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IRNA - Interview
23. Oktober 2003
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Interview zu der zwischen Iran und 3
EU-Außenministern getroffenen Vereinbarung
Interview mit Otfried Nassauer
Wie bewerten Sie die Übereinkunft, die in dieser Woche zwischen Iran und der EU
getroffen wurde?
Die zwischen den drei EU-Außenministern und dem Iran getroffene Vereinbarung ist ein
ziemlich wichtiger Schritt in die richtige Richtung, nämlich hin zu einer politischen
Lösung der Frage, wie es mit dem Nuklearprogramm des Iran weitergeht. Noch wird der Iran
verdächtigt, unzulässigerweise ein militärisches Nuklearprogramm zu betreiben. Die neu
Vereinbarung bietet die Chance, diesen Verdacht auszuräumen. Sie hat für den Iran zwei
Hauptbestandteile. Erstens, die Erklärung Irans, keine Nuklearwaffen bauen zu wollen, die
Zusage, das Zusatzprotokoll der IAEO zu unterschreiben und zu ratifizieren und sich ab
sofort so zu verhalten als ob es schon in Kraft getreten wäre. Und zweitens, die
umstrittenen Aufbereitungs- und Anreicherungsprogramme zu stoppen. Die Europäischen
Außenminister, die ja aus den drei Staaten kommen, die Atomkraftwerke bauen können,
haben das Recht des Irans anerkannt, eine zivile Nutzung der Atomenergie zu betreiben und
sich bereiterklärt, den Iran mit moderner Technik zu beliefern, nicht nur im
Nuklearbereich, wenn der Iran alle Zweifel an der Funktion seines Nuklearprogramms
ausgeräumt hat.
Gab es bei den Gesprächen gestern in Teheran etwa auch einen fünften, unsichtbaren
Teilnehmer, sprich die Vereinigten Staaten, oder fanden die Blitzgespräche gänzlich
unabhängig von den Vereinigten Staaten statt?
Die Vereinigten Staaten saßen nicht in der Runde. Sie sind aber mit Sicherheit von
den europäischen Außenministern vorher und nachher konsultiert worden. Die europäische
Position war sicher in Washington bekannt und Washington hat mit Sicherheit angrenzender
Wahrscheinlichkeit auch zugestimmt, dass ein solches Ergebnis positiv zu bewerten sei.
Inwiefern wird sie die politische Situation im Mittleren Osten beeinflussen?
Sie wird auf jeden Fall die Spannungen im Mittleren Osten, insbesondere die Spannungen
um das iranische Nuklearprogramm, deutlich reduzieren, wenn sie von beiden Seiten im
vollen Umfang implementiert und umgesetzt wird, denn das muss ja in den nächsten Wochen
erfolgen. Der Iran muss sichtbar und für die IAEO nachprüfbar die
Anreicherungsgprogramme stoppen und das ist natürlich, angesichts der bereits
investierten Kosten, eine heikle Angelegenheit, die auch innenpolitisch erst einmal
verkauft werden muss. Aber, dass diese Übereinkunft erreicht werden konnte, ist auf
jedenfall ein großer Schritt in die richtige Richtung und übrigens auch ein Beispiel
dafür, dass Einigungen über umstrittene Nuklearprogramme auch auf politischem Wege
erreicht werden können und nicht zwangsnotwendig immer zu Bombardierungen führen
müssen.
Ein Teil der Übereinkunft beinhaltet auch die Zusammenarbeit zwischen der EU und
Iran für die Errichtung der massenvernichtungswaffenfreie Zone. Wie könnte eine solche
Zusammenarbeit aussehen?
Richtig, in der gemeinsamen Stellungnahme, verpflichten sich beide Seiten zur
Zusammenarbeit bei der regionalen Sicherheit mit der Perspektive auf eine
massenvernichtungswaffenfreien Zone, also einer Zone, in der atomare, biologische und
chemische Waffen verboten sind. Diese Perspektive ist ausgesprochen wichtig, weil sie auf
der einen Seite der Politik in den Vereinten Nationen entspricht, und auf der anderen
Seite in der Tat langfristig ein wichtiges Element der nah- und mittelöstlichen
Stabilität darstellt. Dies ist schon deswegen wichtig, weil ja nicht nur der Iran in der
Region verdächtigt wurde an Nuklearwaffen zu arbeiten, sondern auch Pakistan Atomwaffen
besitzt, und man schliesslich auch Israels Atomwaffen nicht vergessen darf.
Und wie könnte diese Zusammenarbeit aussehen?
Diese Zusammenarbeit könnte unter anderem so aussehen, dass beide Seiten gemeinsam mit
anderen arabischen- und islamischen Staaten darüber diskutieren dass diese, falls sie
noch MVW haben, diese Programme aufgeben oder gar nicht erst betreiben und insofern dazu
beitragen, dass Israels Bedrohungsgefühl sich soweit reduziert, dass Israel die
Bereitschaft dazu entwickelt, seine Nuklearwaffen bzw. seine
Massenvernichtungswaffenprogramme aufzugeben.
Welchen Einfluss wird diese Übereinkunft auf US-EU Beziehungen haben?
Ich hoffe einen positiven. Ich hoffe, dass die Vereinigten Staaten die Bemühungen Europas
anerkennen, rechtzeitig bevor der Notwendigkeit zu militärischen Aktivitäten überhaupt
diskutiert wird, bereits politisch zu intervenieren und nach Lösungen zu suchen, die ein
militärisches Handeln völlig überflüssig machen und ich hoffe dass man erkennt, dass
vielleicht sogar diese Übereinkunft helfen kann, um auch Probleme wir z.B Nord Korea zu
lösen – ohne den Einsatz von MIlitär.
Sehen sie irgendwelche Schwierigkeiten bei dieser Übereinkunft?
Ja, ich sehe natürlich Schwierigkeiten voraus. Gelingt es wirklich, die vereinbarten
Schritte alle zu implementieren? Sind alle Beteiligten mit der Implementierung so
zufrieden, daß der in Punkt 3d der Vereinbarung beschlossene Dialog und die
längerfristige Zusammenarbeit auch zu einem leichteren Zugang des Irans zu moderner
Technologie führt? In dem Punkt 3d sind ja die einzelnen Schritte noch nicht aufgeführt,
die dazu nötig sind. Aber darauf wird es ankommen, wenn beide Seiten zufrieden sein
sollen.
Und dann ist da noch ein Punkt - ich weiß nicht ob das nur ein Übersetzungsproblem
ist: An der Stelle, wo es um das Aufgeben der Anreicherungsprogramme geht, da steht im
Deutschen das Wort "auszusetzen". Das Programm wird gestoppt, das ist klar. Aber
wie interpretiere ich das nun? Heißt das, dass die Anlagen wieder abgebaut werden? Oder
werden sie nur eingemottet und könnten später doch noch in Betrieb genommen werden,
sodaß wieder Zweifel an den Absichten des Irans entstehen?
Ich gehe davon aus, dass die Europäer wollen, daß die Anlagen letztlich abgebaut
werden. Das ist zwar für den Iran nicht einfach, aber für einen Außenminister, der wie
Fischer aus der Grünen Partei kommt, die die zivile Nutzung der Atomenergie in
Deutschland beenden will, ist es ja auch nicht einfach, dem Iran längerfristig moderne
Atomtechnik zuzusagen.
Trotzdem: Politisch ausgesprochen wichtig ist, ist dass der Iran nochmals in aller
Klarheit gesagt hat, dass in der iranischen Sicherheitspolitik Atomwaffen keine Rolle
spielen, und auch nicht spielen werden.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische
Sicherheit (BITS).
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