Rüstungskooperation zwischen Deutschland und Israel Otfried Nassauer und Christopher Steinmetz Diesen Report können Sie im PDF-Format herunterladen
Gegenstand der Studie ist die Entwicklung der deutsch-israelischen Rüstungskooperation zwischen 1999 und 2001. Die Besonderheiten dieser bilateralen Beziehungen belegen anschaulich die vielen Facetten der deutschen Herangehensweise an die Rüstungskooperation als Teil der Außen- und Wirtschaftspolitik. Rüstungsexportgeschäfte folgen einer eigenen Logik, die auch von den Kritikern dieser Praxis nachvollzogen werden muß. Die bestehende restriktive Informationspraxis darüber verhindert allerdings in der Regel eine Darstellung dieses Aspektes. Die Studie soll daher auch einen Beitrag zur Diskussion über die Glaubwürdigkeit der deutschen Rüstungsexportkontrollpolitik und zur Gestaltung einer verantwortungsvolleren und transparenteren Rüstungsexportpraxis leisten. Rüstungskooperation als Teilaspekt der sicherheitspolitischen und militärischen Zusammenarbeit ist mehr als die reine Addition von Rüstungsexporten. Transferaktionen dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Sie sind in langfristige Austauschprozesse eingebunden. Die Trennlinie zwischen Waffenexporten, Technologietransfer, Technologiepolitik, Informationsaustausch sowie der Lieferung von Ersatzteilen und peripheren Gütern ist oft schwer zu ziehen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die tendentielle Verschiebung der technologischen Innovationsdynamik. Ging diese früher oft von der Rüstungsindustrie aus, so hat sie heute immer häufiger ihren Ausgangspunkt in zivilen, transnational strukturierten Unternehmen. Ingesamt bedarf es sowohl einer kritischen Analyse der gegenwärtigen Kooperations- und Exportpraxis seitens der Bundesregierung als auch einer Untersuchung des deutschen Interesses an israelischen Rüstungsgütern und Dienstleistungen. Ausschlaggebend für die ursprüngliche Begrenzung des Untersuchungszeitraums (1999-2001) waren die nur für diesen Zeitraum erstmalig verfügbaren Rüstungsexport-Jahresberichte der Bundesregierung. Im Rahmen der Recherche wurde allerdings deutlich, dass diese Berichte nur ein erster Anfangspunkt sein können. Eine Bewertung des Zahlenwerks, die Einordnung der seit 1999 bekannt gewordenen konkreten Rüstungsgeschäfte und damit eine Bewertung des Ist-Zustands der deutsch-israelischen Rüstungskooperation erfordert eine wesentlich umfassendere Herangehensweise. Um die Kontinuitäten, die Brüche und die Perspektiven der bilateralen Rüstungskooperation besser herausarbeiten zu können, versucht die Studie relevante politische, militärische und industrielle Faktoren zusammenzuführen. Außerdem werden zum besseren Verständnis an einigen Stellen auch zurückliegende Ereignisse und Vorgänge thematisiert. Die Untersuchungen verdeutlichen, dass die deutsch-israelische Rüstungskooperation im Vergleich zu Kooperationen mit anderen Staaten einige Besonderheiten aufweisen. Bis 1990 war die Zusammenarbeit vor allem von drei Merkmalen geprägt: Erstens trug die Rüstungskooperation den Charakter einer politisch begründeten, wirtschaftlichen Wiedergutmachungsleistung für die begangenen Verbrechen während der nationalsozialistischen Diktatur. Auch größere Exporte nach Israel wurden durch die Bundesregierung finanziert. Zweitens dominierte in der Anfangsphase die Lieferung von kompletten Waffensystemen. Erst später bestimmte die gemeinsame Auswertung von Wehrmaterial und die Lieferung von Komponenten die Rüstungskooperation. Drittens haben beide Seiten von Anfang an besonderen Wert auf größtmöglichste Geheimhaltung gelegt. Die Abwicklung von Rüstungstransfers über die Auslandsgeheimdienste Mossad und BND verstärkte die Tendenz zu vertraulicher