Gastbeitrag
Streitkräfte & Strategien, NDRinfo
21. Oktober 2017


Nach der Kritik des amerikanischen Präsidenten Trump am Atomvertrag mit dem Iran - hat das Abkommen noch eine Zukunft?

Interview mit Oliver Meier geführt von Joachim Hagen


Hagen: Für den amerikanischen Präsidenten Donald Trump ist der Iran ein Schurkenstaat. Der Staat sei der weltweit größte Förderer des Terrorismus, so Trump. Das von ihm schon oft kritisierte Atomabkommen mit dem Iran hat Trump zwar nicht aufgekündigt, aber er forderte den Kongress auf, Sanktionen zu verhängen und das Abkommen nach zu verhandeln. Wenn das nicht gelinge, dann werde er das Abkommen kündigen. Ist das realistisch - kann man das Atomabkommen nachverhandeln?  

Meier: Also erstmal muss man glaube ich sagen, dass es hier der amerikanischen Regierung im Moment gar nicht darum geht, das wirklich nach zuverhandeln. Im Sinne, dass hier ein neues Geben und Nehmen tatsächlich ausgehandelt wird und auch dem Iran etwas angeboten wird. Sondern es geht darum, zusätzliche Bedingungen aufzuzwingen und einzuführen in dieses Abkommen, das ja schon steht. Hier sollen neue „trigger“, wie es in den USA heißt, eingeführt werden, bei denen das Abkommen automatisch scheitern soll. Grundsätzlich wäre es natürlich möglich, dieses Abkommen nach zu verhandeln, aber eben nur, wenn tatsächlich alle Parteien auch bereit wären das zu tun. Und diese Bereitschaft ist eben bei keiner der Parteien zu erkennen, außer in den USA. Wenn man das Paket aufschnürt, das eben sehr kompliziert ist und eben in vielen Jahren zusammengeschnürt wurde von den Verhandlungspartnern, dann muss man eben sehen, wie die neuen Teile, die man da hinein tun will, passen. Auch da ist das bisher nicht zu erkennen, wie es möglich wäre, ein neues Paket zu schnüren. Eine andere Möglichkeit wäre es – und das hat der französische Präsident ins Spiel gebracht – ein Folgeabkommen auszuhandeln. Also mit dem Iran darüber zu reden, was denn passiert, wenn dieses jetzige Iran-Abkommen ausläuft. Auch daran sind die USA bisher jedenfalls nicht interessiert.


Hagen: Was sind das für „trigger“, wie Sie es genannt haben, was sind das für Bedingungen, die die Amerikaner in dieses Abkommen hineinschreiben würden?

Meier: Also drei zusätzliche Dinge will man hier mindestens berücksichtigt haben. Es heißt, dass der Kongress ein neues Gesetz verabschieden soll, bzw. das vorhandene Gesetz so ändern soll, dass, wenn der Iran eine Interkontinentalrakete testet, dieses Abkommen sofort scheitern soll. Wenn der Iran neue Kapazitäten zur Urananreicherung aufbaut, die das Land in die Lage versetzen, innerhalb von weniger als einem Jahr eine Atomwaffe herzustellen. Auch dann soll das Atomabkommen scheitern. Und schließlich soll die Laufzeit des Abkommens verändert werden, so dass eben hier dieses Abkommen dann nicht nach 10 bis 25 Jahren, je nachdem, welche Bestimmungen man sich anguckt, ausläuft. Es soll eben auf unbegrenzte Zeit laufen. Und alles drei sind Kernpunkte der Verhandlungen gewesen, das sind also keine Kleinigkeiten, die hier geändert werden sollen, sondern essentielle Bestandteile dieses Abkommens.


Hagen: Kann denn Trump aus dem Iran-Abkommen ohne Zustimmung des Kongresses überhaupt aussteigen? Denn davon hängt es ja jetzt ab, ob der Kongress diese Sanktionen wieder einführt, die damals ausgesetzt worden sind. Und kann Trump aus diesem Abkommen aussteigen, ohne die Zustimmung des Kongresses?

