Gastbeitrag
Freitag
Nr. 20 / 16. Mai 2008


Friedensverräter
Die Verfassungsrichter kassieren eine rot-grüne Legende

Gastbeitrag von Jürgen Rose

"Lügen haben kurze Beine", besagt eine Volksweisheit. Aber mehr als fünf Jahre - bis zum 7. Mai 2008 - hat es immerhin gedauert, die während des Irak-Krieges amtierende Bundesregierung einer schamlosen Täuschung der deutschen Öffentlichkeit zu überführen. Hatte Kanzler Schröder stets hoch und heilig versichert, man sei nicht an einem unter US-Kommando geführten Krieg gegen den Irak beteiligt, urteilte nunmehr das Bundesverfassungsgericht: "Mit der Luftraumüberwachung der Türkei in AWACS-Flugzeugen der NATO haben sich deutsche Soldaten an einem Militäreinsatz beteiligt, bei dem greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine drohende Verstrickung in bewaffnete Auseinandersetzungen bestanden." Um die fliegenden NATO-Gefechtsstände hatte Ankara die Alliierten gebeten, als Saddam Hussein drohte, jeder Verbündete der USA in der Region, der die Aggression gegen sein Land unterstütze, werde Ziel von Verteidigungsschlägen sein. Deutsche Luftwaffensoldaten stellten etwa ein Drittel der Besatzungen, ohne sie wäre ein Einsatz des NATO-AWACS-Verbandes unmöglich gewesen.

Entscheiden musste Karlsruhe über eine Klage der FDP-Fraktion, weil sich die rot-grüne Bundesregierung seinerzeit geweigert hatte, für diese Operation der Bundeswehr das Plazet des Parlamentes einzuholen. Mit dem jetzt ergangenen Urteil, das der Klägerin vollständig Recht gibt, hat das höchste Gericht dieses Landes bewusst einen Meilenstein gesetzt - die parlamentarischen Beteiligungsrechte an bewaffneten Einsätzen deutscher Streitkräfte dürfen nicht ignoriert werden. So konstatiert der 2. Senat wohl nicht zufällig im Blick auf die heutige globale NATO-Strategie: "Wegen der politischen Dynamik eines Bündnissystems ist es umso bedeutsamer, dass die größer gewordene Verantwortung für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte in der Hand des Repräsentationsorgans des Volkes liegt."

Was die Richter gleichwohl blauäugig übersehen, ist der Umstand, dass der Bundestag einst selbst seine Verantwortung missachtet hat, als eine Mehrheit der Abgeordneten - wie im vorliegenden Fall am 20. März 2003 geschehen - dagegen votierte, ihre verfassungsmäßigen Rechte überhaupt von der Regierung einzufordern. Da wurde die verfassungsrechtliche Fiktion von der Gewaltenteilung schlicht von der politischen Realität der Gewaltenverschränkung eingeholt. Auch vermochten die Parlamentarier ihrem Mandat dort nicht gerecht zu werden, wo sie ein Kanzler qua Junktim mit der Vertrauensfrage schlichtweg erpresste. Derartige Praktiken dürften die Verfassungsrichter nicht über Gebühr entzückt haben. Unübersehbar winken sie nun mit dem ganz dicken Zaunpfahl, wenn es im Urteil vom 7. Mai heißt: "Die Frage, ob eine Einbeziehung deutscher Soldaten in bewaffnete Unternehmungen besteht, ist gerichtlich voll überprüfbar; ein vom Bundesverfassungsgericht nicht oder nur eingeschränkt nachprüfbarer Einschätzungs- oder Prognosespielraum ist der Bundesregierung hier nicht eröffnet."

So begrüßenswert dieses Urteil auch ist - es bleibt doch ein erhebliches Unbehagen, geraten die Konsequenzen in den Blick. Wer wird denn in welcher Form für diesen Verfassungsbruch zu Rechenschaft gezogen? Immerhin geht es hier um kein Kavaliersdelikt, sondern die verfassungswidrige Beihilfe zu einem zu Recht als "völkerrechtliches Verbrechen" gebrandmarkten Akt. Deutschland - lässt sich der Karlsruher Entscheidung entnehmen - war auf Geheiß der rot-grünen Bundesregierung Kriegspartei. Und jenes friedensverräterische Kabinett trägt demzufolge eine Mitschuld am hunderttausendfachen Sterben irakischer Männern, Frauen und Kinder. Ohne die eilfertige Gewähr umfassender Hilfsleistungen hätte sich die angloamerikanische Militärmacht kaum so entfalten lassen, wie das 2003 und danach geschehen ist. Mitschuld tragen aber auch die Friedensverräter im Generalsrock, die sich - ihren Diensteid brechend - nicht geweigert haben, mit Tausenden von Bundeswehrsoldaten willfährig den ihnen erteilten völkerrechts- und verfassungswidrigen Auftrag zu erfüllen. Dass sie von Anfang an wussten, was sie taten, ergibt sich unwiderlegbar aus einem im Verteidigungsministerium vor Kriegsbeginn selbst angefertigten Rechtsgutachten zur völkerrechtlichen Zulässigkeit der Bewachung von US-Einrichtungen in Deutschland durch die Bundeswehr. Aus diesem ging klar hervor, dass mit dem Einsatz deutscher Soldaten zur Unterstützung der USA und ihrer Alliierten die Bundesrepublik Deutschland selbst mit ihren Streitkräften zum legitimen militärischen Ziel im Sinne des Völkerrechts - also zur Kriegspartei - wurde.


 

Dipl. Päd. Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr. Er vertritt in diesem Beitrag nur seine persönlichen Auffassungen.