Deutsche Sicherheitspolitik im europäischen Verbund
Otfried Nassauer kommentiert die Ergebnisse der
Münchner Sicherheitskonferenz zu ihrem 50. Jubiläum
Das war ungewöhnlich. Fast zwei Tage lang haben deutsche
Politiker die Schlagzeilen der Münchener Sicherheitskonferenz
beherrscht. Bundespräsident Joachim Gauck,
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und
Außenminister Frank Walther Steinmeier betonten gemeinsam:
Deutschland werde künftig eine aktivere Außenpolitik
betreiben, mehr Verantwortung übernehmen und ein
größeres sicherheitspolitisches Engagement zeigen.
Deutschlands Gewicht sei gewachsen und dem werde Berlin Rechnung tragen.
Auf der Suche nach griffigen Formeln sprachen Journalisten schnell
davon, Deutschland wolle endlich erwachsen werden. Sogar von dem Ende
einer selbstgewählten Verantwortungslosigkeit war die Rede.
Kommunikation ist meist das, was bei den Zuhörern ankommt.
Nicht das, was die Redner gesagt haben. So auch diesmal. Die Reden der
deutschen Spitzenpolitiker weckten sehr unterschiedliche Erwartungen,
was ein stärkeres Engagement Deutschlands in Zukunft bedeuten
könne.
Die einen äußerten die Hoffnung, die neue
Bundesregierung werde sich jetzt für die
Unterstützung der Opposition in der Ukraine stark machen.
Andere hofften auf eine aktivere Rolle im Syrienkonflikt. Wieder andere
erwarten mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr. Nichts
dergleichen dürften Gauck, von der Leyen und Steinmeier
wirklich im Sinn gehabt haben. Ihnen geht es vielmehr darum, Europa
durch verstärkte Zusammenarbeit bei Krisen endlich
handlungsfähig zu machen – auch, aber nicht nur
militärisch. Nach dem Ende des NATO-Großeinsatzes in
Afghanistan wollen sie die Entwicklung der Europäischen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik wieder vorantreiben. Damit das
gelingt, bedarf es einer stärkeren
deutsch-französischer Zusammenarbeit und der richtigen Signale
an den französischen Partner.
Derzeit praktiziert vor allem Frankreich eine aktive
militärische Außen- und Sicherheitspolitik. Es war
bei vielen Interventionen der letzten Jahre die treibende Kraft: In
Libyen, an der Elfenbeinküste, in Mali und in der
Zentralafrikanischen Republik. Im Alleingang droht Paris die
Überdehnung seiner Kräfte. Das
größere Engagement Deutschlands wird sich deshalb im
militärischen Bereich vor allem auf eine begrenzte
Unterstützung Frankreichs in Afrika beziehen. Frankreich soll
entlastet werden. Nicht durch den Einsatz Tausender deutscher
Kampftruppen in Mali oder Zentralafrika, sondern durch eine gezielte
Unterstützung in kostspieligen Einsatzbereichen. Zum Beispiel
beim Lufttransport oder beim Sanitätswesen.
Paris bekommt das Signal, dass Berlin bei einer aktiveren
europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mitmachen
würde. Auch da, wo sich Deutschland bislang meist
zurückhielt: In ehemaligen Kolonialgebieten Frankreichs. Doch
das Angebot hat auch Grenzen. Berlin ist zur Unterstützung
bereit, wenn Konflikte eingedämmt werden sollen, die zum
Beispiel zu Völkermord eskalieren können. Konflikte,
bei denen die UNO das Mandat zum Eingreifen erteilt. Heiße
postkoloniale Kohlen will Berlin dagegen auch künftig nicht
für Paris aus dem Feuer hohlen. Das ist gut so. Man darf aber
gespannt sein, ob Berlin diese rote Linie auch beibehält, wenn
Frankreich mehr einfordert.

ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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