Meier: Also das Abkommen selbst, die Vereinbarung, ist kein Vertrag. Sondern man hat damals einen anderen Weg gewählt. Es ist eine Vereinbarung, die damals geschlossen worden ist, die dann durch den Sicherheitsrat indossiert worden ist, wie man sagt, in einer Sicherheitsratsresolution 2231. Und die wurde kurz nach dem Erfolg der Verhandlungen dann noch einmal verabschiedet. Dieses Abkommen, diese Vereinbarung, enthält keine Ausstiegsklausel. Das muss man auch klar sagen. Aber es gibt natürlich die Möglichkeit, das Abkommen einfach scheitern zu lassen und auch da gibt es zwei Wege, dieses Abkommen scheitern zu lassen. Die harte Variante, die die USA im Moment nicht verfolgen wollen, ist, den sogenannten Snap Back-Mechanismus zu aktivieren. Das heißt, jede der Parteien kann der anderen eine Vertragsverletzung vorwerfen, und die ständigen Sicherheitsratsmitglieder haben dann in einem etwas komplizierten Verfahren die Möglichkeit tatsächlich, das Verfahren so weiterzutreiben, dass am Ende Sanktionen automatisch wieder verhängt werden müssen. Das würde sicherlich zu großen Verwerfungen führen, wenn die USA, obwohl der Iran das Abkommen einhält, diese Variante verfolgen. Aber man kann natürlich, und das ist die zweite Möglichkeit, substantielle Elemente einfach nicht mehr umsetzen. Und dann eben auch der anderen Seite auch den Anreiz nehmen, weiter daran mitzuwirken, dass dieses Abkommen umgesetzt wird. Und das ist die Variante, die im Moment die amerikanische Regierung verfolgt, indem sie hier eben bestimmte Elemente ändern will und damit droht, Sanktionen wieder zu verhängen, deren Aufhebung unter dem Abkommen zwingend vorgeschrieben ist.


Hagen: Welche Folgen hätte das, wenn diese Sanktionen wieder eingeführt werden? Würde das die Iraner dazu bringen, sofort ihrerseits das Abkommen aufzuheben?

Meier: Das ist schwer abzuschätzen. Der Handel mit den USA ist natürlich begrenzt. Von daher hätte die Wiederverhängung der Sanktionen durch die USA erst einmal gar nicht so große Auswirkungen auf den Handel des Iran. Das Problem könnte eher sein, dass die USA in der Vergangenheit sogenannte Sekundärsanktionen verhängt haben. D.h., sie haben auch versucht, europäische und auch andere Unternehmen zu zwingen, sich an die amerikanischen Sanktionsbestimmungen zu halten, indem sie damit drohen, dass solche Unternehmen, beispielweise europäische Unternehmen, die weiter mit dem Iran handeln, dann vom Geschäft in den USA ausgeschlossen werden. Und diese extra-territorialen Sekundärsanktionen sind das eigentliche Problem, das im Hintergrund lauert, weil es das natürlich sehr teuer für die Europäer machen würde, ihre Handelsbeziehungen zum Iran aufrecht zu erhalten, wenn die USA ihre Sanktionen hier wieder verhängen.


Hagen: Aber das ist ja auch das, was die Europäer besonders kritisiert haben, dieser Zusammenhang zwischen amerikanischen Sanktionen und Europa. Würde das das eh schon angeknackste transatlantische Verhältnis noch stärker bedrohen? 

Meier: Also ich glaube, der Schaden ist zum Teil schon jetzt angerichtet worden. Im Hintergrund wird eben deutlich, dass die USA und auch die Europäer grundsätzlich unterschiedliche Sichtweisen auf die Region, auf den Mittleren Osten haben. Die Europäer sehen den Iran zumindest potentiell nach wie vor als einen möglichen Partner bei der Bearbeitung der vielfältigen Konflikte in der Region. Die USA haben eben mit der Rede von Donald Trump noch einmal sehr deutlich gemacht, dass sie den Iran als Wurzel fast allen Übels in der Region sehen und von daher ist diese transatlantische Kluft ein Stück weit schon da und zeigt sich eben hier in diesem Abkommen. Sollte es tatsächlich dazu kommen, dass die USA dann auch Sanktionen wieder verhängen, die auch europäische Unternehmen betreffen, dann wäre der Schaden in der Tat sehr groß und die Europäer wären in einer sehr unangenehmen Situation, in der sie sich entscheiden müssten, eben auch hohe finanzielle Kosten möglicherweise zu tragen, um diese Sanktionen abzuwehren. Oder eben hier den USA an die Seite zu springen und dieses Abkommen scheitern zu lassen.


