Zwischen Atomstreit und Vorwurf der Terrorunterstützung
Interview mit Otfried Nassauer
Iranischer Rundfunk: Am heutigen Freitag wollen die fünf ständigen
Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschland über das weitere Vorgehen gegen den
Iran beraten. Wenn man den jüngsten Bericht des Generaldirektors der Internationalen
Atomenergiebehörde, Mohammed ElBaradei, liest, dann dürfte es zu keinen weiteren
Sanktionen gegen den Iran kommen. Aber es scheint, dass dieser Bericht bei den anstehenden
Beratungen nicht relevant ist. Warum?
Nassauer: Man sollte diese Diskussion nach zwei Ebenen trennen: - Da ist auf der
einen Seite der Bericht von ElBaradei, der die Diskussion zwischen der IAEA und dem Iran
reflektiert und sagt: "Da haben wir Fortschritte gemacht, und wir haben einen
Arbeitsplan vereinbart, mit dem man auch weitere Fragen klären kann, die noch offen
sind." Und da hat sich das Klima zwischen der IAEA und dem Iran gegenüber der
Vergangenheit ein Stück gebessert. Das ist die eine Ebene. Diese Ebene wird von
westlicher Seite dahingehend kritisiert, dass der Bericht von Herrn ElBaradei zu positiv
ausgefallen sei. Es gibt zwei Argumente, die dort eine Rolle spielen:
Das erste Argument ist die Tatsache, dass in diesem Bericht der IAEA steht, dass, wenn
die noch offenen im Arbeitsplan erwähnten Fragen geregelt sind, damit die Akte des Irans
abgearbeitet sein und geschlossen werden könne, und dass man zu einer endgültigen
Beurteilung kommen könne. Das wird teilweise zu recht kritisiert, weil es durchaus sein
kann, dass noch neue offene Fragen in diesem Prozess entstehen.
Das 2. Argument ist problematischer und hier dürfte auf die Gespräche der 6
[ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates und Deutschlands] einen großen Einfluss
haben. Durch die UNO-Resolution ist sozusagen eine zusätzliche neben den
IAEA-Verpflichtungen des Irans entstandene Forderung an den Iran ergangen, nämlich die
Forderung, seine Urananreicherungsaktivitäten komplett einzustellen und zwar
bedingungslos. Diese Forderung hat der Iran bis heute nicht erfüllt, und deswegen können
die 6 sagen, Okay, das bei der IAEA zu Regelnde ist das Eine, und parallel dazu bleibt die
andere Frage, nämlich die Forderung des UNO-Sicherheitsrats nach Einstellung dieses
Urananreicherungsprogramms. Und ich glaube, dass das 2. Argument das Hauptargument ist,
warum bei den Gesprächen der 6 der positive Bericht von ElBaradei nicht den alleinigen
Ausschlag geben wird.
Herr Nassauer, bislang hörte man schärfe Töne gegen den Iran nur, oder
hauptsächlich aus Washington. Hinzugekommen ist neuerdings Paris. Wie lässt sich diese
Kehrwende in der französischen Iran-Politik erklären?
Nassauer: Der neue französische Präsident, Herr Sarkozy, und sein
Außenminister, Kouchner legen offensichtlich einen Schwerpunkt auf eine Verbesserung der
französisch-amerikanischen Beziehungen und hoffen, dass das dazu führt, dass Frankreich
auch in der Europäischen Union wieder ein großes Gewicht und mehr Handlungsfreiheit
gewinnt. Das wird unter anderem daran deutlich, dass Kouchner und Sarkozy mit Blick auf
den Iran deutlich schärfere Töne angeschlagen haben als die Vorgängerregierung es getan
hat. Gleichzeitig darf man das, was die französische Regierung in den letzten Wochen
gesagt hat, nicht als offene Kriegsdrohung interpretieren. Ich halte es für Argumente,
mit denen Frankreich auf den Iran Druck machen will, der westlichen Position stärker
nachzugeben und gleichzeitig in der Europäischen Union den Boden dafür zu bereiten, dass
stärkere Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen den Iran möglicherweise diskutabel und
beschlossen werden.
War die Äußerung von Kouchner damit eine überlegte?
Nassauer: Die Äußerung von Herrn Kouchner war ganz sicher keine Kriegsdrohung,
sondern sie war eine relativ ungeschickte Formulierung, die in den Medien in einer
bestimmten Richtung interpretiert worden ist und im Übrigens auch teilweise von der
iranischen Politik. Ich denke, Herr Kouchner wollte im Kern sagen, dass wenn es zu einer
militärischen Auseinadersetzung käme, wäre es das Schlimmste, was passieren könnte.
Und wir müssen eine Lösung finden, die nicht auf einen Militäreinsatz hinausläuft. Er
hat aber so formuliert, dass es indirekt auch als Drohung gelesen werden konnte und so ist
es auch gelesen worden. Man sollte es, glaube ich, nicht überbewerten und auf der anderen
Seite sich darauf konzentrieren, die sachlichen Probleme, die bestehen, konstruktiv zu
lösen.
Der frühere iranische Atom-Unterhändler, Hassan Rohani, war zu
Gesprächen in Deutschland. Er hatte dort Gespräche mit dem Außenminister, Steinmeier,
und dem Außenberater der Bundeskanzlerin, gehabt. Weiß man über den Inhalt dieser
Gespräche?
Nassauer: Über die Gespräche von Herrn Rohani hier in Deutschland wurde sehr,
sehr wenig öffentlich gemacht, praktisch nichts. Ich vermute, dass die Wahl auf Rohani
als Gesprächspartner gefallen ist, weil er für die deutsche Seite, auch für die
EU-Seite, als vergleichsweise moderaterer Gesprächspartner gilt und deswegen kann er auch
etwas ungeschminkter die iranischen Analysen wiedergeben. Wenn er hier ist, läuft er
damit nicht die Gefahr, gleich falsch interpretiert zu werden. Es heißt, von iranischer
Seite ist es sicherlich eine Entscheidung gewesen, einen Mann zu schicken, dem vermutlich
zugehört wird, und auf der anderen Seite deutet es darauf hin, dass es einige Leute gibt,
die der Auffassung sind, dass die Entwicklung um den bisherigen Streit auch einen neuen
Verlauf kriegt.
Als letztes: Sagen Sie, was ist Ihre Prognose über diesen Streit?
Nassauer: Meine persönliche Meinung ist sehr eindeutig. Ich glaube, dass die
Diskussion um das Nuklearprogramm des Irans tatsächlich auf eine sachliche Ebene
zurückgekehrt ist zwischen der IAEA und dem Iran, und dass es tatsächlich die
Möglichkeit gibt, die Akte vorläufig zu schließen, wenn man es denn will. Die Chance
sollte man auf jeden Fall nutzen und auch von der iranischen Seite sollte die von der IAEA
als offene bezeichnete Fragen offen beantwortet werden. Was auf jeden Fall meiner
Einschätzung nach verhindert werden muss, ist, dass eine 2. Ebene der Diskussion
hinzukommt. nämlich das offensichtlich doch stärker werdende Bemühen einiger westlicher
Staaten, vor allem der USA, dem Iran die Unterstützung des Terrorismus in Form der
Unterstützung von schiitischen Aufständischen im Irak vorzuwerfen, und der Versuch,
daraus eine mögliche 2. Begründung für einen Militärschlag zu machen, dass diese
Argumentation nicht mehrheitsfähig wird. Denn, in dem Moment, wo sie mehrheitsfähig
würde, wird es neben dem Atomstreit noch einen 2. Punkt geben, einen militärischen
Konflikt vom Zaun brechen.
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Das Interview führte Seyed Hedayatollah
Shahrokny |
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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