Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern vom 28.4.1982[1]

 

 

In dem Bestreben,

-         im Rahmen der internationalen und gesetzlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland den Export von Rüstungsgütern am Sicherheitsbedürfnis und außenpolitischen Interesse der Bundesrepublik Deutschland zu orientieren,

-         durch seine Begrenzung und Kontrolle einen Beitrag zur Sicherung des Friedens in der Welt zu leisten

-         und dementsprechend auch auf Beschlüsse internationaler Institutionen grundsätzlich Rücksicht zu nehmen / zu berücksichtigen,[2] die eine Beschränkung des internationalen Waffenhandels unter Abrüstungsgesichtspunkten anstreben,

und in der Fortsetzung ihrer bewährten restriktiven Rüstungsexportpolitik

hat die Bundesregierung folgende Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern beschlossen:

I.NATO-Länder

(Geltungsbereich des NATO-Vertrags, Artikel 6)

1. Der Export von Kriegswaffen[3] und sonstigen Rüstungsgütern[4] in NATO-Länder hat sich an der Erhaltung der Verteidigungskraft des Bündnisses und damit an dem Verteidigungsinteresse der Bundesrepublik Deutschland zu orientieren.

Er ist grundsätzlich nicht zu beschränken, es sei denn, daß aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten ist.

2. Der Endverbleib der Rüstungsgüter im NATO-Bereich ist glaubhaft zu machen. Dies setzt in der Regel die Zusicherung des Exporteurs und ein von ihm beigebrachtes Importzertifikat voraus. Soweit besondere Umstände des Einzelfalls dies nahe legen, sind zusätzliche Nachweise zu verlangen.

Bei Kriegswaffen ist darauf hinzuwirken, daß diese nur mit dem schriftlichen Einverständnis der Bundesregierung aus dem NATO-Vertragsgebiet verbracht werden dürfen, wenn konkrete Hinweise bestehen, daß sie in Länder weiterexportiert werden, gegen deren Belieferung mit diesen Kriegswaffen sicherheits- oder außenpolitische Bedenken bestehen. Das gleiche gilt für kriegswaffennahe sonstige Rüstungsgüter.[5]

3. Kooperationen sollen im bündnispolitischen Interesse liegen.

Bei Koproduktionen mit NATO-Partnern, die Gegenstand von Regierungsvereinbarungen sind, sollen unter Beachtung unserer Kooperationsfähigkeit im Bündnis unsere rüstungsexportpolitischen Grundsätze soweit wie möglich verwirklicht werden. Dabei wird die Bundesregierung wie bisher dem Kooperationsinteresse grundsätzlich Vorrang einräumen, ohne auf Einwirkungsmöglichkeiten bei Exportvorhaben von Kooperationspartnern zu verzichten (Nr.5).

4. Für deutsche Zulieferungen von Teilen (Einzelteilen oder Baugruppen), die Kriegswaffen oder sonstige Rüstungsgüter sind, ist das Kooperationspartnerland ausfuhrrechtlich Käufer- und Verbrauchsland und, soweit es sich um als Kriegswaffen eingestufte Teile handelt, auch Endverbleibsland. Wenn diese Teile durch festen Einbau in das Waffensystem integriert werden, begründet die Verarbeitung im Partnerland ausfuhrrechtlich einen neuen Warenursprung.

Solchen Zulieferungen stehen keine zwingenden Versagensgründe entgegen.

5. Die exportpolitischen Konsequenzen einer Kooperation sind rechtzeitig vor Vereinbarung gemeinsam zu prüfen.

In jedem Fall behält sich die Bundesregierung zur Durchsetzung ihrer rüstungsexportpolitischen Ziele vor, bestimmten Exportvorhaben des Kooperationspartners im Konsultationswege entgegenzutreten. Deshalb ist bei allen neu abzuschließenden Kooperationsvereinbarungen für den Fall des Exports durch das Part-nerland grundsätzlich ein Konsultationsverfahren zu vereinbaren, das der Bundesregierung die Möglichkeit gibt, Einwendungen geltend zu machen.

6. Vor Exporten von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, bei denen deutsche Zulieferungen Verwendung finden, prüfen AA, BMWi und BMVg unter Beteiligung des ChBK, ob im konkreten Einzelfall die Voraussetzungen für die Einleitung von Konsultationen vorliegen.

Einwendungen der Bundesregierung gegen die Verwendung deutscher Zulieferungen kommen - nach BSR-Befassung - vor allem in folgenden Fällen in Betracht:

-          Exporte in Länder, die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind,

-         Exporte in Länder, in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen unmittelbar bevorsteht,

-         Exporte, durch die unverzichtbare Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden,

-         Exporte, welche die auswärtigen Beziehungen zu Drittstaaten so erheblich belasten würden, daß selbst das eigene Interesse an der Kooperation und an der Aufrechterhaltung guter Beziehungen zum Kooperationspartner zurückstehen muss.

