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Hinweis: | |
Inhaltsverzeichnis:
Anhang 1: Die Nuklearpolitik der NATO – Jüngste Entwicklungen
Anhang 2: Nuklearwaffenstandorte in Europa
Vor 25 Jahren begann eine Trendwende. Im Dezember 1987 unterzeichneten der Präsident der USA und der Generalsekretär der kommunistischen Partei der UdSSR, Ronald Reagan und Michail Gorbatschow[ 1 ], den ersten Rüstungskontrollvertrag, der tatsächlich Abrüstung zum Ziel hatte: Der INF-Vertrag verpflichtete beide Supermächte zur Eliminierung ihrer vorhandenen landgestützten nuklearen Mittelstreckenwaffen mit Reichweiten von 500 – 5.500 km und verbot ihnen für die Zukunft Entwicklung und Stationierung solcher Waffen. Der Vertrag gilt bis heute.
Doch damit nicht genug: Mit diesem Vertrag wurde die zuvor dominierende Spirale der nuklearen Vor-, Nach- und Aufrüstungen sowie der ständigen atomaren Modernisierungen des Ost-West-Konfliktes erstmals durchbrochen. Er trug dazu bei, dass nach dem Ende des Kalten Krieges in rascher Folge weitere Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge möglich wurden und setzte letztlich eine Dynamik in Gang, die Europa in den vergangenen 25 Jahre geprägt hat: Neue Programme zur Modernisierung der Nuklearwaffenpotentiale wurden nicht mehr begonnen, der Großteil der in Europa stationierten Nuklearwaffen wurde ersatzlos abgezogen oder gar demontiert. Die Atomwaffen der ehemaligen UdSSR lagern heute ausschließlich auf russischem Territorium. Die USA haben seit 1987 über 4.000 Nuklearwaffen aus Europa abgezogen und heute nur noch etwa 150-200 atomare Waffen auf dem europäischen Kontinent stationiert.[ 2 ] Deren militärischer Nutzen ist gering. Die Trägersysteme sind nicht in Reichweite potentieller Ziele stationiert. Die Rolle dieser Waffen ist auch deshalb eine politische geworden: Sie sind Teil der nuklearen Abschreckungsfähigkeit der NATO und Symbol für die Beteiligung nicht-nuklearer NATO-Staaten an dieser Fähigkeit.
Bis zu 20 dieser atomaren Waffen befinden sich noch in Deutschland. Es handelt sich um zwei Versionen der U.S.-amerikanischen Atombombe des Typs B-61, die Modelle oder Modifikationen B61-3 und B61-4. Sie sind als Bewaffnung für bis zu 46 Tornados des Jagdbombergeschwader 33 der Deutschen Luftwaffe in Büchel vorgesehen. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat 2009 in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, sich für deren endgültigen Abzug einzusetzen. Der Bundestag hat sich 2010 mit großer Mehrheit ebenfalls für dieses Ziel ausgesprochen. Alle dort vertretenen Parteien befürworten einen Abtransport. Die Bundesregierung verfolgt dieses Ziel jedoch nur halbherzig – nicht zuletzt, weil Teile der Regierung hinter verschlossenen Türen gegen den Abzug opponieren oder gar intrigierten.[ 3 ]
Die Bundesregierung muss dennoch in naher Zukunft öffentlich Farbe bekennen. Die U.S.-Regierung plant, den größten Teil der aktiven Bomben des Typs B61, darunter die in Europa lagernden Atomwaffen, einer umfassenden Modernisierung zu unterziehen, damit sie bis 2050 weiter in Dienst gehalten werden können.
Die in Europa lagernde thermonukleare Gravitationsbombe B61 ist die vielseitigste und eine der wichtigsten Atomwaffen im Bestand der US-Streitkräfte:
Eine Modernisierung der Bomben des Typs B61 beträfe also sowohl das strategische als auch das taktische Nuklearwaffenpotential der USA. Sie hätte Auswirkungen auf die Zukunft der Nuklearen Teilhabe und die NATO und könnte zudem auch die künftige Rolle nuklearer Waffen in den strategischen Konzepten der USA und der NATO beeinflussen und verändern. Sie ist damit von grundlegender Bedeutung.
Im September 2008 begannen die zuständigen U.S.-Behörden mit einer Machbarkeitsstudie, um die technologischen Möglichkeiten einer Modernisierung der B61-Bomben und deren Kosten zu untersuchen. Im Kontext dieser Studie war erstmals öffentlich von einer neuen Version dieser Waffe die Rede - der B61-12. Geplant wird, die Bomben der Versionen B61-3, -4, -7 und –10 durch ein einziges neu entwickeltes Modell, die B61-12, zu ersetzen. Die maximale Sprengkraft dieser neuen Bombe soll jener der bislang kleinsten vorhandenen Version, der B61-4, entsprechen. Sie beträgt aber mit rund 50 Kilotonnen noch immer das Vierfache der Hiroshima-Bombe. Die neue Waffe soll wesentlich zielgenauer als die bisherigen werden. Dadurch erhofft man sich trotz kleiner Sprengkraft eine größere Zerstörungswahrscheinlichkeit im Ziel und damit wieder einen höheren militärischen Nutzwert. Der Unterschied zwischen den „taktischen“ und „strategischen“ Versionen der Bombe würde künftig nicht mehr existieren. Ein und dasselbe Modell würde mit Jagdbombern und strategischen Bombern zum Einsatz kommen.
Das Entwicklungsvorhaben B61-12 wird in der Öffentlichkeit als Lebensdauerverlängerung (Life Extension Program – LEP) präsentiert. Im U.S.-Kongress und in Fachkreisen fragt man sich jedoch, ob es sich bei der B61-12 nicht doch um einen zumindest weitgehend neuen Bombentyp handeln wird, der mit den bisherigen B61-Bomben nur wenig mehr als die Typenbezeichnung und einige Komponenten gemein haben wird. „Das ist das größte Vorhaben seit mehr als 30 Jahren, wahrscheinlich das größte seit der Entwicklung der B61-3 und –4“, kommentierte J. F. Nagel, der bisherige Leiter der Entwicklung beim Sandia National Laboratory im letzten Jahr.[ 9 ]
Wird die B61-12 also die erste weitgehende Neuentwicklung einer US-Atomwaffe seit dem Ende des Kalten Krieges? Das stünde in einem deutlichen Widerspruch zu Barack Obamas Prager Versprechen, sich für eine nuklearwaffenfreie Welt einzusetzen und würde zudem einer Festlegung Obamas aus dem „Nuclear Posture Review“ des Jahres 2010 widersprechen, die vorgibt:
„The United States will not develop new nuclear warheads. Life Extension Programs (LEPs) will use only nuclear components based on previously tested designs, and will not support new military missions or provide for new military capabilities.”[ 10 ]
Die Details der Entscheidung, welchen Umfang das B61-Modernisierungsporgramm haben soll, sind noch nicht vollständig bekannt. In Kongressanhörungen im März 2012 wurde jedoch bekannt, dass das Nuclear Weapons Council als höchstes interministerielles Abstimmungsgremium der U.S.-Administration Ende 2011 empfohlen hat, mit der technischen Entwicklung der B61-12 (Phase 6.3) zu beginnen und die Fertigstellung des ersten Prototyps, der First Production Unit (FPU), um zwei Jahre bis zum Jahr 2019 zu strecken. Der U.S.-Kongress muss nun das Geld für deren technische Entwicklung freigeben. Diese Entscheidung wird für 2012 erwartet. Das Modernisierungsvorhaben steht also an einer Wegscheide und diese impliziert zugleich eine Weichenstellung:
Kehrt sich der seit 25 Jahren vorherrschende Trend zu weiterer Denuklearisierung und Abrüstung in Europa wieder um? Droht eine erneute Trendwende? Zurück zu nuklearer Modernisierung oder gar begrenzter nuklearer Wiederaufrüstung in Europa? Wird die geplante Modernisierung zur Folge haben, dass der militärische Nutzwert der Nuklearwaffen in Europa wieder steigt, ihr Einsatz wieder „rationaler“ erscheint und damit wieder wahrscheinlicher wird? Wird die neue Waffe letztlich wieder eine größere Rolle in den militärischen Operations- und Eventualfallplänen der USA oder der NATO bekommen?
Die Nuklearwaffen des Typs B61 spielen nicht nur in der Nuklearstrategie der USA eine bedeutende Rolle, sondern auch in der NATO-Strategie. Deshalb ist die Meinung der europäischen NATO-Staaten zu dem Vorhaben B61-12 gefragt. Das sehen die Konsultationsmechanismen der NATO vor. Von dieser Möglichkeit können die NATO-Länder Gebrauch machen, ohne sich dem Vorwurf der Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Nuklearmacht USA auszusetzen. Verzichten sie darauf, so setzen sie sich dem Vorwurf aus, die ihnen in der NATO gewährten Mitspracherechte nicht nutzen zu wollen und die politische Verantwortung für die anstehenden Entscheidungen allein auf die Nuklearmacht USA abwälzen zu wollen.
Das gilt auch für die Bundesregierung. Sie muss dem Koalitionsvertrag und dem Bundestagsbeschluss aus dem Jahr 2010 praktische Konsequenzen folgen lassen. Beide sprechen sich für einen Abzug der verbliebenen Nuklearwaffen aus Deutschland und Europa aus. Eine Modernisierungsnotwendigkeit für die in Europa lagernden Nuklearwaffen besteht also aus deutscher Sicht nicht. Diese beiden inhaltlichen Positionen müssen in den Beratungen der NATO und den Konsultationen über das Vorhaben B61-12 deutlich gemacht werden. Deutschland hält einen Verbleib dieser Waffen in Europa für genauso überflüssig wie deren Modernisierung. Jedes andere Signal würde der Beschlusslage der Bundesregierung und des deutschen Parlamentes widersprechen.
Dieses Hintergrundpapier trägt die bislang öffentlich gewordenen Fakten zu den B61-Bomben zusammen. Es will dem Leser die geplante Modernisierungsmaßnahme und deren Bedeutung transparent machen und ihm ein eigenes Urteil ermöglichen. Es verzicht auf eine Auseinandersetzung mit den Argumenten, die für oder gegen einen Verbleib dieser Waffen in Europa sprechen. Diese findet sich bereits an anderer Stelle: Die NATO und der nukleare „Schirm“ – Gibt es gute Gründe für Atomwaffen in Deutschland und Europa?, Otfried Nassauer, BITS Research Note 10.1 / IPPNW akzente, Oktober 2010. Die aktuellen Entwicklungen kommen in einem kurzen Anhang zu diesem Hintergrundpapier zur Sprache.
Die Geschichte der nuklearen Bomben vom Typ B61 begann vor mehr als 50 Jahren, am 4. August 1960. Das Los Alamos National Laboratory (LANL) und das Sandia National Laboratory (SNL) wurden an diesem Tag beauftragt, die Entwicklung einer neuen atomaren Bombe zu beginnen. Es sollte eine FUFO-Waffe[ 11 ] mit wählbarer Sprengkraft für unterschiedliche Kampfflugzeuge werden. Machbarkeitsstudien für mehrere Optionen wurden kurz darauf in Auftrag gegeben. Ab 1963 trug das Vorhaben die Bezeichnung TX61. Der Bau der Prototypen begann 1965. Der erste wurde im Oktober 1966 fertiggestellt. Sechs Nuklearwaffentests wurden durchgeführt, der größte demonstrierte, dass die Bombe mit einer Sprengkraft von mindestens 350 Kilotonnen detonieren konnte. Die Serienproduktion begann nach einer erneuten Überarbeitung der technischen Auslegung im Januar 1968. In den beiden folgenden Jahrzehnten wurden etwa 3.150 Waffen hergestellt.[ 12 ] Insgesamt 11 weitere Versionen entstanden, teils, um neue militärische Optionen zu ermöglichen, teils, um ältere Versionen abzulösen und immer, weil es im Vergleich zu der Entwicklung einer völlig neuen Waffe kostengünstiger war, auf ein vorhandenes, schon getestetes Modell hoher Flexibilität zurückzugreifen.[ 13 ] Das U.S.- Verteidigungsministerium in der Rückschau:
„For example, the B61 bomb has had 11 variations over time. Each variation was designed as a different modification, or Mod. Each Mod used the basic design of the B61, but each Mod had a few different components that changed the operational characteristics of the weapon in a significant way. (…) The use of this system of modifications provides significant cost savings because, in this model, proven and tested designs are modified rather than beginning each next generation warhead with a completely new weapon design. This approach also provides a more efficient way to conduct quality assurance testing and evaluation because warhead Mods that have a very large percentage of common components can be tested as a family of warheads.”[ 14 ]
Die Versionen der B61
Modell |
Sprengkraft (KT) |
produziert |
Gelagert |
produziert |
PAL/AMAC |
IHE |
ENDS |
Anmerkungen |
B61-0 |
|
1.200 Mod.0&1 |
--- |
1968-71 |
CatB |
Nein |
Nein |
500 Expl. 1995/96 delaboriert |
B61-1 |
|
1.200 Mod.0&1 |
--- |
1973-77 |
CatB |
Nein |
Nein |
Strategische Waffe, Umbau zu B61-7 |
B61-2 |
|
235 |
--- |
|
CatD |
Nein |
Nein |
Taktische Waffe für Marine-flieger; 215 Expl. 1996/97 delaboriert |
B61-3 |
0.3 |
545 |
Ca 200 |
1979-89 |
CatF/ |
Ja |
Nein |
Taktische Waffe, erstmals mit größerem Fallschirm |
B61-4 |
0.3 |
660 |
Ca 200 |
1979-89 |
CatF/ Ja |
Ja |
Nein |
Taktische Waffe |
B61-5 |
|
265 |
--- |
1977-79 |
CatD/ |
Nein |
Ja |
Erste Nuklearwaffe mit ENDS; 236 wurden bis 1997 delaboriert |
B61-6 |
|
--- |
--- |
--- |
CatD |
Ja |
Ja |
umgebaut aus B61-0 mit IHE; Entwicklung eingestellt |
B61-7 |
10 |
Ca 700 |
Ca 430 |
1985-90 |
CatD/ Ja |
Ja |
Ja |
Umgebaute B61-1 |
B61-8 |
|
--- |
--- |
--- |
CatD |
Ja |
Ja |
Umgebaute B61-2 und -5 (safety upgrade), eingestellt |
B61-9 |
|
--- |
--- |
--- |
CatF |
Ja |
Ja |
Umgebaute B61-0, Entwicklung eingestellt |
B61-10 |
0.3 |
215 |
ca 100 |
1990-91 |
CatF/Ja |
Ja |
Ja |
Taktische Waffe; umge-bauter W85, der wiederum eine umgebaute B61-4 war. |
B61-11 |
3-400 |
Ca 50 |
ca 35 |
1997 |
CatD/Ja |
Ja |
Ja |
Umgebaute B61-7 |
PAL = Permissive Action Link AMAC= Aircraft Monitoring and Control System
IHE = Insensitive High Explosives ENDS = Enhanced Nuclear Detonation System
Fünf dieser Versionen sind noch heute Teil des Nuklearwaffenpotentials der USA, vier davon sind weiterhin für Einsätze eingeplant: Die B61-3 und die B61-4 stehen als Bewaffnung für taktische Jagdbomber zur Verfügung, die Modelle B61-7 und B61-11 dienen als Bewaffnung strategischer Stealth-Bomber vom Typ B-2[ 15 ]. Mit der B61-10 existiert eine weitere, relativ moderne nicht-strategische Version, deren Bestände bisher nicht vollständig delaboriert wurden und die deshalb erneut genutzt werden könnte.
Alle Versionen der B61 sind thermonukleare Waffen, in denen ein erster, mit konventionellem Sprengstoff gezündeter atomarer Fissionssprengsatz (Primary) die Energie bereitstellt, um den zweiten, stärkeren Fusionssprengsatz (Secondary) zu zünden, während zusätzlich ein verstärkter Neutronenfluss zum Einsatz kommen kann, der die Explosionswirkung noch einmal verstärkt. Die verschiedenen Versionen sind einander – abgesehen von der B61-11 - äußerlich sehr ähnlich. Die Bomben haben eine Länge von etwa 3,60 Meter, der Bombenkörper hat einen Durchmesser von 34 cm und sie wiegen maximal rund 350 Kilogramm. Die B61-11 stellt bezüglich des Gewichtes und des Aussehens eine Ausnahme dar, da es sich um einen sogenannten „Bunkerknacker“ handelt. Um tief in den Boden des Zielortes eindringen zu können, wurde diese Version mit einer gehärteten Metallhülle ausgestattet. Sie wiegt etwa 200kg mehr als die anderen Versionen.
Der Bombenkörper der B61 wurde so ausgelegt, dass er von Flugzeugen in Überschallgeschwindigkeit transportiert und eingesetzt werden kann. Zudem kann die Waffe aus dem extremen Tiefflug abgeworfen werden und verfügt über einen Bremsfallschirm, mit dem die Zeit zwischen Abwurf und Explosion verlängert werden kann. Die Bomben erlauben je nach Einsatzform sowohl eine Zündung in der Luft als auch eine Bodendetonation. Freefall Airburst (FFA), Freefall Groundburst (FFG), Parachute Retarded Airburst (REA), Parachute Retarded Ground oder Contact Burst (REG), Parachute Retarded Laydown[ 16 ] und Surface Burst, so heißen die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten.[ 17 ] Die Zeit, die der Flugzeugbesatzung nach dem Ausklinken bis zur Explosion der Waffe und damit zur Flucht aus dem Wirkungsbereich der Detonation bleibt, beträgt im Minimum etwas mehr als eine Minute.[ 18 ]
Die B61-Modelle bestehen aus rund 1.800 Komponenten mit insgesamt 5-6.000 Einzeltteilen, die von 9 Hauptauftragnehmern und rund 570 Zulieferern hergestellt wurden.[ 19 ] Zu diesen gehörten u.a. die Firmen DuPont, Monsanto, die Y-12 Fabrik in Oak Ridge, die Kansas City Plant und natürlich die National Laboratories Los Alamos und Sandia.[ 20 ] Die einzelnen Bauelemente befinden sich in Gehäusen aus Aluminium oder Stahl und werden in der Bombe fest montiert; in den Zwischenräumen kommen Schaumstoffe aus Polyurethan zur Wärmeisolierung und Stoßdämpfung zum Einsatz.
Die B61-Bomben bestehen aus vier wesentlichen Konstruktionsabschnitten:
Diese Baugruppen sind allen Modellen gemeinsam. Der genaue technische Aufbau der verschiedenen Modelle unterliegt der Geheimhaltung. Deshalb ist nur teilweise bekannt, was die Versionen im Detail unterscheidet. Erkennbare Unterschiede gibt es jedoch sowohl im Bereich der sicherheitstechnischen Ausstattung und Vorrichtungen als auch im Bereich der elektrischen und elektronischen Systeme sowie bei den nuklearen Komponenten.[ 22 ]
Bei der Entwicklung der B61-Varianten wurde auf die Integration von Sicherheitssystemen geachtet, die eine unbeabsichtigte Explosion (z.B. bei einem Flugzeug- oder Transportunfall) und einen Einsatz durch nicht-autorisierte Personen verhindern sollen. Spätere Umbauten, die zu neuen Versionen führten, wurden teils vorgenommen, teils genutzt, um die Sicherheitssysteme der einzelnen Versionen weiter zu verbessern. Alle B61 verfügen über ein Permissive Action Link (PAL) zur Verhinderung eines unautorisierten Einsatzes.[ 23 ] Bei der B61-5 kam erstmals ein ENDS (Enhanced Nuclear Detonation System) zum Einsatz. Alle Modelle, die ab Ende der 70er Jahre gebaut wurden, erhielten zudem den stoßunempfindlichen „insensitiven“ konventionellen Sprengstoff PBX-9502, um die Gefahr zu mindern, dass der konventionelle Sprengstoff der Zünder bei einem Flugzeugabsturz oder Notabwurf der Bombe explodieren und dabei möglicherweise Plutonium freigesetzt würde.[ 24 ]
Aus der Entwicklungsgeschichte der verschiedenen Versionen lässt sich zudem mit hoher Wahrscheinlichkeit ableiten, dass die heute noch verwendbaren Waffen auf zwei voneinander abweichende Grund-Konfigurationen zurückgehen, die sich – je nach operativem Zweck – hinsichtlich der Sprengkraft und des Aufbaus ihrer nuklearen Kernkomponenten unterscheiden:
Während die Varianten technisch vieles gemeinsam haben, unterscheiden sie sich hinsichtlich der Aufgabenstellung, für die sie gebaut wurden, deutlich.
Die strategischen Versionen der B61 lagern ausschließlich in den USA.[ 26 ] Die „taktischen“ Atombomben B61-3, B61-4 verteilen sich auf Depots in den USA und Europa. Rund 180 B61-3 und B61-4 sind an sechs Orten in fünf europäischen NATO-Staaten stationiert. An den europäischen Atomwaffenstandorten sind die Bomben in versenkbaren Munitionsgrüften (Vaults), den sogenannten Weapons Storage Security Systems (WS3), untergebracht. Je ein Vault mit einer theoretischen Lagerkapazität von vier Waffen wurde neben dem Einsatzflugzeug in den Fußboden der Flugzeugschutzbauten (des Typs PAS 9)[ 27 ] eingebaut.
Die Schutzbauten auf einem Einsatzflugplatz werden zu einer Weapons Storage Area (WSA) zusammengefasst. Die WS3 wurden in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren gebaut und 1999 bis 2004 im Rahmen eines WS 3 Sustainment Programs modernisiert. Ihre technische Lebensdauer soll bis in das Jahr 2017 garantiert sein. Eine erneute Verbesserung im Kontext der Einführung der B61-12 ist offenbar vorgesehen.
Das geplante Modernisierungsvorhaben B61-12 sieht vor, dass die neue Version B61-12 die Modelle B61-3, B61-4 und B61-7 ablösen soll. Zusätzlich soll die B61–10 in das Modernisierungsvorhaben einbezogen werden. Noch ist nicht entschieden, wie groß die Abweichungen (deviations) der künftigen B61-12 von den bisherigen Modellen sein werden. Geplant ist, Pits der B61 und „canned subassemblies“ des Modells B61-4 als Basis für die Entwicklung der B61-12 zu nutzen. Es bleibt abzuwarten, in welchem Umfang die einzelnen Modelle jeweils umgebaut werden müssen bzw. wie hoch der Anteil der verbleibenden „carry-over“-Bauelemente sein wird.
3.1. Der Lebenszyklus einer Nuklearwaffe
Der Lebenszyklus nuklearer Waffen der USA folgt seit vielen Jahrzehnten einer Unterteilung in sieben Phasen. Diese beschreibt das folgende Schaubild:
[ 28 ]
Wird eine neue Waffe entwickelt und gebaut, so durchläuft sie von den ersten Studienarbeiten bis zu ihrer Außerdienststellung und Delaborierung die Phasen 1-7. Die Phase 6 umfasst dabei jene Zeit, in der die Waffe bei den Streitkräften im Einsatz ist, regelmäßig gewartet und bei Bedarf „im Felde“[ 29 ] oder in einer Nuklearwaffenfabrik modernisiert wird.
Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden nicht nur Tausende alter Nuklearwaffen außer Dienst gestellt, sondern auch die meisten Entwicklungsvorhaben an neuen Atomwaffen bald eingestellt. Die Aufgabe der Nuklearwaffenlaboratorien veränderte sich deutlich: Statt immer neue Atomwaffen zu entwickeln, kümmerten sie sich nun verstärkt um Sicherheitsprobleme und die Zuverlässigkeit bereits vorhandener Atomwaffen sowie um die damit verbunden Fragen der Lebensdauerverlängerung für jene Waffen, die nicht außer Dienst gestellt werden sollten. Nachdem in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre bereits eine Reihe von Sicherheits- und Verlässlichkeitsproblemen bei den eingeführten Nuklearwaffentypen der USA diagnostiziert worden waren, ging es in den 1990er Jahren darum, diese Probleme und Fehler zu beheben. Die entsprechenden Aktivitäten wurden in der ersten Hälfte der 1990er Jahre unter Präsident Clinton im „Stockpile Stewardship Program“ zusammengefasst und sind seither eine der Hauptaufgaben des Nuklearwaffenkomplexes. Verstärkt wurde diese Umorientierung dadurch, dass zeitgleich auf internationaler Ebene über ein vollständiges vertragliches Verbot des Testens nuklearer Waffen (den CTBT) verhandelt wurde. Dieses Verbot stellte Politik und Entwickler vor die Wahl, neue Waffen künftig entweder auf Basis des nuklearen Designs erprobter älterer Waffen zu bauen oder aber ein neues Design zu verwenden, dessen Funktionalität man zwar möglicherweise per Computer simulieren, aber nicht mehr „live“ testen konnte. Aus politischen und technischen Gründen wurde die erste Möglichkeit gewählt. Damit rückten Programme zur Lebensdauerverlängerung (Life Extension Program - LEP) bestehender noch relativ junger Nuklearsprengköpfe in das Zentrum der Arbeit der Nuklearwaffenentwickler.
Die Phase 6 (Nutzung) wurde erneut in Phasen untergliedert, die denen des Lebenszyklus einer neuen Waffe stark ähneln. Dies wird als „Phase 6.X process“ bezeichnet. Je nach Umfang der Veränderungen an einer Waffe, die mit einem 6.X Prozess realisiert wird, kann deren Ergebnis eine Abänderung der Waffe (Alteration), ein Lebensdauerverlängerungsprogramm (LEP) für eine bestehende Version oder sogar das Entstehen einer neue Modifikation sein.
Kleinere Änderungen („Alterations“, ALT) werden vergleichsweise häufig vorgenommen. Sie können den Austausch von Baugruppen beinhalten oder Veränderungen an Baugruppen darstellen, die die Waffe z.B. an modernere Sicherheitsstandards anpassen. So wurde beispielsweise bei den taktisch-nuklearen Bomben mit der ALT335 zwischen 1998 und 2003 ein Signalgeber eingebaut, der es erlaubt, die Flugbahn der Bombe mit der geplanten zu vergleichen und Abweichungen festzustellen. Erweist sich die Abweichung als zu groß, kann der Zündvorgang der Bombe unterbrochen werden. Mit der ALT 339 wurde im gleichen Zeitraum ein System eingebaut, dass eine digitale, verschlüsselte Übermittlung des PAL-Codes erlaubt und somit die positive Kontrolle über den Einsatz der Waffe verbessert. Das zyklische Schaubild[ 30 ] deutet darüber hinaus an, dass ein und derselbe Waffentyp den 6.X-Prozess auch mehrfach durchlaufen kann.
Ein Bericht des Bundesrechnungshofes der USA erläutert die Aufgaben der einzelnen Phasen des 6.X-Prozesses genauer:
Einen solchen „Phase 6.X process“ durchlaufen zur Zeit die Modifikationen 3, 4, 7 und 10 der B61-Bombe, weil sie auch künftig genutzt werden sollen. Die Phase 6.1 ergab, dass diese Modifikationen modernisiert und durch einen einzigen Nachfolger ersetzt werden können.[ 32 ] Bis 2011 durchlief das Vorhaben die Phasen 6.2 und 6.2A, also der Machbarkeitsstudien. Die Auslegung der Waffe, mögliche Design-Optionen und die technischen Parameter der künftigen Waffe wurden im Rahmen dieser Studien untersucht und die dafür erforderlichen Entwicklungsarbeiten definiert. Zudem wurden die Kosten unterschiedlicher Optionen abgeschätzt. Ende 2011 lagen die Studien dem Nuclear Weapons Council (NWC) vor.
Die Atomwaffenlaboratorien Sandia, Los Alamos und Livermore zeichnen für die Planung und Durchführung der Arbeiten der einzelnen Phasen verantwortlich. Sie müssen sich nach jeder Phase eine politische Autorisierung für die darauffolgende Phase holen. Diese erteilt (in der Regel) das NWC, dem die Laboratorien insbesondere in den frühen Programmphasen oft mehrere Optionen vorlegen müssen, die sich hinsichtlich der technischen Lösungen, des Projektumfangs und der Kosten unterscheiden. Sind von den Modernisierungsplanungen eines bestimmten Nuklearwaffenmodells auch dessen nukleare Komponenten betroffen, so muss zusätzlich der U.S.-Präsident seine Einwilligung geben. Natürlich muss der Kongress die erforderlichen Haushaltsmittel bewilligen.
Der Übergang von Phase 6.2/6.2A zu Phase 6.3. war in der Vergangenheit des häufigeren die entscheidende Hürde, an der geplante Entwicklungsvorhaben gescheitert sind. Er markiert zugleich den Übergang von relativ kostengünstigen Papierstudien, die zwar bereits etliche Millionen kosten, zu deutlich teureren technischen Entwicklungsarbeiten, für die etliche Hundert Millionen Dollar pro Jahr aufgewendet werden müssen. In Phase 6.3 wird mit praktischen Versuchen überprüft, ob die angedachten Entwicklungsmaßnahmen praktikabel und durchführbar sind, ob und wie sie umgesetzt werden können und ob sie zu den gewünschten Ergebnissen führen würden. Am Ende der Phase 6.3. kann die Feststellung stehen, das Geplante sei mit Erfolg durchführbar, es kann aber auch die Notwendigkeit einer erneuten Überarbeitung der Auslegung der Waffe oder ein Abbruch des Entwicklungsvorhaben erfolgen. Mit der Phase 6.4. beginnen die produktionsvorbereitenden Entwicklungsschritte. In Phase 6.5 werden eine oder mehrere Waffen testweise zusammengebaut. Danach folgt die Serienproduktion in Phase 6.6. Fertige Waffen kehren in den aktiven Dienst und damit in die Nutzungsphase 6 zurück.
Das Entwicklungsvorhaben B61-12 befindet sich also derzeit vor einer entscheidenden Weichenstellung: Das NWC hat Ende 2011 die von der NNSA erhoffte Entscheidung zum Einstieg in die Phase 6.3. gefällt. Nun bedarf es der Freigabe der notwendigen Mittel durch den Kongress. Werden diese nicht bereitgestellt, könnte das Vorhaben scheitern.
3.2. Die Akteure des Prozesses
Das Management des US-Nukleararsenals und damit auch der Entwicklung neuer oder modernisierter Atomwaffen ist ein komplexer Prozess. An ihm wirken viele Akteure mit. An deren Spitze stehen natürlich einerseits der Präsident und andererseits der Kongress. Der Präsident trifft die letzten Entscheidungen auf Administrationsseite, insbesondere dann, wenn nukleare Komponenten involviert sind. Der Kongress muss die finanziellen Mittel bewilligen.
Das Nuclear Weapons Council (NWC) ist das entscheidende interministerielle Beratungs- und Abstimmungsgremium der Administration. Es legt zum Beispiel fest, ob ein bestimmter Nuklearwaffentyp bzgl. seiner Modernisierungsmöglichkeiten untersucht werden soll oder wählt aus den seitens der Laboratorien vorgeschlagenen technischen Lösungsmöglichkeiten das künftige Design der Waffe aus. Das NWC setzt sich aus den zuständigen Staatssekretären des Verteidigungsministeriums und des Energieministeriums und Vertretern des U.S.-Militärs zusammen[ 33 ], bringt also die Zuständigen für die nuklearen Materialen und die nukleare Waffentechnik mit den späteren Nutzern der Waffe aus dem Militär zusammen.
Das Energieministerium hat die Zuständigkeit für die nuklearen Waffenmaterialien sowie für Entwicklung, Bau, Wartung und technische Sicherheit der U.S.-Nuklearwaffen. Dort befasst sich seit 2000 eine eigenständige, semiautonome Behörde, die National Nuclear Security Administration mit diesen Aufgaben. Sie wird von einem Beamten im Rang eines Stellvertretenden Ministers (Undersecretary) geleitet.
Dem Verteidigungsministerium obliegt dagegen die Zuständigkeit für Entwicklung und den Bau der nuklearen Trägersysteme, die Integration der Nuklearwaffen in die Trägersysteme sowie für den Schutz, die Einsatzplanung und den Einsatz der aktiven nuklearen Waffen. Das Militär kann eigene Vorschläge machen, welche Waffen entwickelt oder modernisiert werden sollten. Im Nuclear Weapons Council müssen alle Beteiligten ihre Interessen jedoch harmonisieren und in Einklang bringen.
Am B61-Projekt beteiligt sind die NNSA mit ihrem Office of Defense Programs, das Verteidigungsministerium und von Seiten der Streitkräfte das Strategic Command (STRATCOM), das Air Force Global Strike Command (AFGSSC) sowie – weil ein Teil dieser Waffen in Europa stationiert ist - das European Command (EUCOM) als zuständiges regionales Combatant Command in Stuttgart-Vaihingen. Involviert sind zudem die politische NATO-Zentrale in Brüssel mit ihrem Nuclear Policy Directorate sowie das Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE) in Mons, dessen Oberbefehlshaber zugleich Kommandeur des EUCOM ist.
Die praktische Durchführung der Entwicklung der B-61-12 obliegt den Sandia National Laboratories (SNL) in Albuquerque (New Mexico). Sandia hat die Zuständigkeit für das Design der nicht-nuklearen Komponenten und die Konzeption der gesamten Waffe. Veränderungen und die künftige Nutzung der nuklearen Komponenten werden vom Los Alamos National Laboratory (LANL) geplant und durch das Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) überprüft. Der Bau neuer oder die Überarbeitung vorhandener „Secondaries“ würde durch die Y-12 Plant in Oak Ridge durchgeführt. Die konventionellen Komponenten sollen u. a. von der Kansas City Plant (KCP) produziert werden.[ 34 ] Die Demontage der alten B61-Bomben und der Zusammenbau der neuen B61-12 würde in der Pantex Plant bei Amarillo (Texas) erfolgen.
Für die technische Planung, Steuerung und Lebensdauerbegleitung der B61 gibt es die B61 Project Officers Group (POG). Sie besteht aus Vertretern des Department of Defense (DOD), der Luftwaffe und der National Nuclear Security Administration (NNSA). Diese Gruppe hat weitere Untergruppen, z.B. eine B61 Life Extension Group.
Das geplante Lebensdauerverlängerungsprogramm B61-12 dient nicht nur der Entwicklung einer (neuen) Nuklearwaffe, sondern auch der Legitimierung, Aufrechterhaltung und Modernisierung des nuklear-industriellen Komplexes und der Ausbildung einer qualifizierten Mitarbeiterschaft. Das Wissen und die Erfahrung, wie man Nuklearwaffen entwickelt und baut, soll 20 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges an eine neue Generation von Mitarbeitern weitergegeben werden. Auch darin sieht die NNSA einen wesentlichen Grund dafür, dass es sinnvoll ist, ein möglichst umfassendes Modernisierungsvorhaben für die B61 zu planen. Wiederholt hat das Energieministerium deshalb deutlich gemacht, dass es für dieses und andere LEPs
Parallel zum B61-LEP-Programm sollen also auch vorhandene Entwicklungs- und Testlabors reaktiviert bzw. modernisiert werden.[ 35 ] Das Los Alamos National Laboratory machte im Blick auf das Personalmanagement deutlich:
“In an LEP, hundreds of scientists, engineers, and technical personnel from across the complex contribute to a combined development, testing, and manufacturing project designed to best improve the safety, security, efficiency, and lifetime of a current nuclear weapon system. This process allows an entire generation at several laboratories and production plants to acquire the skills, knowledge, and expertise required to provide the nuclear deterrent of the future without creating a new nuclear weapon.”[ 36 ]
Über den technischen Entwicklungsprozess berichten Dan Borovina und Michael Port vom LANL:
“During the program, each nuclear and non-nuclear component is assessed individually and within its functional subsystem, and a decision is made whether to reuse, rebuild, or redesign the part. For example, if the component is too old and cannot be recertified for another 30-year life period, then it can be rebuilt as designed or completely redesigned within the constraints of the system and program. A component rebuild or redesign does not mean a new weapon design; it addresses only those components that cannot be reused and must be replaced. When an opportunity arises to upgrade a critical component to improve safety or security of the weapon, this program taps the new technology and experience from the past 30 years. (…)
During the LEP process, regardless of how much change the component undergoes, if any, the steps include product development and engineering; component-, subsystem-, and system-level testing; certification and qualification; system integration; and Weapons Reserve manufacturing.
As the LEP evolves, the benefit in terms of education for the workforce evolves with it, involving personnel from quality, reliability, project development, purchasing and acquisition, facilities, safety, manufacturing, and management and leadership, as well as multiple cross-discipline technical teams.”[ 37 ]
Die Durchführung möglichst umfassender Lebensdauerverlängerungsmaßnahmen oder gar die Entwicklung neuer Waffen erfolgen also nicht nur aufgrund militärischer Anforderungen, sondern auch, weil der nuklearindustrielle Komplex ein Modernisierungs-, Selbsterhaltungs- und damit ein Eigeninteresse verfolgt. Sie haben also eine Doppelfunktion: Militärische Kapazitäten zu verbessern, aber auch industrielle Fähigkeiten weiter zu entwickeln und an eine neue Generation von Technikern und Wissenschaftlern weiter zu geben, damit diese auch in den kommenden Jahrzehnten in der Lage sind, moderne oder neue Nuklearwaffen zu entwickeln und zu bauen. Beiden Interessen ist gemeinsam, dass sie auf möglichst große, umfassende und technisch herausfordernde Modernisierungsprogramme zielen, die der Entwicklung und dem Bau völlig neuer Nuklearwaffen möglichst nahe kommen.
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[ 1 ] Gorbatschow wurde erst 1988 auch Staatspräsident der UdSSR.
[ 2 ] Großbritannien und Frankreich sind europäische Nuklearwaffenstaaten und nicht Gegenstand dieser Studie. Großbritannien hat seine taktischen Nuklearwaffen aufgegeben und die Zahl seiner strategischen Nuklearwaffen deutlich auf weniger als 200 reduziert. Frankreich reduzierte die Zahl seiner strategischen und seiner substrategischen Atomwaffen ebenfalls deutlich auf weniger als 400 Waffen.
