Gastbeitrag
Streitkräfte und Strategien - NDR info
11. August 2012


Bewaffnete Drohnen – Instrumente, die die Einsatzschwelle senken?

Andreas Flocken

Das Verteidigungsministerium hat in den USA um ein Angebot für die Predator B-Drohne gebeten. Dieses unbemannte Flugzeug ist aus Sicht der USA schon seit langem ein äußerst wirksames Waffensystem für das Targeted Killing, also die gezielte Tötung von mutmaßlichen Terroristen. Auf diese Weise sind bereits hunderte von Kämpfern und Anführern ausgeschaltet worden – vor allem im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. Die USA operieren dabei in einer rechtlichen Grauzone. Denn ob die ins Visier genommen Verdächtigen immer Kombattanten und damit legitime Ziele sind, das ist umstritten.

Dass die Bundeswehr nun möglicherweise auch Predator B-Drohnen beschaffen will, hat zu einer Debatte in der Öffentlichkeit geführt. Aus Sicht des Verteidigungsministers kommt diese Diskussion zur Unzeit. Ende vergangenen Monats vom NDR-Fernsehmagazin PANORAMA um eine Stellungnahme gebeten, antwortete Thomas de Maizière schmallippig:

O-Ton de Maizière
„Wir werden dann, wenn wir etwas mitzuteilen haben, werden wir das ausführlich und begründet mitteilen und stellen uns dann auch allen Fragen. Heute und hier nicht.“

Und in der Regierungspressekonferenz einen Tag später bekräftigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums diese Position:

O-Ton BMVG-Sprecher Dienst
„Minister de Maizière wird sich zu gegebener Zeit ‑ wenn die Zeit reif ist, das öffentlich zu diskutieren ‑ sicherlich auch zu diesem Komplex einlassen. Ich kann Ihnen versichern, dass es öffentlich diskutiert werden wird, wenn die Zeit dafür reif ist.“

Eine Position, die das Ministerium nicht lange durchgehalten hat. Denn die Öffentlichkeit lässt sich von der Bundeswehr-Führung nicht vorschreiben, wann ein Thema diskussionswürdig ist. Viele Bürger verbinden mit der von der Bundeswehr favorisierten Predator-Drohne automatisch gezielte Tötungen. Aus Sicht der Bundeswehr bekam die Debatte zunehmend eine Schieflage, die möglicherweise die angestrebte Beschaffung von bewaffneten Drohnen gefährden könnte. Der Verteidigungsminister sah sich daher gezwungen, sein Schweigen nun doch zu brechen. Thomas de Maizière meldete sich Ende vergangener Woche in der Tageszeitung DIE WELT zu Wort, um, wie er sagte, die „Debatte vom Kopf auf die Füße zu stellen". Sein Debattenbeitrag: Eine Drohne sei nichts anderes als ein Flugzeug ohne Pilot. Und da Flugzeuge Waffen tragen dürfen, warum sollten das nicht auch unbemannte Flugsysteme dürfen?

Außerdem: Ethisch sei eine Waffe stets als neutral zu betrachten, so der Verteidigungsminister weiter.

Ethisch neutral – eine kühne Behauptung. Nicht ohne Grund hat die Bundeswehr auf Streumunition, Anti-Personenminen und chemische Kampfstoffe verzichtet – weil diese Waffen besonders heimtückisch und eben nicht ethisch neutral sind.

Der Verteidigungsminister verweist darauf, bewaffnete Drohnen hätten den Vorteil, dass sie zielgenauer seien als andere Waffen. Unbeteiligte können bei einem militärischen Einsatz besser als beim Einsatz von Kampfflugzeugen geschont werden, so die Botschaft des Verteidigungsministers.

Keine Frage, bewaffnete Drohnen sind präziser als manches Kampfflugzeug. Allerdings birgt diese Zielgenauigkeit auch Gefahren. Die Predator B oder Reaper genannten Luftfahrzeuge könnten in einem Konflikt frühzeitiger als andere Waffensysteme eingesetzt werden. Denn aufgrund der Fernsteuerung wären eigene Verluste nicht zu beklagen. Dadurch aber sinkt die Schwelle für einen bewaffneten Einsatz. Der Anreiz, diese neue Waffentechnologie in bestimmten Situationen einzusetzen, steigt. Die USA töten schon längst mit bewaffneten Drohnen nicht nur am Hindukusch mutmaßliche Terroristen, sondern, weltweit - auf der arabischen Halbinsel und in Afrika. Das Völkerrecht spielt für Washington bei diesem Drohnenkrieg praktisch keine Rolle.

Durch bewaffnete unbemannte Luftfahrzeuge wird die Einsatzschwelle also gesenkt. Diese und andere Aspekte gilt es zu bedenken und zu thematisieren – und zwar bevor sich die Bundeswehr-Führung für den Predator B oder andere Kampfdrohnen entscheidet. Offiziell ist noch alles offen. Doch der Eindruck bleibt: Das Verteidigungsministerium hat sich intern bereits festgelegt, will dieses neue Waffensystem auf jeden Fall beschaffen. Letztlich geht es nur noch darum, diese Entscheidung der Öffentlichkeit zum geeigneten Zeitpunkt zu verkaufen – wenn die Zeit aus Sicht der Bundesregierung dafür „reif“ ist.


 

Andreas Flocken ist Redakteur für die Hörfunk-Sendung "Streitkräfte und Strategien" bei NDRinfo.