Atomwaffenstandort Büchel
von Otfried Nassauer
Der Fliegerhorst Büchel in der Eifel beheimatet das Jagdbombergeschwader 33 der Bundeswehr. Die beiden fliegenden Staffeln des Geschwaders sind seit den achtziger Jahren mit dem zweisitzigen Jagdbomber Tornado IDS ausgerüstet und werden im Kriegsfall zum Luftangriff eingesetzt. Der besonders für den Tiefflug konzipierte Schwenkflügler kann eine Vielzahl konventioneller Bomben, Raketen und die Abstandswaffe „Taurus“ tragen, aber auch amerikanische Atomwaffen vom Typ B61. Die nukleare Rolle unterscheidet das Geschwader in Büchel von anderen Einheiten der Bundeswehr.
Die Besatzungen werden bereits in Friedenszeiten für den Atomwaffeneinsatz ausgebildet. Die Nuklearwaffen werden von den USA bereitgestellt und auf dem Flugplatz gelagert. Sie bleiben unter Kontrolle der US-Luftwaffe bis der US-Präsident sie freigegeben hat und ein Flugzeug mit den Waffen an Bord startet.
Die Bundeswehr hat der NATO zugesagt, in abgestufter Bereitschaft bis zu 46 Jagdbomber vom Typ Tornado für einen potentiellen Nuklearwaffeneinsatz bereitzuhalten. Die Flugzeuge wurde von den USA für solche Einsätze technisch zertifiziert.
In Büchel können theoretisch bis zu 44 atomare Waffen gelagert werden, 10 bis 20 sollen sich derzeit vorort befinden. Seit die US-Nuklearwaffen auf der US-AirBase in Ramstein 2004 ausgeflogen wurden, ist Büchel der einzige Atomwaffenstandort in Deutschland.
Für die Ausbildung der Techniker und Piloten stehen spezielle Trainingswaffen vom Typ 3A und 3E zur Verfügung. In Büchel soll es noch eine Trainingswaffe vom älteren Typ 3A und 6 Waffen des moderneren, 2001 eingeführten Typs 3E geben.
Die echten Nuklearwaffen befinden sich in geschützten unterirdischen Magazinen, sogenannten Weapons Storage Vaults (WSV, Grüften), die bis Anfang der 90er Jahre in den Boden von Flugzeugschutzbauten auf ausgewählten Fliegerhorsten eingebaut wurden. Jedes dieser Magazine kann maximal vier Waffen aufnehmen und wird mit spezieller Technik aus einem Kontrollraum fernüberwacht. Magazin und Fernüberwachungssystem zusammen werden als WS3 bezeichnet. So soll eine sichere Lagerung der Nuklearwaffen gewährleistet und selbst schwerbewaffneten Terroristen der Zugang zu den Bomben für mindestens 30 Minuten verwehrt werden. Die Lagerungssysteme wurden inzwischen modernisiert und sollen so bis gegen Ende des Jahrzehnts auf dem Stand der Technik sein.
Für die Wartung der Nuklearwaffen stehen besondere LKWs zur Verfügung. In diesen können die Bomben durch Techniker teilweise auseinandergebaut und z.B. Komponenten begrenzter Lebensdauer ausgetauscht werden.
Für die Wartung und den Zugang zu den Atomwaffen sind an entsprechenden Standorten europäischer Luftwaffen-Streitkräfte US-Spezialisten zuständig. Sie tun in den sogenannten Munition Support Squadrons Dienst. In Büchel stationiert ist die 702. MUNSS (bis 2004 hieß sie 852.MUNSS). Sie hat etwa 140 Beschäftigte, darunter 2 deutsche Zivilangestellte. Vorgesetzte Dienststelle ist seit 2004 die 38.Munitions Maintenance Group in Ramstein. Einige verwaltungstechnische, koordinierende Aufgaben werden nicht weit entfernt auch noch auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem wahrgenommen. Die US-Soldaten der MUNSS sind dafür zuständig, dass nie ein einzelner Soldat (2-Mann-Regel) oder gar ein Europäer ohne Begleitung durch US-Soldaten Zugang zu einer Atomwaffe bekommt. Weil auf dem Fliegerhorst Atomwaffen stationiert sind, gibt es in Büchel auch zusätzliche deutsche Sicherheitskräfte, die Luftwaffensicherungsstaffel "S" - wie Sonderwaffen. Sie gehört zur Fliegerhorstgruppe. Büchel ist der einzige verbliebene Standort mit einer solchen Staffel.