Hagen: Kommen wir doch einmal zu der Begründung, warum Trump das Abkommen infrage stellt. Zum einen sagt er, dass der Iran der größte Förderer des Terrorismus ist, zudem habe er gegen den Geist des Abkommens verstoßen, u.a., weil das Land Raketen getestet hat. Ist da nicht an diesen Vorwürfen auch etwas dran?

Meier: In der Tat, der Iran hat Raketen getestet. Auch sehr schnell, nachdem das Abkommen in Kraft getreten ist. Und das ist ein Problem, weil die Sicherheitsratsresolution, die die Atomvereinbarung beinhaltet, den Iran explizit dazu auffordert, solche Tests zu unterlassen und ballistische Raketen nicht zu entwickeln, die eben dann auch Atomsprengköpfe tragen könnten. Aber es ist dem Iran auch in dieser Sicherheitsratsresolution nicht verboten, Raketen zu entwickeln. Und das hat der Iran damals auch explizit verhindert. Und es ist auch allen Beteiligten klar, dass ein solches Verbot mit dem Iran nicht durchzusetzen war. Das Atomabkommen selbst, die Vereinbarung, die zwischen den EU 3 plus 3 und dem Iran hier vereinbart worden ist, enthält eben gar keine Bestimmungen zu den Raketen. Sondern dieses Abkommen ist ganz eng gefasst auf den Nuklearbereich und die Sanktionen, die hier damit zusammenhängen. Und das war auch eine bewusste Entscheidung, muss man sagen, die Reichweite dieses Abkommens zu begrenzen, um es überhaupt möglich zu machen.


Hagen: Die Bundesregierung befürchtet ja, dass bei einer Kündigung des Iran-Abkommens auch andere internationale Verträge geschwächt würden, weil die Vereinigten Staaten ja nun gezeigt haben, dass sie sich nicht daran gebunden fühlen. Ein Argument mehr wäre das zum Beispiel für Nordkorea, einen Vertrag über den Abbau seines Atomarsenals eben nicht zu schließen. Ist diese Befürchtung der Bundesregierung jetzt berechtigt?

Meier: Ja, das ist tatsächlich ein Problem. Dass ein Scheitern dieser Vereinbarung mit dem Iran Auswirkungen hätte zunächst einmal auch auf den Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag insgesamt, der ja internationale Anstrengungen zur Kontrolle von Atomwaffen und von Atomtechnologie insgesamt regelt. Diese Vereinbarung mit dem Iran ist damals im Rahmen des Nichtverbreitungsvertrages ausgehandelt worden und auch auf der Grundlage von Bestimmungen. Die Internationale Atomenergieorganisation ist eingebunden und hat dem Iran mehrfach bescheinigt, auch hier tatsächlich das Abkommen zu befolgen. Wenn trotzdem diese Vereinbarung scheitert, dann wirft das natürlich einen dunklen Schatten über mögliche andere Versuche, ähnliche Konflikte beizulegen. Und das erste Beispiel, das deutlichste Beispiel ist natürlich Nordkorea. Und die Glaubwürdigkeit der USA würde natürlich einen schweren Schaden nehmen, wenn man hier dieses Abkommen, zu dem sich die vorherige Administration sehr deutlich bekannt hat, jetzt, wenige Monate, nachdem die neue Administration im Amt ist, scheitern lässt. Das ist tatsächlich zu befürchten, dass hier andere Bemühungen schweren Schaden nehmen.


Oliver Meier ist der stellvertretende Forschungsgruppenleiter für Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik