entschließen, sein Volk zu schützen,
bisher war er anderer Meinung... Nassauer: Genau deswegen ist diese Variante relativ unwahrscheinlich - dass er
es freiwillig tut. Die Variante, dass er es unter Druck tut, ist aber trotzdem durchaus
denkbar und zwar nicht zuletzt deswegen, weil dieser Druck natürlich auch sehr sehr enorm
ist. Durak: Stimmen auch aus Deutschland von deutschen Politikern sagen, dass sich
die USA auf dem Weg in die Isolation bewegen. Würden Sie dem zustimmen? Nassauer: Die Vereinigten Staaten sind auf einem ziemlich gefährlichen Weg aus
ihrem, was sie Multilateralismus á la carte nennen und viele in Europa als
Unilateralismus kritisieren. Eine Politik zu machen, die so eindeutig immer wieder dieses
Muster wiederholt 'wenn ihr nicht mit uns seid, dann machen wir es eben alleine', läuft
Gefahr dass sie tatsächlich von der einzigen zu der einsamen Supermacht werden könnten. Durak: Welche Rolle spielt Europa in dieser ausbalancierten Situation gerade
noch? Nassauer: Europa ist auf der einen Seite weiterhin der wichtigste Partner der
Vereinigten Staaten. Auf der anderen Seitehat Europa, das merkt man an dem Mangel an
europäischen Initiativen, die schon länger im Vorfeld dieses Krieges oder auch der
nordkoreanischen Proliferationsszenerie, nicht genügend eigene Initiativen erwiesen und
aufgebaut, um wirklich als partnerschaftsfähig zu gelten. Das andere ist: Europa könnte
das, aber wird da wohl noch einen ganz schönen Weg zurücklegen müssen, weil es eben
keine wirklich gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik hat, sondern immer noch die von
verschiedenen Nationalstaaten mit manchmal leicht, manchmal mehr als leicht divergierenden
Interessen. Durak: Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Das sind sagen wir mal die
drei wichtigsten europäischen Staaten in dieser Frage. Von Großbritannien wissen wir,
dass es zwar nicht mit gespaltener Zunge spricht, aber es gibt Politiker, die wollen den
Irak-Krieg und eine zweite Resolution und Tony Blair hat gestern noch mal gesagt: Wenn es
Beweise gibt, dann muss zugeschlagen werden. Frankreichs Position ist bekannt: Ohne zweite
Resolution läuft gar nichts und die Abstimmung zwischen Chirac und Schröder heute abend
möglicherweise in dieser Frage scheint sich sehr sehr schwierig zu gestalten. Welche
Rolle spielt in diesem Konzert Deutschland? Nassauer: Die Bundesrepublik und Großbritannien haben manchmal beide die
Angewohnheit, den Versuch zu machen, sich in Washington 'lieb Kind' zu machen, statt
zunächst einmal zu fragen, was sie eigentlich selbst politisch für richtig halten.
Daraus resultiert manchmal das Bild, das auf der einen Seite Tony Blair in den Ruf
gebracht hat, das Schoßhündchen Bushs zu sein und auf der anderen Seite das Bild, dass
bei uns in der Bundesrepublik Diskussionen entstehen wie jene, ob die UNO-Resolution 1441
nun wirklich schon alleine ausreicht, um militärische Gewalt zu rechtfertigen, wie das ja
von Herrn Pleuger jetzt auch noch mal sehr deutlich gesagt worden ist. Ich denke in der
Tat, die Abstimmung mit Herrn Chirac dürfte schwierig werden, da die Bundesrepublik wohl
offensichtlich den Vereinigten Staaten politische Unterstützung zugesagt hat, zumindest
aber ihnen zugesagt hat, dass sie nicht die Absicht hat, der amerikanischen Politik zu
widersprechen. Durak: Sehen Sie überhaupt noch eine Chance, den Irak friedlich zu entwaffnen
neben dem mehr oder weniger freiwilligen Rückzug Saddams? Nassauer: Ja, ich sehe einen, der über die UNO-Inspektionen geht und zwar
schlicht und einfach: Diese Inspektionen könnten ein wirklich guter Beweis dafür sein,
dass, wenn sie denn ernst genommen würden und auch die entsprechende politische und
zeitliche Unterstützung bekämen, dass die Vereinten Nationen a) auf dem Wege
nichtmilitärischer Mittel über Verifikation Massenvernichtungsprogramme endgültig
beenden können und zweitens auch in dieser Art und Weise ihre Funktion, nämlich
letztlich über Krieg und Frieden auf der Welt entscheiden zu sollen, dass diese Funktion
den Vereinten Nationen wieder zurückgegeben würde. Ich sehe die Chance und ich denke,
man sollte sie politisch nutzen. Durak: Danke, Herr Nassauer. Das war Ottfried Nassauer, Direktor des
Informationszentrums für transatlantische Sicherheit in Berlin.
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