Atomwaffensperrvertrag - Oder: der nukleare Nichtverbreitungsvertrag (NVV)
von Otfried Nassauer
Der nukleare Nichtverbreitungsvertrag (NVV - englisch: Non-Proliferation Treaty, NPT)
ist der bedeutendste Vertrag zur Verhinderung der Weiterverbreitung nuklearer Waffen. Ihm
sind seit Beginn der Unterzeichnungsmöglichkeit am 1. Juli 1968 bzw. dem Inkrafttreten im
Jahr 1970 fast alle Staaten der Erde beigetreten 188 Länder.
In seinen ersten beiden Artikeln verpflichten sich die Mitgliedstaaten, die Atomwaffen
besitzen, diese nicht weiterzugeben und anderen Staaten auch nicht dabei zu helfen,
Nuklearwaffen zu entwickeln, zu erwerben oder ihnen Verfügung darüber zu geben. Die
nicht-nuklearen Mitglieder verpflichten sich im Gegenzug, keinen Versuch zu unternehmen,
Atomwaffen zu entwickeln, zu erwerben oder die Verfügung darüber zu erlangen. Artikel IV
sieht vor, dass die Staaten, die über Nukleartechnik verfügen, diese zur zivilen Nutzung
auch anderen Staaten zur Verfügung stellen. Artikel VI verpflichtet die
Nuklearwaffenstaaten, ihre Atomwaffen wieder abzurüsten, ohne dafür jedoch einen
Zeitrahmen vorzugeben. Nuklearwaffenstaat im Sinne des Vertrages können nur die Länder
sein, die bis zum 1. Januar 1967 einen Atomwaffentest durchgeführt haben, also
Frankreich, Großbritannien, Rußland, die USA und die Volksrepublik China.
Nicht beigetreten sind dem Vertrag Israel, Indien und Pakistan. Alle drei Länder
besitzen heute nukleare Waffen, haben sie aber bis 1967 nicht getestet. Sie könnten dem
Vertrag nur dann beitreten, wenn sie ihre Atomwaffen zuvor wieder abschaffen würden.
Diesen Weg gingen Südafrika und nach dem Zerfall der Sowjetunion
Weißrußland, die Ukraine und Kasachstan. Nordkorea trat dem NVV in den achtziger Jahren
bei, nutzte aber 2003 die im Vertrag vorgesehene Möglichkeit, ihn wieder zu verlassen.
Heute behauptet Nordkorea, über Atomwaffen zu verfügen.
Die Gültigkeit des NVV war ursprünglich auf 25 Jahre begrenzt, weil er
völkerrechtlich betrachtet ein Unikum darstellt: Er teilt die gleichberechtigten
Nationalstaaten der Erde in zwei Gruppen jene die Atomwaffen legalerweise besitzen
dürfen und diejenigen, denen das nicht erlaubt ist. Während der regelmäßig alle fünf
Jahre stattfindenden Überprüfungskonferenz des Vertrages musste deshalb 1995 entschieden
werden, wie es mit dem NVV weitergehen solle. Unter Vorsitz von Jayantha Dhanapala (Sri
Lanka) wurde der Vertrag bedingungslos auf unbegrenzte Zeit verlängert. Dies gelang mit
einem diplomatischen Trick. Gefragt wurde, ob Mitgliedstaaten gegen eine solche
Verlängerung ihr Veto einlegen würden. Als dies nicht der Fall war, wurde auf eine
Abstimmung verzichtet. Die unbegrenzte Verlängerung galt als beschlossen. Zuvor hatten
die Nuklearwaffenstaaten noch einmal das Ziel bekräftigt, nuklear abrüsten zu wollen und
einem Dokument zugestimmt, in dem Prinzipien und Ziele der künftigen nuklearen
Nichtverbreitungs- und Rüstungskontrollpolitik festgehalten wurden. Sie verpflichteten
sich erneut politisch verbindlich, sich das Recht Nuklearwaffen einzusetzen nur gegen die
nicht-nuklearen Staaten vorzubehalten, die im Bündnis mit einer Atommacht einen
Nuklearstaat, dessen Truppen oder Verbündete angreifen. Diese Garantie ist als
"Negative Sicherheitsgarantie" bekannt.
Bei der Überprüfungskonferenz 2000 wurde erneut Kritik an der mangelnden
Abrüstungsbereitschaft der Nuklearwaffenstaaten deutlich. Erstmals machte zudem die
Mehrheit der Vertragsmitglieder, die in der Bewegung der Nicht-Paktgebundenen
zusammenarbeitet, deutlich, daß sie die in der NATO praktizierte nukleare Teilhabe für
einen Vertragsverstoß hält. Die Nuklearmächte erklärten sich in einem Aktionsplan mit
13 Punkten zu weiterer Abrüstung bereit, darunter zu einem "uneingeschränkten
Bemühen (....) die völlige Eliminierung ihrer nuklearen Arsenale, die zur nuklearen
Abrüstung führen soll".
Die nächste Überprüfungskonferenz steht im Mai 2005 an und wird durch drei
Ausschuß-Sitzungen vorbereitet. Erwartet wird eine Kontroverse darüber, ob erneut die
Abrüstungsunwilligkeit der Nuklearwaffenstaaten oder das Bemühen einiger nicht-nuklearer
Mitglieder, doch an militärisch nutzbare Nukleartechnik zu kommen, im Vordergrund stehen
wird. Verdächtigt wird u.a. der Iran. Konfliktstoff bietet auch das Nuklearprogramm
Israels. Es darf erwartet werden, dass vor allem die USA auf schärfere
Nichtverbreitungsmaßnahmen drängen werden, während viele nichtnukleare Staaten den
Schwerpunkt auf die Forderung nach verstärkten atomaren Abrüstungsbemühungen und auf
Fortschritte bei dem 13-Punkte-Programm des Jahres 2000 legen werden. Unklar ist sogar, ob
die Vertragsstaaten sich 2005 auf eine gemeinsame Abschlusserklärung werden einigen
können.
Auch Deutschland stand dem NVV früher skeptisch gegenüber. weil es sich den Zugang zu
Nuklearwaffen nicht auf alle Zeiten verbauen wollte. Daher rührt die volkstümliche
Bezeichnung "Atomwaffensperrvertrag". 1974 aber ratifizierte der Bundestag den
NVV.
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien überwacht die Einhaltung des
Vertrages. Sie soll sowohl den Technologietransfer hinsichtlich der zivilen Nutzung der
Kernenergie sicherstellen, als auch kontrollieren, daß es keine Weiterverbreitung
nuklearer Waffen oder geeigneter Technologien gibt. Zu diesem Zweck hat sie Kontroll- und
Inspektionsrechte, die mehrfach erweitert werden mußten. Um die Nichtverbreitung zu
stärken, haben sich die Staaten, die über Nukleartechnik verfügen, im Zangger-Ausschuß
bzw. in der Gruppe nuklearer Lieferländer (Nuclear Supplier Group) zusammengetan, um ihre
Exportpolitik zu harmonisieren.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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