Friedensverräter
Die Verfassungsrichter kassieren eine rot-grüne
Legende
Gastbeitrag von Jürgen Rose
"Lügen haben kurze Beine", besagt eine Volksweisheit. Aber
mehr als fünf Jahre - bis zum 7. Mai 2008 - hat es immerhin gedauert, die
während des Irak-Krieges amtierende Bundesregierung einer schamlosen
Täuschung der deutschen Öffentlichkeit zu überführen. Hatte Kanzler
Schröder stets hoch und heilig versichert, man sei nicht an einem unter
US-Kommando geführten Krieg gegen den Irak beteiligt, urteilte nunmehr
das Bundesverfassungsgericht: "Mit der Luftraumüberwachung der
Türkei in AWACS-Flugzeugen der NATO haben sich deutsche Soldaten an einem
Militäreinsatz beteiligt, bei dem greifbare tatsächliche Anhaltspunkte
für eine drohende Verstrickung in bewaffnete Auseinandersetzungen
bestanden." Um die fliegenden NATO-Gefechtsstände hatte Ankara die
Alliierten gebeten, als Saddam Hussein drohte, jeder Verbündete der USA
in der Region, der die Aggression gegen sein Land unterstütze, werde Ziel
von Verteidigungsschlägen sein. Deutsche Luftwaffensoldaten stellten etwa
ein Drittel der Besatzungen, ohne sie wäre ein Einsatz des
NATO-AWACS-Verbandes unmöglich gewesen.
Entscheiden musste Karlsruhe über eine Klage der FDP-Fraktion, weil
sich die rot-grüne Bundesregierung seinerzeit geweigert hatte, für diese
Operation der Bundeswehr das Plazet des Parlamentes einzuholen. Mit dem
jetzt ergangenen Urteil, das der Klägerin vollständig Recht gibt, hat
das höchste Gericht dieses Landes bewusst einen Meilenstein gesetzt - die
parlamentarischen Beteiligungsrechte an bewaffneten Einsätzen deutscher
Streitkräfte dürfen nicht ignoriert werden. So konstatiert der 2. Senat
wohl nicht zufällig im Blick auf die heutige globale NATO-Strategie:
"Wegen der politischen Dynamik eines Bündnissystems ist es umso
bedeutsamer, dass die größer gewordene Verantwortung für den Einsatz
bewaffneter Streitkräfte in der Hand des Repräsentationsorgans des
Volkes liegt."
Was die Richter gleichwohl blauäugig übersehen, ist der Umstand, dass
der Bundestag einst selbst seine Verantwortung missachtet hat, als eine
Mehrheit der Abgeordneten - wie im vorliegenden Fall am 20. März 2003
geschehen - dagegen votierte, ihre verfassungsmäßigen Rechte überhaupt
von der Regierung einzufordern. Da wurde die verfassungsrechtliche Fiktion
von der Gewaltenteilung schlicht von der politischen Realität der
Gewaltenverschränkung eingeholt. Auch vermochten die Parlamentarier ihrem
Mandat dort nicht gerecht zu werden, wo sie ein Kanzler qua Junktim mit
der Vertrauensfrage schlichtweg erpresste. Derartige Praktiken dürften
die Verfassungsrichter nicht über Gebühr entzückt haben. Unübersehbar
winken sie nun mit dem ganz dicken Zaunpfahl, wenn es im Urteil vom 7. Mai
heißt: "Die Frage, ob eine Einbeziehung deutscher Soldaten in
bewaffnete Unternehmungen besteht, ist gerichtlich voll überprüfbar; ein
vom Bundesverfassungsgericht nicht oder nur eingeschränkt nachprüfbarer
Einschätzungs- oder Prognosespielraum ist der Bundesregierung hier nicht
eröffnet."
So begrüßenswert dieses Urteil auch ist - es bleibt doch ein
erhebliches Unbehagen, geraten die Konsequenzen in den Blick. Wer wird
denn in welcher Form für diesen Verfassungsbruch zu Rechenschaft gezogen?
Immerhin geht es hier um kein Kavaliersdelikt, sondern die
verfassungswidrige Beihilfe zu einem zu Recht als "völkerrechtliches
Verbrechen" gebrandmarkten Akt. Deutschland - lässt sich der
Karlsruher Entscheidung entnehmen - war auf Geheiß der rot-grünen
Bundesregierung Kriegspartei. Und jenes friedensverräterische Kabinett
trägt demzufolge eine Mitschuld am hunderttausendfachen Sterben
irakischer Männern, Frauen und Kinder. Ohne die eilfertige Gewähr
umfassender Hilfsleistungen hätte sich die angloamerikanische
Militärmacht kaum so entfalten lassen, wie das 2003 und danach geschehen
ist. Mitschuld tragen aber auch die Friedensverräter im Generalsrock, die
sich - ihren Diensteid brechend - nicht geweigert haben, mit Tausenden von
Bundeswehrsoldaten willfährig den ihnen erteilten völkerrechts- und
verfassungswidrigen Auftrag zu erfüllen. Dass sie von Anfang an wussten,
was sie taten, ergibt sich unwiderlegbar aus einem im
Verteidigungsministerium vor Kriegsbeginn selbst angefertigten
Rechtsgutachten zur völkerrechtlichen Zulässigkeit der Bewachung von
US-Einrichtungen in Deutschland durch die Bundeswehr. Aus diesem ging klar
hervor, dass mit dem Einsatz deutscher Soldaten zur Unterstützung der USA
und ihrer Alliierten die Bundesrepublik Deutschland selbst mit ihren
Streitkräften zum legitimen militärischen Ziel im Sinne des
Völkerrechts - also zur Kriegspartei - wurde.
Dipl. Päd. Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr. Er vertritt
in diesem Beitrag nur seine persönlichen Auffassungen.
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