Streitkräfte und Strategien - NDR info
25. März 2006


Informationen von den Schlapphüten
Die Zusammenarbeit zwischen BND und Bundeswehr

von Otfried Nassauer

Sie machen Schlagzeilen: Bundeswehrsoldaten, die für den BND in Bagdad kriegswichtige Nachrichten sammeln. Bundeswehrsoldaten, die in Doha Saddam Husseins Plan zur Verteidigung der irakischen Hauptstadt an das Oberkommando der USA weitergereicht haben sollen. Frontnachrichtenkräfte des Zentrums für Nachrichtenwesen der Bundeswehr, die getarnt als Journalisten in Bosnien und Afghanistan Angehörige von Terrorverdächtigen besuchen. Und Bundeswehrangehörige des Militärischen Abschirmdienstes MAD, die im afghanischen Innenministerium Gefangene vernehmen, obwohl das MAD-Gesetz aus dem Jahre 2004 dies ausdrücklich verbietet.

In rascher Folge musste die Bundesregierung in den vergangenen Wochen Regelverstöße deutscher Soldaten und deren Einsatz im Auftrag des BND zur Kenntnis nehmen und zum Teil bereits eingestehen. Das Verteidigungsministerium erliegt der Versuchung, dies als Versagen oder Alleingang Einzelner darzustellen. Glaubwürdig ist das aber nicht. Denn das Verhältnis von Bundeswehr und BND ist komplizierter geworden - und: es ist von Grauzonen geprägt.

Ein Blick zurück: Dass der BND und die Bundeswehr kooperieren ist ein alter Hut. Schon zu Zeiten des Kalten Krieges stellte die Hardthöhe einen substantiellen Teil der Mitarbeiter für die Geheimdienstzentrale in Pullach. Bis zu 1.500 Soldaten arbeiteten zu Hochzeiten im Auftrag des BND. Rechtlich blieben sie Soldaten, denn sie wurden und werden an das Amt für Militärkunde versetzt, das extra für diesen Zweck geschaffen wurde. Hierhin können Bundeswehrangehörige abgeordnet werden, wenn sie für einige Jahre oder auf Dauer für den BND arbeiten wollen. Hinzu kamen ehemalige Bundeswehrsoldaten, die der BND einstellte. Der BND beschäftigt gerne Fernspäher, Fallschirmjäger, militärische Aufklärer und militärische Technikspezialisten. Denn diese verfügen bereits über nützliche Voraussetzungen und Ausbildungserfahrungen, die man in Pullach gut gebrauchen kann.

Doch mit dem Ende des Kalten Krieges kam auch das Ende einer eingespielten aber stets auch von Konkurrenz geprägten Zusammenarbeit. Beide, Bundeswehr und BND, mussten neue Aufgaben finden. Die Aufgaben, die sie schließlich fanden, führten aber zu neuen Konflikten.

Die Bundeswehr wird seit Mitte der 90er Jahre verstärkt im Ausland eingesetzt. Deshalb musste geklärt werden, wer die nachrichtendienstlichen Informationen und Aufklärungsergebnisse über das Einsatzgebiet, die dortige Lage und die Sicherheit der örtlichen Bundeswehrstandorte beschaffen und auswerten sollte. Die Bundeswehr hätte das gerne selbst gemacht. Wenn die Beschaffung von Informationen vom späteren Nutzer erledigt wird, dann ist von vornherein klar, dass der Nutzer bekommt, was er vorrangig braucht. Nach dem Motto "Alles aus einer Hand". Der BND sah das anders. Er wollte sein Monopol bei der Beschaffung und Bewertung von Auslandsinformationen nicht aufgeben. Beide Organisationen wussten, es geht um viel. Denn einerseits ist Aufklärung nicht billig, sondern sichert einer Institution Ressourcen. Andererseits bedeuten Aufklärungsergebnisse und Analysen Macht und Einfluss – z.B. auf die Politik der Bundesregierung.

Verteidigungsminister Scharping und sein Generalinspekteur Harald Kujat waren besonders offen für die Wünsche der Militärs. Unter ihrer Ägide durften Bundeswehroffiziere davon träumen, endlich einen eigenen militärischen Geheimdienst aufzubauen. Dies hätte die Bundeswehr nicht nur in den Augen der Verbündeten aufgewertet, sondern auch im Vergleich zum Bundesnachrichtendienst. Sie wäre nicht länger auf die Auswertungsergebnisse des BND angewiesen gewesen, der branchenüblich seine Quellen verschleiert. Stattdessen hätte die Bundeswehr selbst Rohdaten sammeln und daraus eigene Analysen erstellen können. Das geplante Kommando Strategische Aufklärung der Bundeswehr schien eine günstige Gelegenheit für einen solchen Vorstoß zu bieten. Doch der BND wehrte sich heftig und bekam dabei von seinem Hauptauftraggeber, dem Bundeskanzleramt, Rückendeckung.