Kooperation. Die entsprechenden Kooperationsstrukturen gewährleisteten Flexibilität bei der Durchführung der Geschäfte und minimierten die Notwendigkeit, eine öffentliche Debatte über die bilaterale Rüstungskooperation zu führen. Mit der Vereinigung Deutschlands und der Auflösung des Warschauer Paktes veränderten sich auch die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen der deutsch-israelischen Rüstungskooperation. Die neuen militärische Aufgaben und damit verbundene Anforderungen an die Rüstungsindustrie hatten eine Transformation der Rüstungskooperationsbeziehungen zur Folge. Gegenwärtig zeichnen sich drei wesentliche Tendenzen ab: Erstens gewinnt die direkte rüstungsindustrielle Kooperation an Bedeutung. Joint Venture auch für gemeinsame Rüstungsvorhaben in Drittstaaten prägen verstärkt die Zusammenarbeit. Quantitativ wie qualitativ nimmt der Transfer von Rüstungskomponenten und Dual Use Gütern zu. Zweitens werden die israelischen Rüstungsexporte nach Deutschland ansteigen. Zugleich wird die Bereitschaft der Bundesregierung abnehmen, deutsche Rüstungslieferungen an Israel zu finanzieren. Drittens werden die Kooperationsstrukturen zwischen deutschen und israelischen Rüstungsunternehmen im Bereich Forschung & Entwicklung ausgebaut werden. Deutsch-israelische Vorhaben werden zunehmend auf eine Anbindung an die entsprechenden multilateralen Strukturen der NATO und der EU ausgerichtet sein. Die Studie basiert im Wesentlichen auf der Auswertung von öffentlich zugänglichen Quellen, wie z.B. den Antworten der Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen oder Beiträgen in wehrtechnischen Zeitschriften wie Wehrtechnik und Jane's Defence Weekly. Trotz aufwendiger Recherche muß konstatiert werden, dass die Materiallage immer noch erhebliche Lücken aufweist und der Verifizierbarkeit der vorhandenen Informationen dadurch oft enge Grenzen gesetzt sind. Obwohl seit Beginn der deutsch-israelischen Zusammenarbeit fast 50 Jahre vergangen sind, ist in der Öffentlichkeit wenig über das tatsächliche Ausmaß der Rüstungskooperation bekannt. Beide Seiten legten großen Wert auf Geheimhaltung. Viele der derzeit verfügbaren Informationen sind erst im Zuge politischer Skandale an die Öffentlichkeit gesickert. Nach wie vor greift in Deutschland bei Rüstungskooperationsfragen ein doppelter Schutzmechanismus im Interesse der nationalen Sicherheit und zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen für die involvierten Rüstungsfirmen. Das israelische Informationsangebot wird noch strikter reglementiert. Die Analyse der deutsch-israelischen Rüstungskooperation als Summe aller politischen, militärischen und industriellen Aktivitäten im Bereich der Rüstungsforschung, -entwicklung, -produktion und des Rüstungsexports erfordert also eine mehrschichtige Untersuchung der Problematik, wobei verschiedene Aspekte hinsichtlich ihrer derzeitigen und zukünftigen Relevanz analysiert werden müssen. Das erste Kapitel untersucht die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen der deutsch-israelischen Rüstungskooperation. Im Mittelpunkt steht die Darstellung maßgeblicher Faktoren für die politische Gestaltung der Zusammenarbeit und die Vereinbarkeit des bilateralen Interesses an reibungsloser Kooperation mit den politischen Vorgaben für den Rüstungsexport. Das zweite Kapitel skizziert die wichtigsten Elemente der Zusammenarbeit im militärischen Bereich. Die gemeinsame Auswertung von Wehrmaterial fremder Streitkräfte war gemessen an Aufwand und Geheimhaltung für beide Seiten bis Anfang der 90er Jahren von herausragender Bedeutung. Auch wenn mit dem Zerfall der Sowjetunion und der sogenannten "Revolution in Military Affairs" eine Reihe von Voraussetzungen für die gemeinsame Auswertung von Wehrmaterial entfielen, beeinflussen die Ergebnisse und Konsequenzen auch heute noch die Rüstungskooperation. Die Kapitel drei und vier befassen sich mit dem "klassischen Rüstungsexport". Der Schwerpunkt liegt auf den zwischen 1998 und 2001 geplanten und getätigten Rüstungsexportgeschäften. Ausgehend von einer Analyse statistischer Angaben zum Export deutscher Rüstungsgüter wird eine erste Einschätzung der quantitativen Dimension vorgenommen. Die Bewertung der qualitativen Dimension der Rüstungsgeschäfte erfolgt durch die exemplarische Darstellung einzelner Vorhaben. Außerdem werden hier Kerndaten zu den israelischen Rüstungsexporten präsentiert und anhand von einzelnen Geschäften auch die israelischen Interessen an der Rüstungskooperation mit Deutschland herausgearbeitet. In den Kapiteln fünf und sechs werden einige Bereiche identifiziert, die in Zukunft die bilaterale Rüstungskooperation bestimmen könnten, wie z.B. gemeinsame Rüstungsprojekte in Drittstaaten. Abschließend werden noch einmal die grundlegenden politischen und rechtlichen Probleme der Rüstungskooperation aufgegriffen und in den Kontext der allgemeinen Handhabung von Rüstungskooperation als Instrument der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik gestellt.
Um den Stellenwert der deutsch-israelischen Rüstungskooperation bestimmen zu können, müssen die politischen Rahmenbedingungen bzw. die Entwicklung der bilateralen Beziehungen betrachtet werden. In erster Linie hatte die Rüstungskooperation für beide Regierungen zunächst oft die Funktion einer vertrauensbildenden Maßnahme. Gegenseitige Sensibilität, Vertraulichkeit und Verlässlichkeit wurden zu bestimmenden Faktoren. Daraus entwickelte sich eine besondere Dynamik, die auch heute noch die deutsche Regierungspolitik gegenüber Israel und ihre Argumentationslinien bei Rüstungsexportfragen prägt und für politische Kontroversen sorgt. 1.1. Der Weg des geringsten politischen Widerstands Die unmittelbaren Nachkriegsjahre waren dadurch gekennzeichnet, dass die Bundesregierung bestrebt war, eine öffentliche Debatte über die Verantwortung Deutschlands an den Verbrechen und dem Völkermord im Nationalsozialismus zu vermeiden. Während die Tabuisierung der Ermordung der europäischen Juden den Rahmen in Deutschland absteckte, befürchtete die israelische Regierung starke Vorbehalte der eigenen Öffentlichkeit gegenüber einer Kooperation mit den ehemaligen Unterdrückern und Verantwortlichen des Holocausts. Mitte der 50er Jahre entdeckten beide Staaten erste sicherheitspolitische Gemeinsamkeiten: den (Wieder-)Aufbau ihrer Streitkräfte. Die Bundesregierung war bemüht, so schnell wie möglich eine Armee aufzubauen sowie die Rüstungsindustrie wiederzubeleben. Umgekehrt sah auch Israel die Notwendigkeit, seine junge Staatlichkeit schnell durch den Aufbau einer Armee abzusichern und die Versorgung mit militärischen Gerät sicherzustellen. [1] Die Verhandlungen über die deutschen "Wiedergutmachungsleistungen" für die Verbrechen während des Nationalsozialismus ebneten den Weg zu einer "pragmatischen" Zusammenarbeit. [2] 1954 wurden erste vertrauliche Kontakte geknüpft und mit der Entsendung von Oberst Avigdor Tal als Militärattache an das israelische Konsulat in Bonn im gleichen Jahr begann die deutsch-israelische Rüstungskooperation. Bereits kurze Zeit später wurden zwei Patrouillenboote aus deutscher Produktion nach Israel geliefert - obwohl es der Bundesrepublik zu dieser Zeit noch untersagt war, Rüstungsgüter herzustellen. [3] Wie in anderen Bereichen des deutsch-israelischen Verhältnisses ging also die Initiierung der militärischen, rüstungstechnischen und nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit der Aufnahme formeller diplomatischer