Informationen von den Schlapphüten
Die Zusammenarbeit zwischen BND und Bundeswehr
von Otfried Nassauer
Sie machen Schlagzeilen: Bundeswehrsoldaten, die für den BND in Bagdad kriegswichtige
Nachrichten sammeln. Bundeswehrsoldaten, die in Doha Saddam Husseins Plan zur Verteidigung
der irakischen Hauptstadt an das Oberkommando der USA weitergereicht haben sollen.
Frontnachrichtenkräfte des Zentrums für Nachrichtenwesen der Bundeswehr, die getarnt als
Journalisten in Bosnien und Afghanistan Angehörige von Terrorverdächtigen besuchen. Und
Bundeswehrangehörige des Militärischen Abschirmdienstes MAD, die im afghanischen
Innenministerium Gefangene vernehmen, obwohl das MAD-Gesetz aus dem Jahre 2004 dies
ausdrücklich verbietet.
In rascher Folge musste die Bundesregierung in den vergangenen Wochen Regelverstöße
deutscher Soldaten und deren Einsatz im Auftrag des BND zur Kenntnis nehmen und zum Teil
bereits eingestehen. Das Verteidigungsministerium erliegt der Versuchung, dies als
Versagen oder Alleingang Einzelner darzustellen. Glaubwürdig ist das aber nicht. Denn das
Verhältnis von Bundeswehr und BND ist komplizierter geworden - und: es ist von Grauzonen
geprägt.
Ein Blick zurück: Dass der BND und die Bundeswehr kooperieren ist ein alter Hut. Schon
zu Zeiten des Kalten Krieges stellte die Hardthöhe einen substantiellen Teil der
Mitarbeiter für die Geheimdienstzentrale in Pullach. Bis zu 1.500 Soldaten arbeiteten zu
Hochzeiten im Auftrag des BND. Rechtlich blieben sie Soldaten, denn sie wurden und werden
an das Amt für Militärkunde versetzt, das extra für diesen Zweck geschaffen wurde.
Hierhin können Bundeswehrangehörige abgeordnet werden, wenn sie für einige Jahre oder
auf Dauer für den BND arbeiten wollen. Hinzu kamen ehemalige Bundeswehrsoldaten, die der
BND einstellte. Der BND beschäftigt gerne Fernspäher, Fallschirmjäger, militärische
Aufklärer und militärische Technikspezialisten. Denn diese verfügen bereits über
nützliche Voraussetzungen und Ausbildungserfahrungen, die man in Pullach gut gebrauchen
kann.
Doch mit dem Ende des Kalten Krieges kam auch das Ende einer eingespielten aber stets
auch von Konkurrenz geprägten Zusammenarbeit. Beide, Bundeswehr und BND, mussten neue
Aufgaben finden. Die Aufgaben, die sie schließlich fanden, führten aber zu neuen
Konflikten.
Die Bundeswehr wird seit Mitte der 90er Jahre verstärkt im Ausland eingesetzt. Deshalb
musste geklärt werden, wer die nachrichtendienstlichen Informationen und
Aufklärungsergebnisse über das Einsatzgebiet, die dortige Lage und die Sicherheit der
örtlichen Bundeswehrstandorte beschaffen und auswerten sollte. Die Bundeswehr hätte das
gerne selbst gemacht. Wenn die Beschaffung von Informationen vom späteren Nutzer erledigt
wird, dann ist von vornherein klar, dass der Nutzer bekommt, was er vorrangig braucht.
Nach dem Motto "Alles aus einer Hand". Der BND sah das anders. Er wollte sein
Monopol bei der Beschaffung und Bewertung von Auslandsinformationen nicht aufgeben. Beide
Organisationen wussten, es geht um viel. Denn einerseits ist Aufklärung nicht billig,
sondern sichert einer Institution Ressourcen. Andererseits bedeuten Aufklärungsergebnisse
und Analysen Macht und Einfluss z.B. auf die Politik der Bundesregierung.
Verteidigungsminister Scharping und sein Generalinspekteur Harald Kujat waren besonders
offen für die Wünsche der Militärs. Unter ihrer Ägide durften Bundeswehroffiziere
davon träumen, endlich einen eigenen militärischen Geheimdienst aufzubauen. Dies hätte
die Bundeswehr nicht nur in den Augen der Verbündeten aufgewertet, sondern auch im
Vergleich zum Bundesnachrichtendienst. Sie wäre nicht länger auf die
Auswertungsergebnisse des BND angewiesen gewesen, der branchenüblich seine Quellen
verschleiert. Stattdessen hätte die Bundeswehr selbst Rohdaten sammeln und daraus eigene
Analysen erstellen können. Das geplante Kommando Strategische Aufklärung der Bundeswehr
schien eine günstige Gelegenheit für einen solchen Vorstoß zu bieten. Doch der BND
wehrte sich heftig und bekam dabei von seinem Hauptauftraggeber, dem Bundeskanzleramt,
Rückendeckung.