Letztlich konnte der BND einen wichtigen Erfolg feiern. Er behielt das Monopol für die Auslandsaufklärung und wurde auch für die Absicherung von Bundeswehreinsätzen zuständig. Jedenfalls, soweit es den Einsatz von Personal, also Agenten betraf. Der BND darf sich zu diesem Zweck 270 neue Dienstposten einrichten, für die das militärisch qualifizierte Personal auch aus dem Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr in Gelsdorf bei Bonn gewonnen wird. Die Bundeswehr musste ihr Kommando Strategische Aufklärung auf die Auswertung technischer Aufklärungsmittel beschränken.

Allerdings: Von den Balkaneinsätzen Mitte der 90er Jahre bis zur vorläufigen Klärung der Zuständigkeiten im Sommer 2005 wurden für die meisten Auslandseinsätze der Bundeswehr wechselnde Ad hoc-Regeln geschaffen, um Aufklärungsaufgaben durchzuführen. Bei der Informationsbeschaffung-, -aus-wertung und -weitergabe kamen sehr unterschiedliche Formen der Kooperation und Zuständigkeiten zur Anwendung. Ein deutliches Anzeichen dafür waren die diversen Zusammensetzungen der GENICs, der nationalen deutschen nachrichtendienstlichen Zellen vor Ort. Vertreten waren darin zumindest Kräfte des Zentrums für Nachrichtenwesen der Bundeswehr und des BND. Die Zellen schickten ihre Berichte sowohl zum BND nach Pullach als auch - über das Gelsdorfer Zentrum - an das Verteidigungsministerium. Von beiden erhielten sie Aufträge. Die nachrichtendienstlichen Zellen organisierten auch den Austausch mit anderen Nationen vor Ort. Bei manchen Gelegenheiten war die Bundeswehr aber auch gleich mehrfach vertreten. Dann nämlich, wenn der MAD oder das Kommando Strategische Aufklärung hinzukamen. Und gelegentlich gab es auch noch Bundeswehrsoldaten, die – wie die Beweglichen Unterstützungsteams des Amtes für Nachrichtenwesen, BUTAN - beim Militärattaché in der örtlichen Botschaft angebunden waren.

Ad hoc-Regelungen können effizient und der Aufgabe angepasst sein. Sie können aber auch zu Wildwuchs und zu unklaren Zuständigkeiten führen. Und sie können Mittel der Auseinandersetzung um die Zuständigkeiten von BND und Bundeswehr geworden sein. Das könnte eine der wesentlichen Ursachen für die jetzt aufgedeckten Skandale und Missstände sein. Wenn nicht mehr eindeutig klar ist, wer was und unter welchen Umständen auskundschaften darf und welche Regeln dabei gelten, dann entstehen Freiräume, die positiv genutzt aber auch negativ ausgenutzt werden können. Letzteres kann schnell zu Rechtsbrüchen oder Verstößen gegen den politisch gebilligten Auftrag führen. Auch dann, wenn die Freiräume zur nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit gewollt sind, weil die Politik sie zur Absicherung langfristiger Interessen gegenüber wichtigen Bündnispartnern lässt.

Wie heute die Regeln für die Zusammenarbeit zwischen BND und Bundeswehr genau aussehen, ist unbekannt. Verteidigungsministerium und BND haben sie vor Neugierigen gut geschützt. Sie schlossen ein geheimes Verwaltungsabkommen, eine Leistungsvereinbarung, die festlegt, wer wen wie und bei welchen Aufgaben unterstützt. Selbst Abgeordnete des Bundestages dürfen das Papier nur in der Geheimschutzstelle lesen. Dort dürften die Mitglieder des BND-Untersuchungsausschusses in den kommenden Wochen Stammkunden werden. Denn der Untersuchungsausschuss in Sachen BND müsste sich folgenden Kernfragen stellen:

  • Welche Grauzonen gibt es bei Auslandseinsätzen zwischen BND und Bundeswehr?
  • Für welche Einsatzformen gibt es keine klaren Zuständigkeiten und Regeln?
  • Sind diese ursächlich für die jetzt aufgedeckten Regelverletzungen?

Und da ein Untersuchungsausschuss auch Empfehlungen formulieren soll:

  • Wofür müssen noch rechtliche Regeln geschaffen werden?
  • Wie sollten diese aussehen?
  • Und wie kann man dafür sorgen, dass das Parlament lückenlos alle Einsatzformen kontrollieren kann?

Der Eindruck ist jedoch, dass Parteien genau diesen Komplex zielsicher vermeiden wollen. Dabei sind es wohl die entscheidenden Fragen. Denn eine Exekutive, die sich durch Grauzonen unkontrollierbar macht, darf es in einer parlamentarischen Demokratie nicht geben. So sehr solche Unklarheiten auch im Eigeninteresse so manches Beamten oder Berufsoffiziers liegen.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS