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Die vorliegende Studie "Made in Germany inside: Komponenten die vergessenen Rüstungsexporte" ist das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit von Oxfam Deutschland und dem Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).
Weltweit werden Regierungen ihrer Verpflichtung, Menschen vor Waffenmissbrauch zu schützen, selten gerecht. Fatal für Menschenrechte, Stabilität und Entwicklung ist die mangelnde Kontrolle von Rüstungsexporten, zumeist sogar mit staatlicher Begünstigung. Die internationale Staatengemeinschaft hat im Grundsatz erkannt, dass wirkungsvolle Kontrollen nur kooperativ und grenzüberschreitend zu erreichen sind. Ansätze dafür bieten Instrumente wie der EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren von 1998 oder das 2001 beschlossene UN-Aktionsprogramm zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Kleinwaffen und leichten Waffen. Solche weichen Absichtserklärungen können jedoch nur erste Schritte auf dem Weg zu umfassenderen Regelungen darstellen. Keinesfalls darf am Ende eine Anpassung der bestehenden, lediglich politisch bindenden Erklärungen an den kleinsten gemeinsamen Nenner stehen. Notwendig ist vielmehr ein verbindliches Abkommen auf völkerrechtlicher Grundlage, das klare Standards für regionale und nationale Instrumente zur wirksamen Kontrolle des Handels mit konventionellen Rüstungsgütern setzt.
Deutschland trägt als einer der weltgrößten Rüstungsexporteure eine besondere Verantwortung. Die Bundesregierung ist aufgerufen, ihre selbst gesetzten hohen Ansprüche an eine restriktive Kontrollpolitik endlich einzulösen und eine internationale Vorreiterrolle einzunehmen. Eine wichtige Voraussetzung dafür wäre die konsequente Offenlegung der eigenen Genehmigungs- und Exportpraxis sowie ein offener Dialog über bestehende Defizite. Angesichts der fortschreitenden Harmonisierung der europäischen Sicherheitspolitik und der Transnationalisierung der Rüstungsindustrie scheint die deutsche Politik jedoch die Gegenrichtung einzuschlagen. Sichtbar wird dies zum Beispiel am Umgang der Bundesregierung mit dem Export von Rüstungskomponenten.
Wir danken den Autoren Otfried Nassauer und Christopher Steinmetz, die seit vielen Jahren internationale Waffengeschäfte und deren politische Rahmenbedingungen beobachten und analysieren. Wir hoffen, mit dieser Studie die aktuelle öffentliche Diskussion um Grundlinien der deutschen Rüstungsexportpolitik um einige bislang viel zu wenig beachtete Aspekte bereichern zu können.
Berlin, Februar 2005 | Dr. Jörn Kalinski |
AL 1 A | Ausfuhrliste Teil 1 A "Liste für Waffen, Munition und Rüstungsmaterial" |
AWG | Außenwirtschaftsgesetz |
Dual-use-Güter | Güter mit sowohl ziviler als auch militärischer Verwendungsmöglichkeit; auch als "Güter mit doppeltem Verwendungszweck" bezeichnet |
Export von Rüstungsgütern | Umfasst im Sprachgebrauch der Bundesregierung sowohl die "Verbringung" von Rüstungsgütern in die EU-Staaten als auch die "Ausfuhr" an die restlichen Staaten |
Komponenten | Kurz für "Rüstungskomponenten" |
KWKG | Kriegswaffenkontrollgesetz |
KWL B | Kriegswaffenliste Teil B |
NATO-gleichgestellte Staaten | Australien, Japan, Neuseeland, Schweiz |
Politische Grundsätze | "Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter" vom Januar 2000 |
Rüstungsexportbericht | Jährlicher "Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter" |
Rüstungskomponenten | Güter, die als Bestandteil in ein Waffensystem, eine Waffenplattform (z. B. Kampfflugzeug, Kriegsschiff oder Panzer) oder eine Waffe (z. B. eine Rakete) eingebaut werden können oder Bestandteil von anderen Rüstungsgütern sind (z. B. Treibladungen und Zünder für Munition) oder der Produktion von Rüstungsgütern dienen. Zu den Rüstungskomponenten zählen auch alle weiteren Güter, die besonders für militärische Zwecke konstruiert sind, sowie "Güter mit sowohl zivilem und militärischem Verwendungszweck" (Dual-use-Güter), die militärisch verwendet werden. |
SAG | Sammelausfuhrgenehmigung (siehe unten) |
Sammelausfuhrgenehmigung | Mehrjährige (in der Regel zwei Jahre gültige), verlängerungsfähige Pauschalgenehmigung für deutsche Komponentenlieferungen an NATO- oder NATO-gleichgestellte Staaten im Rahmen der Durchführung gemeinsamer Rüstungsvorhaben. |
Rüstungskomponenten machen deutlich mehr als die Hälfte der deutschen Rüstungsexporte aus. In den letzten fünf Jahren waren so die jährlichen Rüstungsexportberichte der Bundesregierung - mindestens 53 % der erteilten Genehmigungen eindeutig für den Export von Rüstungskomponenten bestimmt. Vieles spricht dafür, dass ihr Anteil mehr als 75 % beträgt. Dieser Sachverhalt steht in umgekehrter Gewichtung zur öffentlichen Diskussion. Mehrheitlich konzentrieren sich sowohl Rüstungskritiker, häufig mangels verfügbarer Informationen, als auch Regierungsvertreter auf große Rüstungsvorhaben. Zum Beispiel sorgte in Deutschland im Sommer und Herbst 2004 die mögliche Lieferung von "Leopard-2"-Kampfpanzern in die Türkei für öffentliche Kontroversen.
