|
||||||||
|
Hinweis: | |
Hier können Sie die Tonfassung
finden |
Es wird spannend heute in Karlsruhe. Das Verfassungsgericht urteilt
über die deutsche Rüstungsexportpolitik. Dabei könnte es
um viel mehr als um die eigentliche Klage. Die Grünen Katja Keul
und Hans-Christian Ströbele wollen mehr Informationen über
die Genehmigungspolitik für Rüstungsexporte erzwingen, weil
die Bundesregierung ihnen 2011 partout keine Auskunft über
Panzer-Exporte nach Saudi-Arabien geben wollte. Inzwischen erfahren die
Abgeordneten manchmal zwar etwas mehr, aber das Grundproblem besteht
weiter: Der Bundestag erfährt zu wenig und zu spät, um bei
Exporten mitreden zu können.
Mit der Zeit wurde das Gerichtsverfahren immer interessanter. Wo die Richter auch nachhakten: die Argumente der der Bundesregierung standen oft auf wackeligen Beinen oder waren so vertrackt, dass wieder neue Fragen entstanden. Bald ging es nicht mehr nur um Geheimhaltung und Informationspflichten, sondern auch um den Endverbleib deutscher Waffen und darum, dass dieser nur auf dem Papier kontrolliert wird. Papier ist jedoch geduldig und so manche Waffe taucht später an Orten auf, wo sie gar nicht hingehört. Es kann deshalb gut sein, dass die Richter über den Kern der Klage hinausgehen und raten oder gar anordnen, dass noch mehr geändert werden muss als nur die Informationspolitik.
Das gilt auch für den interessantesten Punkt, der in diesem Verfahren aufgetaucht ist: Ist es eigentlich zulässig, dass die Bundesregierung über Rüstungsexporte im geheim tagenden Bundessicherheitsrat, dem BSR, entscheidet? Das Grundgesetz sagt, über Kriegswaffenexporte entscheide das ganze Kabinett. Nach dem Ressortprinzip können Entscheidungen auch an den zuständigen Wirtschaftsminister delegiert werden. All das, was im BSR beraten wurde, ist aber offensichtlich nie delegiert worden. Mit anderen Worten: Vielen Exportentscheidungen des BSRs könnte die Rechtsgrundlage fehlen, weil das ganze Kabinett hätte entscheiden müssen. Auf dieses Problem wiesen zuletzt etliche Experten hin, darunter der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichts, Hans Jürgen Papier.
In dem Verfahren tauchten zudem deutliche Hinweise auf, dass der Bundessicherheitsrat für Rüstungsexportentscheidungen gar nicht zuständig ist. Entschieden wurde offenbar dort, weil es dann geheim blieb. Als die Bundesregierung 2013 erstmals die Geschäftsordnung des BSR veröffentlichte, fand sich dort nicht der geringste Hinweis, dass dieses Gremium Waffenexporte genehmigt. Ein solcher Hinweis wurde erst im April dieses Jahres eingefügt, als die Geschäftsordnung geändert werden musste, um den Bundestag über Teile der Genehmigungen informieren zu können. Jetzt gibt es einen indirekten Hinweis. Nach mehr als 50 Jahren, denn solange gibt es diese Geschäftsordnung schon.
Das Gericht könnte also sogar die Genehmigung von
Kriegswaffenexporten im Bundessicherheitsrat für verfassungswidrig
erklären. Eine schallende Ohrfeige für alle
Bundesregierungen. Das Gericht muss das aber nicht tun, denn die Klage
der Grünen verlangt keine Entscheidung zu diesem Punkt. Die
Richter können also auch schweigen. Oder sagen: Das müsste
mal geändert werden. Denn wenn jemand klagt, würden wir es
für verfassungswidrig erklären. Deshalb wird es heute
spannend.
ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
Neuigkeiten | Daten&Archive | Bits bei der Arbeit | Kalender |
Publikationen | Projekte | Netzwerke | Links |