Das Interesse hinter den Interessen
Die USA, der Iran und Israel
Kommentar von Otfried Nassauer
John Bolton nahm kein Blatt vor den Mund: "Wir sind mit einer Bedrohung
konfrontiert, da der Iran nicht nur atomare Waffen anstrebt, sondern auch Raketen mit
längerer Reichweite und größerer Zielgenauigkeit", meinte der UN-Botschafter
Washingtons vergangene Woche. Und das sei "offensichtlich sehr, sehr
gefährlich". Bolton hat eine Mission: Der Iran soll das schärfste Vorgehen des
UN-Sicherheitsrats erfahren, das sich unter den gegebenen Umständen durchsetzen lässt.
Sanktionen sollen so früh wie möglich auf die Tagesordnung kommen - eventuell noch in
diesem Monat. Bolton geht wie immer aufs Ganze. Prophylaktisch droht er gar dem
Sicherheitsrat: Der stünde vor einem "Test". Der Test, ob der Sicherheitsrat
den Forderungen der USA folgt.
Doch was will die Bush-Administration letztlich? Hofft sie, so schnell wie möglich
eine Erlaubnis zum Krieg zu erhalten? Die wird sie sicher nicht bekommen - höchstens den
erneuten Beweis, dass der Sicherheitsrat Washington nicht zu Militärschlägen
ermächtigt. Sucht sie einen Vorwand, um möglichst bald so wie im Falle des Iraks
argumentieren zu können? Wenn die UNO nicht handelt, müssen die USA es selbst tun! Schon
möglich. John Bolton mag die UNO und deren Sicherheitsrat nicht. Der - so Bolton früher
einmal - verfüge nur über ein legitimes Mitglied, die USA. Doch gibt es nicht auch
andere Erklärungen?
George W. Bush und seine Regierung haben keinen guten Grund, derzeit anders vorzugehen.
Der Iran liefert Washington die Angriffspunkte auf dem Silbertablett. Er attackiert Israel
und verteidigt ein wirtschaftlich zweifelhaftes Atomprogramm. Er streitet mit seinen
Verhandlungspartnern und strapaziert deren Geduld - ein dankbarer Gegner. Den Konflikt mit
dem Iran zu eskalieren, bringt George W. Bush immer Vorteile: Wenn es nur gelänge, das
Land endlich international zu isolieren und unter Sanktionen zu stellen, dann wäre
Washington etliche Schritte weiter, als es in der Vergangenheit je kam. Endlich sähen
sich Europäer, Russen und Chinesen gezwungen, auf die US-Linie einzuschwenken. Der Druck
nähme zu.
Washington geht es nicht vorrangig um das iranische Atomprogramm oder um iranische
Unterstützung für den irakischen Widerstand. Die USA wollen einen Regierungswechsel in
dem Land, mit dem sie seit der Revolution von 1979 keine diplomatischen Beziehungen mehr
unterhalten und das seinerzeit über 400 Tage lang amerikanische Geiseln in seiner Gewalt
hielt. Der Streit um das Atomprogramm könnte ein Vehikel sein, um alte Rechnungen zu
begleichen. Im Iran ist er zu einem Symbol avanciert, hier gilt es, Nationalstolz zu
demonstrieren und das Gesicht zu wahren. Deshalb braucht Washington nur etwas überzogene
Forderungen zu stellen, damit auch Teheran sich kompromisslos zeigt. Und wenn eine
akzeptable Kompromiss-Idee erarbeitet wird, wie das Russland und die IAEO vor der Sitzung
der Wiener Atombehörde am 6. März versuchten, schleudert man den Russen ein Wort
entgegen, das sie aus Breschnew-Zeiten nur zu gut kennen: "Njet". Diese Antwort
gab Condoleezza Rice ihrem Kollegen Sergej Lawrow, als er vorschlug, dem Iran kleinere,
militärisch irrelevante Forschungsarbeiten zur Urananreicherung zu ermöglichen, falls
das Land im Gegenzug das Uran für seine Reaktoren längerfristig in Russland anreichere.
Auch John Bolton war wieder mit von der Partie. Er holte zum diplomatischen
Präventivschlag aus, und drohte kurz vor dem Eintreffen Lawrows dem Iran noch einmal mit
schmerzhaften Konsequenzen. Washington braucht keine Kompromisse, keine Lösung für
diesen Streit. Es braucht den Streit und die Eskalation, um dem Ziel einer Ablösung der
Ajatollahs im Iran näher zu kommen. Früher oder später. Mit oder ohne Rückgriff auf
militärische Mittel.
Und doch bilden die USA nicht nur die treibende Kraft der Eskalation. Sie sind auch
eine getriebene Supermacht. Israel droht regelmäßig damit, bald im Alleingang
militärisch gegen den Iran vorzugehen. Die Israelis sehen im Iran mittelfristig die
größte Bedrohung ihrer Sicherheit. Sie beharren darauf, dass Teheran schon in wenigen
Monaten, spätestens aber in wenigen Jahren der Weg zur Bombe nicht mehr verwehrt werden
könne. Deshalb müsse schnell und entschieden gehandelt werden. Sollte Israel den Iran
angreifen, würde Washington dafür politisch in der islamischen Welt mitverantwortlich
gemacht. Die USA können Israel nur unter Kontrolle halten, wenn sie selbst glaubwürdige
militärische Handlungsoptionen vorbereiten. Und in Jerusalem wissen alle, die Israel
freundliche Regierung George W. Bushs mit ihren vielen neokonservativen Hardlinern wird
nur noch bis 2008 im Amt bleiben. Das prägt sicher nicht nur die Bedrohungsanalyse,
sondern auch die Zeitpläne.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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