Letztlich konnte der BND einen wichtigen Erfolg feiern. Er behielt das Monopol für die
Auslandsaufklärung und wurde auch für die Absicherung von Bundeswehreinsätzen
zuständig. Jedenfalls, soweit es den Einsatz von Personal, also Agenten betraf. Der BND
darf sich zu diesem Zweck 270 neue Dienstposten einrichten, für die das militärisch
qualifizierte Personal auch aus dem Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr in
Gelsdorf bei Bonn gewonnen wird. Die Bundeswehr musste ihr Kommando Strategische
Aufklärung auf die Auswertung technischer Aufklärungsmittel beschränken.
Allerdings: Von den Balkaneinsätzen Mitte der 90er Jahre bis zur vorläufigen Klärung
der Zuständigkeiten im Sommer 2005 wurden für die meisten Auslandseinsätze der
Bundeswehr wechselnde Ad hoc-Regeln geschaffen, um Aufklärungsaufgaben durchzuführen.
Bei der Informationsbeschaffung-, -aus-wertung und -weitergabe kamen sehr unterschiedliche
Formen der Kooperation und Zuständigkeiten zur Anwendung. Ein deutliches Anzeichen dafür
waren die diversen Zusammensetzungen der GENICs, der nationalen deutschen
nachrichtendienstlichen Zellen vor Ort. Vertreten waren darin zumindest Kräfte des
Zentrums für Nachrichtenwesen der Bundeswehr und des BND. Die Zellen schickten ihre
Berichte sowohl zum BND nach Pullach als auch - über das Gelsdorfer Zentrum - an das
Verteidigungsministerium. Von beiden erhielten sie Aufträge. Die nachrichtendienstlichen
Zellen organisierten auch den Austausch mit anderen Nationen vor Ort. Bei manchen
Gelegenheiten war die Bundeswehr aber auch gleich mehrfach vertreten. Dann nämlich, wenn
der MAD oder das Kommando Strategische Aufklärung hinzukamen. Und gelegentlich gab es
auch noch Bundeswehrsoldaten, die wie die Beweglichen Unterstützungsteams des
Amtes für Nachrichtenwesen, BUTAN - beim Militärattaché in der örtlichen Botschaft
angebunden waren.
Ad hoc-Regelungen können effizient und der Aufgabe angepasst sein. Sie können aber
auch zu Wildwuchs und zu unklaren Zuständigkeiten führen. Und sie können Mittel der
Auseinandersetzung um die Zuständigkeiten von BND und Bundeswehr geworden sein. Das
könnte eine der wesentlichen Ursachen für die jetzt aufgedeckten Skandale und
Missstände sein. Wenn nicht mehr eindeutig klar ist, wer was und unter welchen Umständen
auskundschaften darf und welche Regeln dabei gelten, dann entstehen Freiräume, die
positiv genutzt aber auch negativ ausgenutzt werden können. Letzteres kann schnell zu
Rechtsbrüchen oder Verstößen gegen den politisch gebilligten Auftrag führen. Auch
dann, wenn die Freiräume zur nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit gewollt sind, weil
die Politik sie zur Absicherung langfristiger Interessen gegenüber wichtigen
Bündnispartnern lässt.
Wie heute die Regeln für die Zusammenarbeit zwischen BND und Bundeswehr genau
aussehen, ist unbekannt. Verteidigungsministerium und BND haben sie vor Neugierigen gut
geschützt. Sie schlossen ein geheimes Verwaltungsabkommen, eine Leistungsvereinbarung,
die festlegt, wer wen wie und bei welchen Aufgaben unterstützt. Selbst Abgeordnete des
Bundestages dürfen das Papier nur in der Geheimschutzstelle lesen. Dort dürften die
Mitglieder des BND-Untersuchungsausschusses in den kommenden Wochen Stammkunden werden.
Denn der Untersuchungsausschuss in Sachen BND müsste sich folgenden Kernfragen stellen:
- Welche Grauzonen gibt es bei Auslandseinsätzen zwischen BND und Bundeswehr?
- Für welche Einsatzformen gibt es keine klaren Zuständigkeiten und Regeln?
- Sind diese ursächlich für die jetzt aufgedeckten Regelverletzungen?
Und da ein Untersuchungsausschuss auch Empfehlungen formulieren soll:
- Wofür müssen noch rechtliche Regeln geschaffen werden?
- Wie sollten diese aussehen?
- Und wie kann man dafür sorgen, dass das Parlament lückenlos alle Einsatzformen
kontrollieren kann?
Der Eindruck ist jedoch, dass Parteien genau diesen Komplex zielsicher vermeiden
wollen. Dabei sind es wohl die entscheidenden Fragen. Denn eine Exekutive, die sich durch
Grauzonen unkontrollierbar macht, darf es in einer parlamentarischen Demokratie nicht
geben. So sehr solche Unklarheiten auch im Eigeninteresse so manches Beamten oder
Berufsoffiziers liegen.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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