Amerika plant die Atomwaffen der Zukunft
Die USA treiben die Entwicklung nuklearer Bomben intensiv voran bereits Ende
des Jahres soll über Entwürfe entschieden werden
von Otfried Nassauer
Die US-Strategie ist klar: Auch in der Zukunft werden Atomwaffen im amerikanischen
Sicherheitskonzept eine bedeutende Rolle spielen. Im US-Verteidigungsministerium wird
offenbar überlegt, alle heute vorhandenen Atomwaffen in den nächsten Jahrzehnten durch
neue Nuklearsprengköpfe zu ersetzen. Damit würden die USA bis weit in die zweite Hälfte
dieses Jahrhunderts über modernste Atomwaffen verfügen. Zu diesem Schluss kommt eine
Untersuchung von Hans Kristensen von der Vereinigung amerikanischer Wissenschaftler, FAS.
Kristensen analysiert das Reliable-Replacement-Warhead-Programm (RRW), ein Studienprogramm
des Pentagons und des US-Energieministeriums.
Demnach entwickeln die Atomwaffenlaboratorien in Los Alamos und Livermore zwei
konkurrierende Entwürfe für Atomwaffen. Angeblich sollen die neuen Waffen einfacher,
verlässlicher, leichter herstellbar und besser zu warten sein als die bisherigen. Sie
sollen aber auch weniger Sprengkraft haben und weniger Nebenschäden verursachen. Im
November 2006 wollen die beiden Ministerien entscheiden, welches Laboratorium den besseren
Entwurf für eine erste neue Waffe vorgelegt hat.
Bislang war bekannt, dass Komponenten für nur einen modernisierten Sprengkopftyp
entwickelt werden. Ein Schaubild des Pentagons macht jedoch deutlich, dass nach 2020 bis
zu vier neue Sprengkopftypen verfügbar sein sollen. Mitte des nächsten
Jahrzehnts sei zudem zu entscheiden, ob das Arsenal künftig ganz aus
RRW-Sprengköpfen oder aus einer Mischung von RRW- Sprengköpfen und Atomwaffen aus Zeiten
des Kalten Krieges bestehen soll, deren Lebensdauer verlängert wurde. Vier bis sechs
verschiedene Nuklearwaffentypen sollen dann insgesamt zur Verfügung stehen. Zu diesem
Zeitpunkt müsse auch die Entwicklung von Sprengköpfen für die nächste Generation
der Trägersysteme angegangen werden, heißt es in der Pentagon-Beschreibung.
Das Forschungsprogramm für die neuen Sprengköpfe begann im Haushaltsjahr 2005. Es kam
auf Initiative des Kongressabgeordneten David Hobson zustande, der es als Alternative zu
den umstrittenen Plänen für Forschungsarbeiten an Mini-Nukes und atomaren Bunkerknackern
ins Spiel gebracht hatte. In diesem Jahr stehen dafür rund 25 Millionen Dollar zur
Verfügung, für das nächste Jahr sind 27,7 Millionen beantragt. Ein Unterausschuss des
Senats hat aber bereits weitere zehn Millionen Dollar eingestellt. Damit soll schon jetzt
ein zweiter neuer Sprengkopf konzipiert werden.
Nachdem die Atomwaffenlaboratorien jahrelang nur die Lebensdauer vorhandener Waffen
verlängern und keine atomaren Tests durchführen durften, möchten sie jetzt auch wieder
neue Waffen bauen. In einer gemeinsamen Stellungnahme aller drei Forschungszentren aus dem
Mai 2005 hielten sie fest: Am besten sei es, das Waffenpotenzial und die
nuklearindustrielle Infrastruktur parallel zu transformieren. Kritiker, die
2005 befürchteten, dass Hobsons RRW-Initiative nur ein neues Label für den Einstieg in
die Entwicklung neuer Atomwaffen sei, scheinen recht zu behalten. Denn die
Atomwaffenlabore machen deutlich, dass die neuen Waffen, wenn erforderlich
auch andere Fähigkeiten haben sollen als die bisherigen. Die alten Waffen werden
kritisiert, weil sie militärisch wegen ihrer großen Sprengkraft und des großen
Kollateralschadens kaum einsetzbar sind, sich für den Einsatz gegen tief verbunkerte
Ziele oder biologische und chemische Waffen nicht eignen und auch nicht so zielgenau wie
heute technisch möglich sind.
Derzeit verfügen die USA noch über neun verschiedene Nuklearwaffentypen und über
mehr als 10 000 Sprengköpfe. Bis 2012 soll dieses Potenzial um fast die
Hälfte reduziert werden, also noch etwa 6000 Sprengköpfe umfassen.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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