Beziehungen voraus, die erst 1965 erfolgte. [4] Auch nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen blieben deutsche Rüstungsexporte nach Israel oft heikel. Während deutsche Rekruten sehr wohl wussten, dass sie israelische Uzi in den Händen hielten wurden z.B. deutsche Kennzeichen von Waffen entfernt, deutsche Schiffs- und U-Boottypen auf französischen und britischen Werften für Israel gefertigt. [5] Die Kooperation über die "kurzen und informellen Wege" jenseits einer öffentlichen Kontrolle erwies sich für beide Seiten in der Folgezeit als vorteilhaft. Deutschland hatte einen Abnehmer für seine Überschußwaffen und manchmal auch für seine junge Rüstungsindustrie. Ein weiterer Faktor deutscher Überlegungen war der arabische "Absatzmarkt" für Rüstungsgüter. Ein offener Verkauf moderner Waffensysteme an Israel hätte die Beziehungen zu den arabischen Staaten belastet. [6] Schließlich wurde die israelische Armee auch ein wichtiger Partner bei der Auswertung sowjetischer Waffentechnologien, von denen sich beide Staaten bedroht sahen. Eine entsprechende Vereinbarung über die gemeinsame technische Auswertung fremden Wehrmaterials wurde 1967 getroffen. Die Erkenntnisse über die von den arabischen Streitkräften erbeuteten Waffensysteme sowjetischer Herkunft wurden auch dem Bundesverteidigungsministerium zur Verfügung gestellt. Israel besaß ein Interesse an einer zusätzlichen verläßlichen Nachschubquelle für Ersatzteile und Waffensysteme. Frankreich und Großbritannien, aber auch die USA, hatten wiederholt Rüstungslieferungen an Israel wegen deren Maßnahmen gegen die palästinensische Bevölkerung und die arabischen Nachbarstaaten eingestellt. [7] Hinzu kam, dass oft die Rüstungslieferungen über Deutschland von der Bundesregierung bezahlt wurden und damit nicht den israelischen Staatshaushalt belasteten. [8] Aufgrund der oben angeführten Erwägungen betrachteten beide Seiten die Rüstungskooperation als hoch sensibel und versuchten, diese so diskret wie möglich zu gestalten. Zumindest bis Ende der 80er Jahre wurde die Kooperation oft über die Auslandsgeheimdienste abgewickelt, den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) und den israelischen Mossad. [9] Die Herangehensweise der Bundesregierung an die Rüstungskooperation mit Israel spiegelt sich deutlich in einer Stellungnahme des Verteidigungsministeriums zur CERBERUS-Untersuchung 1991: "Seit Beginn der Zusammenarbeit mit Israel ist es ständige Praxis aller Regierungen gewesen, diese Kooperation möglichst wenig öffentlich zu gestalten oder zu formalisieren." [10] An dieser Praxis haben die Regierungen beider Staaten bis heute festgehalten. Als Konsequenz erreichte das Wissen um Gegenstand und Qualität der Rüstungskooperation, wie z.B. die Lieferung von Schnellbooten über Frankreich oder U-Boote über Großbritannien, oft nur in Folge von politischen Skandalen die Öffentlichkeit. Beispiele sind der CERBERUS-Vorgang Ende der 80er Jahre und dem Skandal um die Verschiffung von Rüstungsgüter n aus Beständen der Nationalen Volksarmee (NVA) nach Israel 1991/92. Beim CERBERUS-Skandal wurde bekannt, dass die Bundesregierung seit 1972 unter höchster Geheimhaltung Entwicklung und Bau von israelischer Störsendertechnologie für Tornado-Flugzeuge finanzierte. Der Gesamtwert des Vorhabens betrug etwa 2,2 Mrd. DM. Die israelische Firma Elta sollte davon etwa die Hälfte erhalten Ein Teil der finanziellen Transaktionen wurde über die Geheimdienste Mossad und BND abgewickelt. Im Bundesverteidigungsministerium wurden für die Koordination sogar eigens Vereinbarungen mit dem BND getroffen. Das Vorhaben wurde mit einem Codewort geschützt. Gegenüber dem Bundestag hatte die Regierung dieses Beschaffungsvorhaben verschleiert. [11] Im