[ 3 ] Der Sicherheitsberater in Angela Merkels Kanzleramt, Christoph Heusgen, gab den USA bereits im November 2009 das Signal, dass das Kanzleramt nicht hinter dem Vorstoß stehe. Im Koalitionsvertrag stehe dies nur, weil Außenminister Westerwelle und die FDP es erzwungen hätten. In einem von Wikileaks veröffentlichten Kabel vom 12.11.2009 (09BERLIN1433) heißt es: “HEUSGEN distanced the Chancellery from the proposal, claiming that this had been forced upon them by FM Westerwelle. HEUSGEN said that from his perspective, it made no sense to unilaterally withdraw "the 20" tactical nuclear weapons still in Germany while Russia maintains "thousands" of them. It would only be worth it if both sides drew down.” Zugleich signalisierte Heusgen damit, das die Bundesregierung eine Kopplung des Abzug an Zugeständnisse Russlands bei taktischen Nuklearwaffen mittragen werde. Vgl.: http://213.251.145.96/cable/2009/11/09BERLIN1433.html [Alle Internetquellen in diesem Beitrag wurden zuletzt in der ersten Juli-Woche 2012 abgerufen. Die Download-Daten im Archiv der Autoren können abweichen.]
[ 4 ] Department of Defense: Fact Sheet – Increasing Transparency in the U.S. Nuclear Weapons Stockpile, Washington DC, 3.Mai 2010. Das Gesamtpotential dürfte 2012 etwa 5.000 Waffen umfassen, da weitere Waffen, wie z.B. seegestützte Marschflugkörper, seit 2009 außer Dienst gestellt und aus dem Bestand herausgenommen wurden. Vgl. Kristensen, Hans / Norris, Robert S.: US Nuclear Forces 2012, in: Bulletin of Atomic Scientists, Mai/Juni 2012, S.84-91. Neuere offizielle Zahlen wurden nicht veröffentlicht.
[ 5 ] Kristensen, Hans M. / Norris, Robert S.: U.S. Nuclear Forces, 2011, in: Bulletin of the Atomic Scientists, März/April 2011, S.66-67
[ 6 ] Das aktive Nuklearwaffenpotential der USA besteht heute aus den Sprengköpfen W87 und W78 für landgestützte Interkontinentalraketen, W76 und W88 für seegestützte Langstreckenraketen, den Bomben B83, B61-7 und B61-11 für strategische Bomber und dem W80-1 Sprengkopf für bombergestützte Marschflugkörper, also sieben unterschiedlichen Sprengkopftypen. Als taktische oder substrategische Nuklearwaffen existieren im aktiven Bestand zwei weitere Versionen der B61-Bombe, die Modelle B61-3 und B61-4. Deaktiviert werden zudem zwei weitere substrategische Varianten gelagert, die B61-10 und der Sprengkopf W80-0, der seegestützte Marschflugkörper bestückte.
[ 7 ] Vgl. Kristensen, Hans M. / Norris, Robert S.: U.S. Nuclear Forces, 2011, in: Bulletin of the Atomic Scientists, März/April 2011, S.66-67
[ 8 ] Wahlweise werden für diese Waffen die Beschreibungen taktisch, substrategisch oder nicht-strategisch mit leicht unterschiedlicher Konnotation benutzt. Gemeinsam ist ihnen, dass Waffe und Trägersystem zusammen keine interkontinentalen Reichweiten von 5.500 km und mehr erreichen. Die nach dem Kalten Krieg eingeführte Bezeichnung „sub-strategisch“ soll deren Beitrag zur nuklearen Abschreckung betonen, die Bezeichnung „taktisch“ betont stärker deren militärische Rolle in der regionalen Kriegführung und die Bezeichnung „nicht-strategisch“ bemüht sich um eine konnotationsfreie Unterscheidung zu den strategischen Nuklearwaffen.
[ 9 ] Die kleinste Sprengkraft der nicht-strategischen Versionen liegt bei 0,3 KT, also in der Größenordnung einer Mini-Nuke; die größte bei einem Vielfachen der in Hiroshima eingesetzten Waffe (170KT) und damit im Bereich der Sprengkraft strategischer Waffen. Auch die Sprengkraft der strategische B61-7 und des Earth Penetrators B61-11 kann variiert werden. Aus dem aktiven Dienst herausgenommen wurden inzwischen folgende Waffen variabler Sprengkraft: W80-0 (für TLAM), W80-1 (für ACM), W84 (für GLCM) und W85 (für Pershing II). Alle waren aus der B61 abgeleitet, W84 und W85 aus B61 Mod 3 und 4. Der Sprengkopf W80-1 wird noch für einige Hundert ALCM genutzt und hat ebenfalls eine variable Sprengkraft.
[ 10 ] N.N.: Launching the B61 Life Extension Program, Sandia Lab News, 23.März.2011, S.6
[ 11 ] Department of Defense: Nuclear Posture Review, Washington DC, April 2010, S.XIV
[ 12 ] FUFO = Full Fuzing Option. Umgangssprachlich wurde diese als “Dial a yield”-Waffe bezeichnet, sollte also eine wählbare Sprengkraft haben.
[ 13 ] Hansen, Chuck: The Swords of Armageddon, 1995, S. VI-407ff;
[ 14 ] Das Design der B61 wurde auch unter anderen Bezeichnungen weiterentwickelt. Die Marschflugkörpersprengköpfe W80 und W80-1 (für SLCM, ALCM und ACM) und W84 (für GLCM) wurden ebenso aus der B61 abgeleitet wie der W85-Sprengkopf der Pershing-II-Raketen.
[ 15 ] Office of the Assistant Secretary of Defense for Nuclear, Chemical, and Biological Defense Programs: The Nuclear Matters Handbook – Expanded Version, Washington DC, 2011, S. 30
[ 16 ] In der Vergangenheit konnte die Waffen auch mit Bombern der Typen B-1 und B52 eingesetzt werden; erstere haben keine nukleare Rolle mehr, letztere sollen künftig nur noch atomare Marschflugkörper tragen.
[ 17 ] Bei einem laydown-Abwurf erfolgt die Detonation erst mit zeitlicher Verzögerung nach dem Aufprall auf den Erdboden. Die Zeitverzögerung beträgt wahlweise 31 oder 81 Sekunden.