Einwendungen werden nicht erhoben, wenn direkte Exporte im Hinblick auf die unter Nr. 13 angestellten Erwägungen voraussichtlich genehmigt würden.

7. Für die Zusammenarbeit zwischen Rüstungsfirmen in verschiedenen NATO-Ländern, die nicht Gegen-stand von Regierungsvereinbarungen ist, sind Zulieferungen, entsprechend der Direktlieferung in diese Länder, grundsätzlich nicht zu beschränken. Die Bundesregierung wird jedoch in gleicher Weise wie bei Kooperationen, die Gegenstand von Regierungsvereinbarungen sind, auf Exporte aus industriellen Kooperationen Einfluss nehmen.

Zu diesem Zweck wird sie darauf hinwirken, daß sich der deutsche Kooperationspartner bei Zulieferung von Teilen, die nach Umfang oder Bedeutung für eine Kriegswaffen wesentlich sind, vertraglich in die Lage versetzt, der Bundesregierung rechtzeitig die nötigen Informationen über Exportabsichten seiner Partner geben zu können.

Bei Vergabe von Lizenzen, bei Exporten von Fertigungsunterlagen oder Anlagen zur Herstellung von Kriegswaffen sind Endverbleibsregelungen für die damit hergestellten Kriegswaffen anzustreben.

II. Nicht NATO-Länder

8. Der Export von Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern in Länder außerhalb des Atlantischen Verteidigungsbündnisses bleibt eingeschränkt. Er darf insbesondere nicht zum Aufbau zusätzlicher, exportspezifischer Kapazitäten führen.

9. Der Export von Kriegswaffen (nach KWKG und AWG genehmigungspflichtig) wird nicht genehmigt, es sei denn, daß auf Grund besonderer politischer Erwägungen, Ausnahmen allgemeiner Art festgelegt werden oder im Einzelfall vitale Interessen der Bundesrepublik Deutschland für eine ausnahmsweise Genehmigung sprechen. Vitale Interessen sind außen- und sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen. Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen.

10. Für den Export kriegswaffennaher sonstiger Rüstungsgüter (nur nach AWG genehmigungspflichtig) werden Genehmigungen nur erteilt, soweit die im Rahmen der Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts zu schützenden Belange der Sicherheit, des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder der auswärtigen Beziehungen nicht gefährdet sind.

Es ist davon auszugehen, daß diese Schutzzwecke das volkswirtschaftliche Interesse im Sinne von § 3 Abs. 1 AWG überwiegen.

11. Für den Export der übrigen sonstigen Rüstungsgüter (ebenfalls nach AWG genehmigungspflichtig) werden Genehmigungen erteilt, soweit die Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts nicht entgegenstehen.

12. Eine ausnahmsweise Genehmigung kommt nicht in Betracht, wenn die innere Lage des betreffenden Landes dem entgegensteht.

13. Die Lieferung von Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern darf nicht zu einer Erhöhung bestehender Spannungen beitragen. Lieferungen an Länder, bei denen eine Gefahr für den Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen besteht, scheiden deshalb grundsätzlich aus.

Es muss hinreichende Sicherheit bestehen, daß die Kriegswaffen und kriegsnahen sonstigen Rüstungsgüter nur zur Verteidigung des Empfängerlandes oder der betreffenden Region bestimmt sind.

14. Lieferungen von Kriegswaffen dürfen nur bei Vorliegen von amtlichen Endverbleibserklärungen genehmigt werden. Auch bei der Sicherung des Endverbleibs von kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern sind strenge Maßstäbe anzulegen.

Bei Vergabe von Lizenzen, bei Exporten von Fertigungsunterlagen oder Anlagen zur Herstellung von Kriegswaffen sind Endverbleibsregelungen für die damit hergestellten Kriegswaffen anzustreben.

III. Länder der Länderliste C

15. Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern in Länder der Länderliste C (Abschnitt II der Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz) werden nicht genehmigt. Ausnahmen sind nur mit Zustimmung aller COCOM-Mitglieder möglich.

 



[1] Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern v. 28.04.1982 (Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 38 v. 05.05.1982, S.309

[2] nicht geklärte Wortlautlaternative

[3] In der Kriegswaffenliste (Anlage zum KWKG) aufgeführte aufgeführte Waffen (komplette Waffen sowie als Waffen gesondert erfasste Teile)

[4] Waren des Abschnitts A in Teil I der Ausfuhrliste – Anlage zur AWV

[5] Anlagen und Unterlagen zur Herstellung von Kriegswaffen