BITS Stichwort
Aktualisierte Fassung von August 2007

Die Orginalfassung von April 2005 finden Sie hier.


Atomwaffenstandort Büchel

von Otfried Nassauer

Der Bundeswehrfliegerhorst Büchel in der Eifel beheimatet das Jagdbombergeschwader 33 der Bundesluftwaffe. Die beiden fliegenden Staffeln des Geschwaders sind seit den achtziger Jahren mit dem zweisitzigen Jagdbomber Tornado IDS ausgerüstet und werden im Kriegsfall zum Luftangriff eingesetzt. Der besonders für Einsätze im Tiefflug konzipierte Jagdbomber kann eine Vielzahl konventioneller Bomben und Raketen tragen, aber auch amerikanische Atomwaffen vom Typ B-61. Die nukleare Rolle unterscheidet das Geschwader in Büchel heute von den restlichen Tornado-Einheiten der Bundeswehr.

Die Besatzungen werden schon in Friedenszeiten für den Atomwaffeneinsatz ausgebildet. Die Nuklearwaffen werden von den USA bereitgestellt und auf dem Flugplatz gelagert. Sie bleiben stets unter Kontrolle der US-Luftwaffe bis der US-Präsident sie freigegeben hat.

In Büchel können theoretisch bis zu 44 solcher Waffen gelagert werden, 20 sollen sich vorort befinden. Seit die US-Nuklearwaffen auf der US-AirBase in Ramstein 2004 ausgeflogen wurden, ist Büchel der einzige Atomwaffenstandort in Deutschland.

Für die Ausbildung der Techniker und Piloten stehen spezielle Trainingswaffen vom Typ 3A und 3E zur Verfügung. In Büchel soll es noch eine Trainingswaffe vom älteren Typ 3A und 6 Waffen des moderneren, 2001 eingeführten Typs 3E geben.

Die echten Nuklearwaffen werden in geschützten unterirdischen Magazinen, sogenannten Weapons Storage Vaults (WSV, Grüften – siehe Photo) aufbewahrt, die bis Anfang der 90er Jahre in den Boden von Flugzeugschutzbauten auf ausgewählten Fliegerhorsten eingebaut wurden. Jedes dieser Magazine kann maximal vier Waffen aufnehmen und wird mit spezieller Technik fernüberwacht. Magazin und Fernüberwachungssystem zusammen werden als WS3 bezeichnet. So soll eine besonders sichere Lagerung der Nuklearwaffen gewährleistet und selbst schwerbewaffneten Terroristen der Zugang zu den Bomben für mindestens 30 Minuten verwehrt werden. Die Lagerungssysteme werden modernisiert und sollen so bis weit in das nächste Jahrzehnt auf dem Stand der Technik sein.

Für die Wartung der Nuklearwaffen stehen besondere LKWs zur Verfügung. In diesen können die Bomben durch Techniker teilweise auseinandergebaut und z.B. Komponenten begrenzter Lebenszeit ausgetauscht werden.

Für die Wartung und den Zugang zu den Atomwaffen sind an Standorten europäischer Luftwaffen-Streitkräfte jeweils deutlich über 100 US-Spezialisten zuständig. Sie tun in speziellen Einheiten Dienst, den Munition Support Squadrons. In Büchel ist dies die 702. MUNSS (bis 2004 hieß sie 852.MUNSS). Sie hat 140 Beschäftigte, darunter 2 deutsche Zivilangestellte. Vorgesetzte Dienststelle ist seit 2004 die 38.Munitions Maintenance Group in Ramstein. Einige verwaltungstechnische koordinierende Aufgaben werden nicht weit entfernt auch noch auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem wahrgenommen. Die US-Soldaten der MUNSS sind auch dafür zuständig, dass nie ein einzelner Soldat oder gar ein Europäer ohne Begleitung durch US-Soldaten Zugang zu einer Atomwaffe bekommt. Fliegerhorste, auf denen Atomwaffen stationiert sind, haben auch eine zusätzliche, größere Wachmannschaft. Bei der Bundeswehr heißt diese Luftwaffensicherungsstaffel "S" - wie Sonderwaffen. Sie gehört zur Fliegerhorstgruppe und nur Büchel hat eine solche Staffel. Deswegen ist das Geschwader auch das personalstärkste der Bundeswehr.

Die Atombomben vom Typ B-61 verfügen über moderne Sicherungssysteme und eine variable Sprengkraft. Beim Modell 3 beträgt die maximale Sprengkraft 170 Kilotonnen, beim Modell 4 45 Kilotonnen. Ersteres entspricht mehr als der 13-fachen Zerstörungskraft der Hiroshima-Bombe.

Früher wurde angenommen, dass in Europa auch B-61 des Modells 10 gelagert werden. Dieses wurde Ende der achtziger Jahre aus den nicht mehr benötigten W-85-Sprengköpfen der Mittelstreckenrakete Pershing-II entwickelt, die aufgrund des INF-Vertrages abgezogen werden konnten. Diese Waffen wurden jedoch, wie im Juli 2005 bekannt wurde, nicht mehr Teil des aktiven Nuklearwaffenpotentials der USA und deswegen auch nicht in Europa stationiert.

Wenn die Nuklearwaffen in Büchel zu Wartungszwecken in die USA geflogen werden müssen, so geschieht dies mit den C-17A-Flugzeugen der Prime Nuclear Airlift Force (PNAF). Sie gehören zur 4. Staffel des 62.Lufttransportgeschwaders, das auf der McChord AirForce Base beheimatet ist.

Die "nukleare Teilhabe" der nicht-nuklearen NATO-Staaten, in deren Rahmen die US-Atomwaffen für die deutschen Tornados in Büchel vorgehalten werden, ist politisch umstritten. Sie würde es im Kriegsfall ermöglichen, dass Piloten aus einem nicht-nuklearen Staat, der Mitglied des Nichtverbreitungs- bzw. Atomwaffensperrvertrages (NVV) ist, Atomwaffen einsetzen. Dies wird von der Mehrheit der NVV-Vertragsstaaten, den Nichtpaktgebundenen, als Vertragsverletzung betrachtet. Die NATO erachtet die Teilhabe dennoch als zulässig, da der US-Präsident jedem Einsatz dieser Waffen zustimmen müsse.

Ab 2012 soll das Jagdbombergeschwader 33 in Büchel von nuklearfähigen Tornado-Flugzeugen auf nicht- nuklearfähige Eurofighter Flugzeuge umgerüstet werden. Entscheidungen darüber, ob die Nukleare Teilhabe Deutschlands dann aufgegeben oder in anderer Weise fortgeführt werden soll, sind noch nicht gefallen.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS