Politologe: US-Verteidigunsministerium hält Verletzung von Menschenrechten für legitim
Interview von Dirk Müller mit Otfried Nassauer
Gegen die CIA sind neue Vorwürfe laut geworden. Nach Ansicht von Otfried
Nassauer, Politikwissenschaftler am Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit,
wird von der US-Regierung die Verletzung von Menschenrechten Gefangener bewusst
zugelassen. Die politische Führung wolle aber die Details gar nicht wissen, damit im
Zweifelsfall rangniedrigere Beschäftigte dafür gerade stehen müssten.
Dirk Müller: Der amerikanische Geheimdienst CIA gerät jetzt noch weiter unter
Druck und damit auch indirekt die deutschen Behörden, ja vielleicht sogar die deutsche
Bundesregierung. Denn es gibt inzwischen Berichte über angebliche Transporte von
Gefangenen Terrorverdächtigen, die über Flughäfen in Deutschland gelaufen sein sollen.
Zugleich verdichten sich die Hinweise auf mehrere Gefängnisse der CIA in Europa.
Mitgehört hat Otfried Nassauer vom Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit.
Herr Nassauer, macht der amerikanische Geheimdienst was er will oder was er darf?
Otfried Nassauer: Er macht zweierlei. Nämlich erstens, was ihm in unreichend genauen
Vorschriften von der politischen Seite indirekt erlaubt worden ist. Und zweitens, er
macht, was passiert, wenn eine politische Ebene einen Krieg, eine militärische
Auseinandersetzung damit rechtfertigt, dass sie den Gegner, den militärischen Gegner zum
- nennen wir es mal - inhumanen Opponenten erklärt. Wenn beispielsweise darüber geredet
wird, dass die El-Kaida-Kämpfer halt sich verhalten wie Tiere, dann ist auf der anderen
Seite nicht verwunderlich, wenn amerikanische Soldaten oder amerikanische Geheimdienstler
glauben, sich in diesen Kontexten genauso verhalten zu können und zu sagen: Da brauchen
wir uns auch nicht ans Recht zu halten.
Müller: Alles das, was wir an Details gehört haben - auch eben in dem
Korrespondentenbericht von Siegfried Buschlüter -, weiß das alles die amerikanische
Regierung?
Nassauer: Ich glaube, die politische Führung weiß die Details nicht - und will die auch
gar nicht wissen. Sondern sie weiß im Grundsatz, dass sie ein sehr weitgehendes Vorgehen,
auch weitgehend Menschrechte verletzendes Vorgehen nicht ausgeschlossen hat und nicht
explizit verboten hat. Und ansonsten sollen doch bitte schön die Kleinen, die das
durchführen, die abhängig Beschäftigten, dafür geradestehen, wenn es rauskommt.
Müller: Wie groß ist denn, wenn wir das so ausdrücken wollen, die politische
Toleranz in Washington? Also anderer politischer Parteien und Gruppierungen, die das
durchgehen lassen?
Nassauer: Also zunächst einmal ist die politische Toleranz bei Herrn Rumsfeld und bei
Herrn Goss sicher sehr, sehr groß. Die lassen diese Dinge, meiner Einschätzung nach,
relativ bewusst zu - und wollen deswegen auch nicht so detailliert informiert sein. Auf
der anderen Seite gibt es im Senat und auch im Kongress Abgeordnete, die sagen: Also das
schädigt das Bild Amerikas in der Welt mehr, als wir mit der Bekämpfung des Terrorismus
an Positivem vielleicht erreichen können. Und da gibt es einen wachsenden Widerstand,
nicht nur bei Menschenrechtsgruppen, sondern auch auf der politischen Ebene, die explizit
Folter ausschließen wollen. Es gibt ja dieses Gesetz, was im Kongress eingebracht worden
ist - und in einem der beiden Häuser auch schon durch ist -, wo der amerikanische
Präsident die Hilfe der republikanischen Parteiführung brauchte, um eine
Abstimmungsniederlage zu vermeiden, mit dem der Regierung explizit die Folter solcher
Gefangener verboten worden wäre.
Müller: Nun sagen einige Stimmen in Europa: Was empört Ihr Euch so hier in Europa
mit Blick auf die Methoden des CIA, mit Blick auf die Methoden der amerikanischen
Militärs? Die da sagen: Das hat es schon seit Jahrzehnten, spätestens seit dem
Vietnam-Krieg gegeben. Haben die Recht?
Nassauer: Das hat es mit Sicherheit seit Jahrhunderten gegeben. Folter war immer auch ein
Instrument kriegerischer Auseinandersetzungen. Nur, wir haben seit vielen Jahren und
Jahrzehnten inzwischen völkerrechtliche Regeln entwickelt, an die sich insbesondere doch
die Staaten halten sollten, die der Auffassung waren, dass man auch den Umgang im Krieg
ein ganz klein bisschen zivilisieren sollte. Und dass gerade die Vereinigten Staaten immer
wieder über diese Grenze hinausgehen, das schädigt nicht nur diese Bemühungen, sondern
das führt auch dazu, dass möglicherweise andere wieder es für rechtmäßig halten
beziehungsweise für nicht verwerflich halten, wenn man so vorgeht. Also, das ist eine
Frage: Welche grundsätzliche Haltung hat man gegenüber der Frage der Menschenrechte?
Wenn Menschenrechte nun mal das sind, was wir auf unsere Fahnen schreiben, müssen wir uns
gefälligst auch daran selber halten. Und das ist genau die Gefahr, die auch die
amerikanischen Senatoren sehen, die sagen: Das schädigt den Ruf Amerikas, wenn so was
rauskommt und wenn es überhaupt passiert.
Müller: Den Ruf Amerikas geschädigt hat ja nun definitiv auch Abu Ghraib, also
die Folterungen in irakischen Gefängnissen, ganz konkret in diesem Gefängnis in Bagdad.
Hat die amerikanische Führung daraus nicht lernen wollen?
Nassauer: Ich glaube, dass die politische Führung es eher als eine Panne ansah, dass Abu
Ghraib rausgekommen ist, dass es öffentlich wurde. Im Prinzip ist das eine politische
Führung, insbesondere im Verteidigungsministerium, die ein solches Vorgehen für legitim
hält. Und von daher ist deren größte Sorge, dass sie sich öffentlich dafür
rechtfertigen muss, wenn so was passiert. Und dass es jetzt auch die CIA erwischt hat, das
ist - ja, sagen wir mal - gewissermaßen ein negatives Abfallprodukt. Also ich glaube, es
gibt in allen staatlichen Sicherheitsbehörden immer Menschen, die solche Linien - in
Anführungsstrichen - für legitim halten und Grenzüberschreitungen bereit wären zu
begehen. Und wenn die halt das Sagen kriegen, dann kann so was passieren.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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