Der Fokus auf solche große Kriegswaffensysteme kommt vor allem der Bundesregierung entgegen, die damit gerne statistische Schwankungen bei den Genehmigungen und tatsächlichen Rüstungsexporten erklärt und auch von berechtigen Nachfragen zu vermeintlich weniger wichtigen Geschäften ablenkt. Der von der Bundesregierung in den jährlichen Rüstungsexportberichten verbreitete Mythos einer "restriktiven Rüstungsexportpolitik" bleibt offiziell gewahrt. Eine genauere Beschäftigung mit dem Export von Rüstungskomponenten zeigt dagegen: "Made in Germany" steckt viel häufiger in ausländischen Waffen, als von außen erkennbar.
Der Export von Rüstungskomponenten spielt in mehreren Zusammenhängen eine Rolle, die nur selten an das Licht der Öffentlichkeit geraten: Exporte im Rahmen einer quasi garantierten Versorgung des Käufers deutscher Waffen mit Ersatzteilen, Einbau in ausländische Waffen zum Eigengebrauch oder Weiterverkauf, und dauerhafter Transfer deutscher Rüstungstechnologie durch Lizenzproduktion. Die weltweite Verbreitung deutscher Rüstungskomponenten wird durch den geduldeten Weiterexport verbündeter und befreundeter Staaten zum wechselseitigen Nutzen gefördert.
Vor dem Hintergrund einer manchmal stagnierenden, manchmal geringfügig steigenden Auftragsvergabe durch die Bundeswehr, der Europäisierung militärischer Strukturen und rüstungspolitischer Entscheidungsprozesse sowie der Transnationalisierung der Rüstungsindustrie, wird der Export von deutschen Rüstungskomponenten auch in den nächsten Jahren aller Wahrscheinlichkeit nach ansteigen.
Besonders die Europäisierung und die Transnationalisierung werden weiterhin einen Beitrag dazu leisten, dass die ohnehin schon undurchsichtigen Wege der exportierten Rüstungskomponenten noch schwerer nachvollziehbar werden. Transparenz und Rechenschaftspflicht spielen bei den derzeitigen sicherheits- und industriepolitischen Überlegungen der Bundesregierung zur Zukunft der Rüstungsindustrie und des Rüstungshandels in Deutschland und Europa nur eine untergeordnete Rolle. Daran ändert auch die neuerdings moderne Mehrfarbgraphik der Berichte der Bundesregierung zum Rüstungsexport nichts.
Die vorliegende Problemskizze zeigt die Dringlichkeit, sich wesentlich genauer mit dem Export von deutschen Rüstungskomponenten zu beschäftigen. Hier wird ein erster Versuch unternommen, die wenigen verfügbaren statistischen Angaben und Informationen zu einzelnen Komponentengeschäften aufzubereiten und in einen politisch-rechtlichen Kontext zu stellen.
Das Ergebnis: Die von der Bundesregierung oft behauptete "restriktive Rüstungsexport-politik" erweist sich als Schönfärberei. Statt einer an allgemeinen Werten orientierten Rüstungsexportpolitik, wie es die Bundesregierung u. a. in der Präambel der "Politischen Grundsätze über den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" angekündigt hat, betreibt sie eine auf sicherheitspolitisches Eigeninteresse und wirtschaftspolitische Effizienz hin orientierte Linie. Wenn überhaupt, dann werden vor allem Rüstungsgeschäfte mit politisch und wirtschaftlich relativ unbedeutenden Staaten einer restriktiven Genehmigungspraxis unterworfen. In wirtschaftlich bedeutenden Fällen dominieren dagegen sicherheits- und bündnispolitische Erwägungen sowie Interessen der Rüstungsindustrie. Gerade Exporte von Rüstungsgütern und -technologie an Länder wie Frankreich, die USA oder an die aufstrebenden "Tiger-Staaten" der Rüstungsproduktion, wie z. B. Israel, Südafrika und die Vereinigten Arabischen Emirate, bergen ein erhebliches Risiko: Zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, dass allzu oft deutsche Rüstungsgüter aus diesen Ländern weiter exportiert werden und in bewaffneten Konflikten zum Einsatz kommen.
In diesem Sinne nutzt die Bundesregierung häufig gesetzliche Interpretationsspielräume aus und nimmt rechtliche Lücken gerne hin. Rüstungskomponenten werden als "Rüstungsgüter light" entlang der Genehmigungskriterien anders gewichtet als die Waffensysteme, obwohl sie in ihren langfristigen negativen Konsequenzen für Menschenrechte, Frieden, Gewaltprävention und nachhaltige Entwicklung den Waffensystemen gleichzustellen sind. Traurige Realität ist: Die Auslandsfahrkarte für Rüstungskomponenten ist deutlich leichter zu haben als jene für eine komplette Waffe.
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