Gastbeitrag
Streitkräfte und Strategien - NDR info
13. Dezember 2008


Forderungen an die Verbündeten
Obamas neue sicherheitspolitische Mannschaft

Gastbeitrag von Thomas Horlohe


Als Kandidat versprach Obama, Washington den Wandel zu bringen:

O-Ton Barack Obama
„Change comes to Washington. We are going to bring change to Washington.“

Aber als gewählter Präsident setzt er auf Kontinuität. Sein künftiges Sicherheitskabinett, das er am 1. Dezember in Chicago vorstellte, überrascht nicht mit neuen Gesichtern.

An die Spitze des Außenministeriums beruft Obama seine prominente Konkurrentin aus dem Vorwahlkampf, Hillary Clinton. Ein kluger Schachzug. Damit bindet er sie im Kabinett auf einem Posten ein, der ihr sieben Tage die Woche 24 Stunden am Tag Vollbeschäftigung garantiert, meist im Ausland, fern der innenpolitischen Arena. Die Rivalin zur Kabinettskollegin zu machen, zeugt von Obamas Mut und Selbstvertrauen. Kritiker argwöhnen, dass das Ego der früheren First Lady zum Problem werden könnte. Sie bezeichnen das Sicherheitskabinett als eine „Mannschaft aus Gegnern“.

Für Robert M. Gates, den alten und neuen Verteidigungsminister, gilt dies gewiss nicht. Er hat bereits sieben Präsidenten loyal gedient. Mit 65 Lebensjahren muss er sich nicht mehr beweisen. Obama hat ihn in die Pflicht genommen, um in Kriegszeiten an entscheidender Stelle durch Kontinuität Sicherheit zu gewinnen. Ein Wechsel an der Spitze des Pentagon hätte dem Nachfolger kostbare Einarbeitungszeit gekostet. Gates soll sicherstellen, dass der Abzug der Kampftruppen aus dem Irak zügig und reibungslos erfolgt. Mit dem Truppenabzug will Obama ein wichtiges Wahlversprechen einlösen. Zugleich möchte er sein zweites großes sicherheitspolitisches Problem in Angriff nehmen. Der neue Präsident will mit den im Irak frei werdenden Kampfbrigaden die US-Truppenpräsenz in Afghanistan verstärken.

Angesichts einer sehr durchsetzungsfähigen Außenministerin Clinton und eines erfahrenen Verteidigungsministers Gates benötigt Obama im Weißen Haus einen starken Sicherheitsberater als Gegengewicht. Dank seiner hartnäckigen Überredungskünste hat er ihn in General a.D. James L. Jones gefunden. Personelle Alternativen hätte Obama in sehr guter Qualität gehabt. Aber in dem ehemaligen NATO-Oberbefehlshaber sieht der künftige Präsident eine intellektuell unabhängige Persönlichkeit, die für ihn sicherheitspolitischer Ratgeber und effizienter Manager zugleich sein soll. Jones jedenfalls ist fest entschlossen, sich von Clinton und Gates nicht an den Rand drängen zu lassen. Dem Vernehmen nach hat er sich von Obama Kabinettsrang und weitere Zusagen ausbedungen, mit denen er dem Schicksal von Condoleezza Rice vorbeugen möchte. Die erste Sicherheitsberaterin von Präsident George W. Bush wurde von Vizepräsident Cheney und Verteidigungsminister Rumsfeld ein ums andere Mal ausmanövriert.

Susan E. Rice ist das einzige jüngere Gesicht in Barack Obamas Sicherheitskabinett. Die resolute 44-jährige Afroamerikanerin war außen- und sicherheitspolitische Sprecherin in Obamas Wahlkampfteam. Susan Rice hat als einzige im künftigen Sicherheitsteam bereits vor seiner Wahl intensiv und vertrauensvoll mit dem gewählten Präsidenten Obama zusammengearbeitet. Er wird sie zur Botschafterin der USA bei den Vereinten Nationen ernennen und ihr Kabinettsrang einräumen. Das wertet nicht nur die Vereinten Nationen auf, sondern auch Rice. Susan Rice gilt als Protegé von Madelaine Albright, seinerzeit Außenministerin unter Präsident Clinton. Albright ernannte die damals 32-jährige Rice zur Unterstaatssekretärin für Afrika-Angelegenheiten, vorbei an zahlreichen dienstälteren Kollegen. Sie fordert seit Jahren ein stärkeres Engagement der USA in Entwicklungsländern. In schwachen Staaten sieht sie eine Gefahr für die internationale Sicherheit. Rice ist eine vehemente Fürsprecherin humanitärer Interventionen. Als UN-Botschafterin wird sie energisch gegen den Völkermord in Darfur vorgehen und den Konflikt im Kongo thematisieren.