[ 18 ] Die B61-Modelle verwenden einen Rundschirm aus Nylon und Kevlar mit einem Durchmesser von 7,31 m. Dieser bremst die Bombe innerhalb von 2 Sekunden von Überschallgeschwindigkeit auf eine Geschwindigkeit von 56 km/h ab. Der Fallschirm hat ein Eigengewicht von 52,2 kg. Vgl.: Sublette, Carey: The B61 (Mk-61) Bomb – Intermediate yield strategic and tactical thermonuclear bomb, USA, 9. Januar 2007, o. S.
[ 19 ] Die „Aircraft safe escape time“ bei Einsatz der B61-Bomben beträgt z. Zt. 69 Sekunden.
[ 20 ] Sublette, Carey: The B61 (Mk-61) Bomb – Intermediate yield strategic and tactical thermonuclear bomb, USA, 9. Januar 2007, o. S.
[ 21 ] Hansen, Chuck: The Swords of Armageddon, Vol. VI, 1995, S. VI-422
[ 22 ] ebd. S.VI-408f
[ 23 ] Als Beispiele seien unterschiedlich hoch entwickelte PAL-Systeme und mindestens zwei verschiedene canned sub-assemblies genannt. Bei älteren Versionen kam zudem hochexplosiver Sprengstoff (HE-high explosive) zum Einsatz, der später durch IHE (insensitive high explosive) ersetzt wurde.
[ 24 ] Dabei war die politische Vorgabe, bei Einführung der PAL-Systeme vorrangig jene Atomwaffen damit auszustatten, die auch außerhalb der USA stationiert wurden.
[ 25 ] Unfälle Anfang der sechziger Jahre und insbesondere die späteren Atomwaffenunfälle in Thule und Palomares hatten der U.S.-Regierung die Dringlichkeit besserer Sicherungsmaßnahmen verdeutlicht. Gegen Ende des Kalten Krieges entdeckten die USA zudem, dass es tatsächlich, wie von Kritikern schon länger vermutet, selbst bei Transportunfällen mit Waffen in Containern zu einer Freisetzung und Verteilung von Plutonium kommen konnte, wenn die HE-Zünder explodierten. Die Folge war, dass solche Waffen möglichst nur noch zu Lande transportiert wurden und vorrangig ausgesondert werden sollten bzw. nach dem Ende des Kalten Krieges schnell außer Dienst gestellt wurden, wie z.B. die nuklearen Artilleriegranaten des Kalibers 155mm. Sie waren zu klein für eine Umrüstung auf IHE. Vgl.: Department of Defense / Department of Energy: Nuclear Weapons Surety, Annual Report to The President 1989, Washington DC, 1990, UNCLASSIFIED formerly SECRET und: Department of Defense / Department of Energy: Nuclear Weapons Surety, Annual Report to The President 1988, Washington DC, September 1989, UNCLASSIFIED formerly SECRET.
[ 26 ] Polmar, Norman / Norris, Robert S.: The U.S. Nuclear Arsenal, Annapolis, 2009, S.66-69. Die Marschflugkörpersprengköpfe W80 und W80-1 (für SLCM, ALCM und ACM) sind ebenfalls aus einer unbekannten Version der B61 abgeleitet.
[ 27 ] Norris, Robert S. / Kristensen, Hans M.: The B61 family of bombs, in: Bulletin of Atomic Scientists, , Januar/Februar 2003, S. 75f
[ 28 ] PAS steht für Protective Aircraft Shelter
[ 29 ] Department of Defense: The Nuclear Matters Handbook, Expanded Edition, 2011, Washington DC, 2011, S.181 ff.
[ 30 ] B61-Bomben müssen nicht für jede Wartungs- oder Modernisierungsarbeit zurück in die Nuklearwaffenfabriken. Viele Arbeiten können von speziell geschultem Personal auch vor Ort, bei den militärischen Einheiten durchgeführt werden. Für den Austausch von Komponenten begrenzter Lebensdauer (LLCs, limited life components) oder kleinere Änderungsarbeiten können B61-Bomben in speziell ausgerüsteten Werkstatt-LKWs zerlegt, umgebaut und wieder zusammengesetzt werden.
[ 31 ] ebd.
[ 32 ] United States Government Accountability Office: Nuclear Weapons – DOD and NNSA Need to Better Manage Scope of Future Refurbishments and Risks to Maintaining U.S. Commitments to NATO, GAO-11-387, Washington DC, Mai 2011, S. 8
[ 33 ] Von der B-61-11, einer „Bunkerknacker“-Variante der B61-7, wurden nur relativ wenige Exemplare gebaut, denen zudem eine eingeschränkte Nutzbarkeit und Funktionalität nachgesagt wird.
[ 34 ] “The Nuclear Weapons Council membership includes the Under Secretary of Defense for Acquisition, Technology and Logistics (chair), the Under Secretary of Defense for Policy, the Vice Chairman of the Joint Chiefs of Staff, the Commander of U.S. Strategic Command, and the Under Secretary for Nuclear Security of the Department of Energy (dual-hatted as the Administrator of the National Nuclear Security Administration).” Siehe: United States Government Accountability Office: Nuclear Weapons – DOD and NNSA Need to Better Manage Scope of Future Refurbishments and Risks to Maintaining U.S. Commitments to NATO, GAO-11-387, Washington DC, Mai 2011, S. 7
[ 35 ] Die Kansas City Plant wird von Center Point Zimmer (CPZ) mit Sitz in Chicago betrieben. Die Fabrik stellt rund 85 Prozent der nicht-nuklearen Komponenten der US-Atomwaffen her. Allerdings wurde sie bereits 1943 in Dienst gestellt und muss.dringend saniert werden. Dieses Vorhaben soll – mit einjähriger Verspätung – 2013/2014 durchgeführt werden. Von der rechtzeitigen Umsetzung der Modernisierung hängt die Einhaltung des Zeitplanes für die Produktion der neuen B61-12 mit ab.
[ 36 ] National Nuclear Security Administration: FY 2011 - Biennial Plan and Budget Assessment on the Modernization and Refurbishment of the Nuclear Security Complex – Annex D, Washington DC, Mai 2010, S. 18. Das Dokument erwähnt für das SNL beispielsweise folgende Testeinrichtungen: MESA Micro FAB, Sled Track Complex, Mechanical shock and vibration facility, Large-scale centrifuge und Area I Aero-sciences wind tunnel facility.
[ 37 ] Borovina,DanL./Port,Michael:21stCenturyDeterrence – B61LifeExtensionProgram,NationalSecurityScience,Nr.2/2011,LosAlamos,2011,S. 6-9
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