Oktober 1991 wurde im Hamburger Hafen eine als land- und forstwirtschaftliches Gerät deklarierte Lieferung von NVA-Rüstungsgütern für Israel von der Wasserschutzpolizei entdeckt und dann beschlagnahmt. Auch hier waren die Geheimdienste BND und Mossad für die Koordination der Lieferung verantwortlich. Die Untersuchungen brachten ans Licht, dass bereits vorher zwölf ähnliche Transferaktionen stattgefunden hatten ohne Zustimmung des Bundessicherheitsrats. [12] Auch wenn sich Mittel und Zweck der Kooperation seit den 90er Jahren von den Jahrzehnten zuvor in einzelnen Aspekten unterscheiden, blieb die Rüstungskooperation mit Israel ein besonders sensibles Thema. Das zeigte sich erneut im Frühjahr 2002. Während der israelisch-palästinensische Konflikt durch den Einmarsch der israelischen Armee in die Autonomiegebiete erneut eskalierte, berichteten die deutschen Medien über eine einstweilige Aussetzung von Rüstungslieferungen nach Israel. Davon sollen etwa 120 Exportposten betroffen gewesen sein, u.a. auch Bauteile für den 2002 in Dienst gestellten Kampfpanzer Merkava 4. [13] Obwohl gleichzeitig in den kriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der palästinensischen Bevölkerung Panzer zum Einsatz kamen, der Transfer der Kriegführungsfähigkeit Israels gedient hätte, begründete die Bundesregierung das Ausbleiben deutscher militärischer Lieferungen nicht wie beispielsweise Frankreich oder Großbritannien - mit der angespannten Lage in Israel oder mit einer konsequenten Anwendung der neuen politischen Richtlinien für den Rüstungsexport vom 19.1.2000 und mit den darin niedergelegten Kriterien der Einhaltung der Menschenrechte und der Gewaltprävention. Nur indirekt bezog sich der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping auf die politischen Richtlinien zum Rüstungsexport. Israel solle "in einer bestimmten Situation" ein Signal gegeben werden, dass man an einer "Deeskalation" interessiert sei. [14] Die Rüstungslieferungen seien "ausgesetzt, aber nicht abgesetzt". [15] Die israelische Regierung reagierte äußerst verstimmt. Der Generaldirektor des israelischen Verteidigungsministeriums sagte bezüglich der Exporte, dass "wenn das gegenwärtige Klima andauert, wir nicht die einzigen sein werden, die darunter leiden." [16] Bevor die bilateralen Beziehungen durch weitere Nachforschungen und Fragen ernsthaft Schaden nehmen konnten, beendete Bundeskanzler Schröder am 25. April 2002 die Diskussionen um die Vereinbarkeit von Rüstungsexporten nach Israel mit dem dortigen Vorgehen gegen die Palästinenser mit der Erklärung: "Ich will ganz unmissverständlich sagen: Israel bekommt das, was es für die Aufrechterhaltung seiner Sicherheit braucht, und es bekommt es dann, wenn es gebraucht wird." [17] Folgerichtig wurden die Lieferungen mit einiger Verzögerung wieder aufgenommen. Im Dezember 2002 wurden die engen Beziehungen erneut auf die Probe gestellt. Während der Diskussion um einen möglichen Beitrag der Bundesregierung zum Krieg gegen den Irak und entsprechenden Wünschen der US-Regierung, wurde noch bekannt, dass Israel seit längerem Interesse an zwei Patriot-Flugabwehrbatterien hatte und außerdem "auf kurzem Weg" noch eine weitere Anfrage bezogen auf den Export von Fuchs-Transportpanzern an das Bundesverteidigungsministerium gerichtet hatte. [18] Auch hier versuchte Bundeskanzler Schröder schnell, die Debatte von der Exportfrage zu lösen: "Das System "Patriot" ist rein defensiv. Es bietet Schutz gegen Raketenangriffe. Die Sicherheit des Staats Israel und seiner Bürger ist uns überragend wichtig. Wenn die israelische Regierung diesen Zuwachs an Sicherheit braucht, werden wir helfen - und zwar rechtzeitig. Das gebietet unsere historische und moralische Pflicht." [19] Die