Eskalation garantiert – Waffen für Kiew
Otfried Nassauer
Dieser Vorschlag hat politisches Gewicht: Acht ehemals
leitende Mitarbeiter der Regierung Obama aus vier großen
US-Denkfabriken fordern, die Ukraine mit Waffen zu beliefern. Drei
Jahre lang soll Kiew für je eine Milliarde Dollar aus den USA
Rüstungsgüter bekommen, um den prorussischen Separatisten
besser Widerstand leisten zu können. Gepanzerte Radfahrzeuge,
Artillerieortungsradare, Panzerabwehrraketen, Störsender,
Aufklärungsdrohnen.
Für die Autoren ist klar: Allein der russische Präsident,
Wladimir Putin, trägt die Verantwortung für diesen Konflikt.
Er bedroht die europäische Sicherheitsordnung, in der nach dem
Kalten Krieg die Grenzen der NATO weit nach Osten verschoben wurden.
„Die Geschichte lehrt, dass der einzige Weg eine solche Agression
zu stoppen, bevor sie einen regionalen oder gar weltweiten
Großbrand heraufbeschwört, darin besteht, sie so früh
wie möglich abzuschrecken und sich dagegen zu
verteidigen(...)“, schreiben die Autoren.
Okay. Eine Woche vor der Münchener Sicherheitskonferenz
läßt das München von 1938 grüßen. Ein
Paukenschlag, um den Ton vorzugeben. Doch wer, bitte schön, ist in
dieser Analogie Wladimir Putin? Welcher Russe sollte angesichts dieses
Vergleichs noch Lust verspüren, ernsthaft zu diskutieren?
Klar ist, der Vorschlag soll provozieren. Auch die europäischen
NATO-Staaten, denn auch sie sollen Kiew Waffen liefern. Polen, das
Baltikum, Kanada und Großbritannien könnten dazu bereit
sein. Aber will die ganze NATO tatsächlich tiefer in den
Ukraine-Konflikt hingesogen werden? Oder geht es vor allem darum, Kiew
irreversibel den Weg in die NATO zu öffnen?
Das endgültige politische Ziel spielt im Moment nicht die
entscheidende Rolle. Bis eine erweiterte Militärhilfe umgesetzt
werden kann, fließt in jedem Fall noch viel Wasser den Potomac
hinunter. Zunächst muss der Kongress das Geld bewilligen. Das
braucht Zeit. Allerdings umschifft eine Debatte über
größere Rüstungshilfen geschickt eine andere
Fragestellung: Was könnte Washington tun, um die Heißsporne
in der Kiewer Regierung zu mehr Zurückhaltung oder zumindest zu
militärischem Realismus zu bewegen, um Raum für politische
Kompromisse zu generieren?
Eines macht der Vorschlag deutlich: So löst man keine Konflikte,
so eskaliert man sie. Weil man sich im Recht des Stärkeren
wähnt. So torpediert man diplomatische Lösungen, an denen man
andere arbeiten lässt. Das könnte Absicht sein. Denn nur ein
dauerhafter Konflikt mit Russland garantiert die Vormachtstellung
Washingtons in Europa auf Jahrzehnte.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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