Wie lange haben die US-Atomwaffen noch eine Zukunft in Deutschland?
von Otfried Nassauer
Das wäre eine gute Frage an den
zuständigen Bundeswehrgeneral, den Luftwaffeninspekteur. Was
würde er wohl antworten?
Etwa dies: Für die nächsten 20-30 Jahre bleiben diese
Waffen in Deutschland. Die NATO will sie behalten, damit sich Polen und
das Baltikum an die atomare Abschreckung der USA angekoppelt
fühlen. Die große Koalition hat signalisiert:
Solange die NATO auf nukleare Abschreckung setzt, wird Deutschland in
Nuklearfragen mitreden wollen. Deshalb muss die Bundesrepublik auch
weiter bei der nuklearen Abschreckung mitmachen und geeignete
Trägerflugzeuge bereitstellen. Wir werden auch
darüber nachdenken müssen, ob es klüger ist,
die Nutzungsdauer unserer nuklearfähigen Tornado-Flugzeuge
noch einmal zu verlängern oder gleich ein neues Flugzeug zu
kaufen.
Die Zukunft taktischer Nuklearwaffen in Europa
Unter diesem Titel hatte die Washingtoner Denkfabrik Stimson Center am
16. Januar in Washington eingeladen. Norton Schwartz, der ehemalige
Stabschef der US Air Force, liebt die klaren Worte. Die Modernisierung
der US-Atombomben vom Typ B 61 zur B 61-12 ist aus Sicht von General
Schwartz »notwendig«. Diese Waffe sei
»vom Einsatz her betrachtet« vorteilhaft, weil sie
eine geringere Sprengkraft und eine höhere Treffgenauigkeit
besitze als die bisherigen luftgestützten Atomwaffen der
US-Luftwaffe. »Eine höhere Zielgenauigkeit und eine
niedrigere Sprengkraft – das sind wünschenswerte
Fähigkeiten. Ohne Frage«, so der ehemalige General.
Die B 83, eine Megatonnenwaffe, sei zwar jünger als die B 61,
»übertreffe« aber mit ihrer
großen Sprengkraft die »militärischen
Anforderungen«. Die Modernisierung der B 61 sei aus seiner
Sicht sogar wichtiger als die geplante Entwicklung eines neuen
nuklearen Marschflugkörpers großer Reichweite:
»Ich würde die B 61 vorziehen.«
Eine neue Atomwaffe
Der General bestätigt damit – ganz nebenbei
– den wesentlichen Kritikpunkt an der B 61-12: Die
größere und flexiblere militärische
Nutzbarkeit der neuen Bombe bringt das Vorhaben in Widerspruch zum
Versprechen von US-Präsident Obama, keine neuen und auch keine
Atomwaffen mit neuen militärischen Fähigkeiten
einzuführen. Gefragt, ob die Modernisierung die bestehende
Waffe nur besser mache oder auch zu einer veränderten
Zielplanung führen werde, antwortete Schwartz: »Es
würde beide Effekte haben.«
Kommt die All-in-One-Bombe?
Praktisch, diese technischen All-in-One–Geräte.
Drucker, Scanner, Fax und Kopierer – nur ein Gerät
– geringe Kosten, wenig Platzbedarf und für viele
Aufgaben geeignet. Etwas Ähnliches müssen sich die
US-Nuklearwaffenspezialisten gedacht haben, die die Anforderungen
für die künftige Atombombe vom Typ B 61-12 ersonnen
haben: Eine einzige Bombe für alle Aufgaben – das
wäre die ideale Lösung. Sie soll alle sechs
vorhandenen Atombombentypen der USA ablösen und deren
unterschiedliche militärische Funktionen in ihren
Fähigkeiten vereinen.
Mittlerweile gibt es erste Indizien, dass die flexiblen
Einsatzmöglichkeiten der neuen Waffe noch einmal ausgeweitet
worden sein könnten. Im Oktober 2013 wurde bekannt, dass die
B 61-12 alle bisherigen Atombomben der USA ablösen
soll. Also auch die B 83 mit ihrer maximalen Sprengkraft von einer
Megatonne und den nuklearen Bunkerknacker B 61-11.
Bisher ist nicht ganz klar, wie und warum es zu dieser
Veränderung der Planung kam. Möglicherweise soll auf
die B 83 verzichtet werden, weil ihre Sprengkraft die heutigen
Anforderungen übertrifft und man hofft, das Vorhaben B 61-12
vom Kongress leichter finanziert zu bekommen, wenn man argumentieren
kann, dass eine neue Waffe alle alten ersetzen soll.
Flexibel einsetzbar
Vielleicht gibt es aber auch eine andere Erklärung. Die
JASONs, ein wichtiges wissenschaftliches Beratergremium, empfahlen
2012, nicht nur die sekundären Nuklearsprengsätze der
Version B 61-4 für die Modernisierung zur B 61-12
heranzuziehen, sondern auch die sehr ähnlichen Secondaries der
B 61-10, also des umgebauten alten Pershing-II-Sprengkopfes.
Das hätte wahrscheinlich zwei Folgen: Zum einen
könnten eine größere Zahl von B 61 Bomben
modernisiert werden, weil mehr Secondaries zur Verfügung
stehen. Zum anderen stünden mehr Sprengkraftstärken
zur Wahl, denn die B 61-10 bietet etwas andere
Wahlmöglichkeiten als die B 61-4. Ein noch flexiblerer Einsatz
der Waffe würde möglich. Ein Beispiel: Die maximale
Sprengkraft der B 61-10 beträgt 80 Kilotonnen, nicht 50 wie
bei der B 61-4. Auch das könnte die Entscheidung erleichtert
haben, auf die Megatonnenwaffe B 83 zu verzichten.
Mit der B83 würde eine der technisch sichersten und neusten
Atomwaffen außer Dienst gestellt und durch eine weniger
sichere Waffe, die B 61-12 ersetzt. Die B 83 verfügt
über eine feuerresistente Nuklearkomponente, das Pit. Dieses
soll verhindern, dass bei einem Atomwaffenunfall mit einem Brand
Plutoniumpartikel mit dem Rauch in der Umgebung verteilt werden. Alle
Versionen der B 61, auch die künftige B 61-12 können
nicht mit einer solchen, sichereren Komponente ausgestattet werden.
Auch die Europäer sollen zahlen
Das Vorhaben, den Joint Strike Fighter nuklearfähig zu machen,
liegt derzeit weiterhin auf Eis. Der Kongress hat auch für das
Haushaltsjahr 2014 keine Gelder für die Entwicklung der
Variante „Block IV“ bereitgestellt. General
Schwartz machte sich auf der Stimson-Tagung dafür stark, die
geplante nuklearfähige Version des neuen Jagdbombers nur dann
zu entwickeln, wenn die Europäer sich verpflichten, einen Teil
der Kosten zu übernehmen. Das neue Kampfflugzeug leidet zudem
weiterhin unter erheblichen technischen Problemen. Die Modernisierung
der US-Atombomben vom Typ B 61 zur B 61-12 ist aus Sicht von General
Schwartz jedoch davon unabhängig
»notwendig«.
Unter folgendem Link wurde die Veranstaltung
dokumentiert:
www.stimson.org/spotlight/stimson-event-on-capitol-hill-examines-the-future-of-us-tactical-nuclear-weapons-video
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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