Lieferung der Patriot-Batterien als Leihgabe wurde genehmigt und erfolgte Ende Januar 2003. [20] Die Entscheidung über die Genehmigung für den Export der Fuchs-Panzer wurde vertagt. Obwohl die Fuchs-Transportpanzer geradezu für einen Einsatz in den palästinensischen Autonomiegebieten prädestiniert sind, konnte sich die Bundesregierung hier nicht zu einer eindeutigen Ablehnung durchringen. [21] 1.3. Rüstungskooperation als politische und rechtliche Fragestellung Nach offizieller Lesart diente die deutsch-israelische Rüstungskooperation bis Ende der 80er Jahre dem nationalen Sicherheitsinteresse Deutschlands. [22] Die von Israel zur Verfügung gestellten sowjetischen Waffentechnologien erlaubten eine Verbesserung deutscher Waffensysteme. Außerdem wurde die Kooperation als eine Konsequenz der historischen Verpflichtung Deutschlands für die Sicherheit Israels dargestellt. Seither haben sich die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen erheblich gewandelt. Deutschland ist nicht mehr direkt durch sowjetische Waffensysteme bedroht, und auch der Erhalt großer nationaler Rüstungsproduktionskapazitäten gilt nicht mehr uneingeschränkt als Voraussetzung der Sicherheit Deutschlands. Stattdessen wird die Rüstungskooperation immer mehr von den ökonomischen und technischen Interessen der Rüstungsindustrie und der Streitkräfte bestimmt. Doch obwohl damit eine Verschiebung der qualitativen Dimension der Rüstungskooperation verbunden ist, hält die Bundesregierung noch an den alten Rahmenstrukturen und Begründungsmustern fest. Die Bundesregierung befindet sich damit in einem heiklen politischen und rechtlichen Spannungsfeld. Der Sonderstatus, der Israel eingeräumt wird, ist immer schwerer mit der Realität im Nahen Osten und den Rüstungsexportbestimmungen der Bundesregierung zu vereinbaren. Unter den deutschen Rüstungsexportbestimmungen spielen die entsprechenden Gesetze nur eine untergeordnete Rolle. Das Kriegswaffenkontrollgesetzes (KWKG) §6 Absatz 3, das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) §7 Absatz 1 sowie die entsprechenden Ausführungen der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) (vor allem die AWV §§ 5, 5c, 5d) liefern ein äußerst dehnbares juristisches Legitimationsgerüst für die Erteilung von Rüstungsexportgenehmigungen. [23] Politisch bedeutsamer für die Bewertung des Genehmigungsverfahrens und des Handlungsspielraums der Bundesregierung sind die am 19.1.2000 eingeführten "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern", kurz: "politische Richtlinien". Sie sind gleichzeitig politische Absichtserklärung der Bundesregierung und Entscheidungshilfe für die an den Genehmigungsverfahren beteiligten Ministerien und Behörden. [24] Die neuen politischen Richtlinien halten bereits in der Präambel fest, dass die Bundesregierung "durch seine [den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern] Begrenzung und Kontrolle einen Beitrag zur Sicherung des Friedens, der Gewaltprävention, der Menschenrechte und einer nachhaltigen Entwicklung in der Welt" leisten will. [25] In den folgenden Allgemeinen Prinzipien der Richtlinien wird vor allem die Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland als Kriterium von besonderem Gewicht hervorgehoben. Die acht Kriterien des EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren von 1998 werden auch explizit aufgenommen. Für Israel gelten zudem die sieben Punkte des Abschnitts 3 der Richtlinien, da Israel weder ein Mitgliedsstaat der EU noch der NATO ist und auch nicht zur Gruppe der NATO-gleichgestellten Staaten gehört. Diese werden hier verkürzt dargestellt, die Kriterien des EU-Kodex werden in Klammern zugeordnet): [26]
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