Die Atombomben vom Typ B61 verfügen über relativ moderne Sicherungssysteme und eine variable, also einstellbare Sprengkraft. Beim Modell 3 beträgt die maximale Sprengkraft 170 Kilotonnen, beim Modell 4 45 oder 50 Kilotonnen. Ersteres entspricht mehr als der 13-fachen Zerstörungskraft der Hiroshima-Bombe. Da die kleinste einstellbare Sprengkraft bei 0,1 Kilotonnen liegt, ist diese Waffe zugleich die einzige Nuklearwaffe im Arsenal der USA, die man als „Mini-Nuke“ bezeichnen könnte.
Früher wurde angenommen, dass in Europa auch B61 des Modells 10 gelagert werden. Dieses wurde Ende der achtziger Jahre aus den nicht mehr benötigten W-85-Sprengköpfen der Mittelstreckenrakete Pershing-II entwickelt, als diese aufgrund des INF-Vertrages abgezogen werden mussten. Diese Waffen sind jedoch, wie im Juli 2005 bekannt wurde, nicht mehr Teil des aktiven Nuklearwaffenpotentials der USA und deswegen auch nicht in Europa stationiert.
Die USA planen, ihre Bomben vom Typ B61 in den kommenden Jahren umfassend zu modernisieren. Ein neues Modell, die B61-12, soll drei oder vier heute existierende Versionen (B61-3, B61-4, B-61-7 und evtl. die B61-10) ersetzen. Es soll auf Basis des Modells B61-4 entwickelt und gebaut werden. Das Vorhaben wird als Modernisierung und Lebensdauerverlängerung (LEP – Life Extension Program) bezeichnet, ist jedoch so umfassend ausgelegt, dass auch von der Entwicklung einer weitgehend neuen Waffe mit zusätzlichen militärischen Fähigkeiten gesprochen werden kann. Sowohl die konventionellen als auch die nuklearen Komponenten der Bombe sollen modernisiert werden. Im Rahmen des Vorhabens sollen die Waffen mit modernster Sicherheitstechnik ausgestattet und „digitalisert“ werden. Sie soll zudem durch eine neue Heckpartie zu einer sehr zielgenauen Präzisionswaffe umgebaut werden und damit erweiterte Einsatzoptionen erhalten. Rund 4 Milliarden US-Dollar sind für dieses Vorhaben in den kommenden Jahren im Haushalt des Energieministeriums vorgesehen, rund 1 Milliarde Dollar im Haushalt der Luftwaffe. Bis 2017 sollen die Entwicklungsarbeiten abgeschlossen und eine erste neue Bombe fertiggestellt sein. Danach soll Serienproduktion und Stationierung beginnen. Verzögerungen und Reduzierungen des technischen Umfangs dieses Modernisierungsvorhabens sind möglich. Technische Probleme, Geldmangel, Kongressbeschlüsse oder gar eine veränderte NATO-Politik im Blick auf Nuklearwaffen könnten dazu beitragen.
Wenn die Nuklearwaffen aus Büchel zu Wartungszwecken in die USA geflogen werden müssen, geschieht dies mit den C-17A-Flugzeugen der Prime Nuclear Airlift Force (PNAF). Sie gehören zur 4. Staffel des 62.Lufttransportgeschwaders, das auf der McChord AirForce Base beheimatet ist.
Die "nukleare Teilhabe" der nicht-nuklearen NATO-Staaten, in deren Rahmen die US-Atomwaffen für die deutschen Tornados in Büchel vorgehalten werden, ist politisch umstritten. Sie würden es im Kriegsfall ermöglichen, dass Piloten aus einem nicht-nuklearen Staat, der Mitglied des Nichtverbreitungs- bzw. Atomwaffensperrvertrages (NVV) ist - also Deutschland - Atomwaffen einsetzen. Dies wird von der Mehrheit der NVV-Vertragsstaaten, den Nichtpaktgebundenen, als Vertragsverletzung betrachtet. Die NATO erachtet die nukleare Teilhabe dennoch als zulässig, da der US-Präsident jedem Einsatz dieser Waffen zustimmen müsse.
Ab 2012 sollte das Jagdbombergeschwader 33 in Büchel ursprünglich von nuklearfähigen Tornado-Flugzeugen auf nicht- nuklearfähige Eurofighter Flugzeuge umgerüstet werden. Diese Planung wurde im Rahmen der Neuausrichtung der Bundeswehr im Herbst 2011 aufgegeben. Nun soll das Geschwader weiterhin mit dem Waffensystem Tornado ausgerüstet bleiben. Damit werden auch künftig bis zu 46 Kampfflugzeuge durch die Luftwaffe für die Aufgabe „Nukleare Teilhabe“ bereitgehalten.
Die Luftwaffe will insgesamt 85 Luftfahrzeuge des Typs weiter im Dienst halten. Sie geht davon aus, dass der Tornado mindestens bis 2025 genutzt werden kann. Damit dies möglich ist, werden die Flugzeuge und ihre Komponenten immer wieder mit Millionenaufwand modernisiert.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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