Obamas Sicherheitskabinett besteht aus gestandenen Persönlichkeiten. Henry Kissinger nennt sie ein „Team aus politischen Schwergewichten“. Was sie verbindet, ist ein neues Verständnis von Sicherheitspolitik. Obama bei der Vorstellung seiner sicherheitspolitischen Mannschaft:

O-Ton Obama (Overvoice)
„Im 21. Jahrhundert teilen wir das Schicksal der Welt. Von unseren Märkten bis zu unserer Sicherheit, von unserer Gesundheit bis zum Klima müssen wir aus der Einsicht heraus handeln, dass wir heute mehr denn je Anteil daran haben, was auf dem Erdball geschieht. Um erfolgreich zu sein, müssen wir eine Strategie verfolgen, die geschickt alle Elemente Amerikanischer Macht einsetzt, ausbalanciert und zusammenfügt: Unser Militär, unsere Diplomatie, unsere Geheimdienste und unsere Strafverfolgung, unsere Wirtschaft und die Kraft unseres moralischen Beispiels.“

Der Sicherheitsbegriff der neuen Regierung beschränkt sich also nicht auf die militärische Sicherheit. Um transnationalen Bedrohungen zu begegnen, bedarf es sogenannter Soft power – also „weicher Macht“ - , starker Bündnisse und gemeinsamen Handelns mit Verbündeten. Susan Rice:

O-Ton Rice (Overvoice)
„Die Konflikte, denen wir uns gegenüber sehen, gehen zunehmend nicht mehr von Staaten aus, sondern haben transnationalen Charakter: Terrorismus, Massenvernichtungswaffen, Cyber-Angriffe, Völkermord, Krankheiten, Klimawandel und Umweltverschmutzung. Um diese Herausforderungen anzugehen, benötigen wir starke Partnerschaften mit anderen Ländern, auf der Grundlage der Bereitschaft und der Fähigkeit, mit uns an diesen globalen Herausforderungen zusammen zu arbeiten. Das bedeutet, wir brauchen wieder starke Bündnisse.“

Ausgerechnet Verteidigungsminister Gates sprach sich im November vergangenen Jahres in einer Aufsehen erregenden Rede vor der Kansas State Universität dafür aus, die nicht-militärischen Fähigkeiten der USA zu stärken:

O-Ton Gates (Overvoice)
„Auf Grundlage meiner Erfahrungen im Dienst für sieben Präsidenten, als ehemaliger CIA-Direktor und jetzt als Verteidigungsminister, stehe ich hier und spreche mich dafür aus, unsere Fähigkeiten zum Einsatz „weicher“ Macht zu stärken und sie besser mit „harter“ Macht zusammen zu führen Eine der wichtigsten Lehren aus den Kriegen im Irak und in Afghanistan lautet, dass militärischer Erfolg nicht ausreicht, um zu siegen. Wirtschaftliche Entwicklung, der Aufbau politischer Institutionen und Rechtsstaatlichkeit, die Förderung von Aussöhnung, gute Regierungsführung, Bereitstellung grundlegender Versorgungsdienste für die Bevölkerung, Ausbildung und Ausrüstung einheimischer Polizei- und Militärkräfte, strategische Kommunikation - dies und vieles mehr sind gemeinsam mit der Gewährleistung von Sicherheit die wesentlichen Zutaten für langfristigen Erfolg.“

Die Botschaft des neuen Teams lautet: Wir haben verstanden. Das Verständnis der neuen US-Administration von Sicherheitspolitik kommt dem der Europäer sehr nahe. Selbst Politiker in Deutschland, die die US-Außenpolitik überaus kritisch sehen, täten sich schwer, den Einsichten von Gates zu widersprechen. Deshalb wird es für Deutschland schwieriger, sich Forderungen der Regierung Obama nach einem stärkeren Engagement am Hindukusch und auch anders wo zu entziehen. Das Bekenntnis von Obama und Rice zur Zusammenarbeit mit den Verbündeten ist mehr als Rhetorik. „Arbeitsteilung“ und „Lastenteilung“ sind Worte, die Susan Rice leicht über die Lippen kommen. Dieses Vokabular erinnert nicht zufällig an die transatlantischen Debatten der 70er Jahre. Damals versuchten die USA nach dem Vietnam-Debakel die Verbündeten stärker in die Pflicht zu nehmen. Heute, nach dem Irak-Desaster und angesichts der kritischen Entwicklung auf dem afghanisch-pakistanischen Kriegsschauplatz, zeichnet sich eine vergleichbare Konstellation ab. Wer von Präsident Obama auf dem NATO-Gipfel im April nächsten Jahres zum 60-jährigen Jubiläum eine neue Sinnstiftung für das Bündnis erwartet, der sollte sich lieber auf Forderungen nach einem stärkeren weltweiten Engagement Deutschlands gefasst machen.

Die Deutschen haben sich jahrelang einen Präsidenten im Weißen Haus gewünscht, der Zusammenarbeit statt Alleingänge sucht. Mitunter gibt es nichts schlimmeres, als wenn die eigenen Wünsche wahr werden.