BITS Stichwort
März 2005


Atomwaffensperrvertrag - Oder: der nukleare Nichtverbreitungsvertrag (NVV)

von Otfried Nassauer

Der nukleare Nichtverbreitungsvertrag (NVV - englisch: Non-Proliferation Treaty, NPT) ist der bedeutendste Vertrag zur Verhinderung der Weiterverbreitung nuklearer Waffen. Ihm sind seit Beginn der Unterzeichnungsmöglichkeit am 1. Juli 1968 bzw. dem Inkrafttreten im Jahr 1970 fast alle Staaten der Erde beigetreten – 188 Länder.

In seinen ersten beiden Artikeln verpflichten sich die Mitgliedstaaten, die Atomwaffen besitzen, diese nicht weiterzugeben und anderen Staaten auch nicht dabei zu helfen, Nuklearwaffen zu entwickeln, zu erwerben oder ihnen Verfügung darüber zu geben. Die nicht-nuklearen Mitglieder verpflichten sich im Gegenzug, keinen Versuch zu unternehmen, Atomwaffen zu entwickeln, zu erwerben oder die Verfügung darüber zu erlangen. Artikel IV sieht vor, dass die Staaten, die über Nukleartechnik verfügen, diese zur zivilen Nutzung auch anderen Staaten zur Verfügung stellen. Artikel VI verpflichtet die Nuklearwaffenstaaten, ihre Atomwaffen wieder abzurüsten, ohne dafür jedoch einen Zeitrahmen vorzugeben. Nuklearwaffenstaat im Sinne des Vertrages können nur die Länder sein, die bis zum 1. Januar 1967 einen Atomwaffentest durchgeführt haben, also Frankreich, Großbritannien, Rußland, die USA und die Volksrepublik China.

Nicht beigetreten sind dem Vertrag Israel, Indien und Pakistan. Alle drei Länder besitzen heute nukleare Waffen, haben sie aber bis 1967 nicht getestet. Sie könnten dem Vertrag nur dann beitreten, wenn sie ihre Atomwaffen zuvor wieder abschaffen würden. Diesen Weg gingen Südafrika und – nach dem Zerfall der Sowjetunion – Weißrußland, die Ukraine und Kasachstan. Nordkorea trat dem NVV in den achtziger Jahren bei, nutzte aber 2003 die im Vertrag vorgesehene Möglichkeit, ihn wieder zu verlassen. Heute behauptet Nordkorea, über Atomwaffen zu verfügen.

Die Gültigkeit des NVV war ursprünglich auf 25 Jahre begrenzt, weil er völkerrechtlich betrachtet ein Unikum darstellt: Er teilt die gleichberechtigten Nationalstaaten der Erde in zwei Gruppen – jene die Atomwaffen legalerweise besitzen dürfen und diejenigen, denen das nicht erlaubt ist. Während der regelmäßig alle fünf Jahre stattfindenden Überprüfungskonferenz des Vertrages musste deshalb 1995 entschieden werden, wie es mit dem NVV weitergehen solle. Unter Vorsitz von Jayantha Dhanapala (Sri Lanka) wurde der Vertrag bedingungslos auf unbegrenzte Zeit verlängert. Dies gelang mit einem diplomatischen Trick. Gefragt wurde, ob Mitgliedstaaten gegen eine solche Verlängerung ihr Veto einlegen würden. Als dies nicht der Fall war, wurde auf eine Abstimmung verzichtet. Die unbegrenzte Verlängerung galt als beschlossen. Zuvor hatten die Nuklearwaffenstaaten noch einmal das Ziel bekräftigt, nuklear abrüsten zu wollen und einem Dokument zugestimmt, in dem Prinzipien und Ziele der künftigen nuklearen Nichtverbreitungs- und Rüstungskontrollpolitik festgehalten wurden. Sie verpflichteten sich erneut politisch verbindlich, sich das Recht Nuklearwaffen einzusetzen nur gegen die nicht-nuklearen Staaten vorzubehalten, die im Bündnis mit einer Atommacht einen Nuklearstaat, dessen Truppen oder Verbündete angreifen. Diese Garantie ist als "Negative Sicherheitsgarantie" bekannt.

Bei der Überprüfungskonferenz 2000 wurde erneut Kritik an der mangelnden Abrüstungsbereitschaft der Nuklearwaffenstaaten deutlich. Erstmals machte zudem die Mehrheit der Vertragsmitglieder, die in der Bewegung der Nicht-Paktgebundenen zusammenarbeitet, deutlich, daß sie die in der NATO praktizierte nukleare Teilhabe für einen Vertragsverstoß hält. Die Nuklearmächte erklärten sich in einem Aktionsplan mit 13 Punkten zu weiterer Abrüstung bereit, darunter zu einem "uneingeschränkten Bemühen (....) die völlige Eliminierung ihrer nuklearen Arsenale, die zur nuklearen Abrüstung führen soll".

Die nächste Überprüfungskonferenz steht im Mai 2005 an und wird durch drei Ausschuß-Sitzungen vorbereitet. Erwartet wird eine Kontroverse darüber, ob erneut die Abrüstungsunwilligkeit der Nuklearwaffenstaaten oder das Bemühen einiger nicht-nuklearer Mitglieder, doch an militärisch nutzbare Nukleartechnik zu kommen, im Vordergrund stehen wird. Verdächtigt wird u.a. der Iran. Konfliktstoff bietet auch das Nuklearprogramm Israels. Es darf erwartet werden, dass vor allem die USA auf schärfere Nichtverbreitungsmaßnahmen drängen werden, während viele nichtnukleare Staaten den Schwerpunkt auf die Forderung nach verstärkten atomaren Abrüstungsbemühungen und auf Fortschritte bei dem 13-Punkte-Programm des Jahres 2000 legen werden. Unklar ist sogar, ob die Vertragsstaaten sich 2005 auf eine gemeinsame Abschlusserklärung werden einigen können.

Auch Deutschland stand dem NVV früher skeptisch gegenüber. weil es sich den Zugang zu Nuklearwaffen nicht auf alle Zeiten verbauen wollte. Daher rührt die volkstümliche Bezeichnung "Atomwaffensperrvertrag". 1974 aber ratifizierte der Bundestag den NVV.

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien überwacht die Einhaltung des Vertrages. Sie soll sowohl den Technologietransfer hinsichtlich der zivilen Nutzung der Kernenergie sicherstellen, als auch kontrollieren, daß es keine Weiterverbreitung nuklearer Waffen oder geeigneter Technologien gibt. Zu diesem Zweck hat sie Kontroll- und Inspektionsrechte, die mehrfach erweitert werden mußten. Um die Nichtverbreitung zu stärken, haben sich die Staaten, die über Nukleartechnik verfügen, im Zangger-Ausschuß bzw. in der Gruppe nuklearer Lieferländer (Nuclear Supplier Group) zusammengetan, um ihre Exportpolitik zu harmonisieren.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS