Atomare Bunkerknacker
von Otfried Nassauer
Die USA wollen mit der Entwicklung einer neuen Atomwaffe beginnen. Dafür steht das
Kürzel RNEP, Robust Nuclear Earth Penetrator, zu deutsch: Robuster Nuklearer
Erd-Penetrator. Mit dieser neuen Waffe sollen tief unter der Erde verbunkerte Ziele, zum
Beispiel Stollen, die in Gebirgszüge gegraben wurden, zustört werden. Über 10.000
Bunker zählen die US-Geheimdienste mittlerweile weltweit. Dort, so die Annahme, werden
potentielle Gegner in Zukunft immer häufiger ihre Kommandozentralen, ihre
Massenvernichtungswaffen oder deren Trägersysteme verstecken und zu schützen suchen.
Zunächst sollen zwei vorhandene Atomwaffentypen, die strategische B-83-Bombe und die
Bombe B-61, darauf untersucht werden, ob man sie erfolgversprechend abwandeln kann.
Ganz einfach wird der Bau einer solchen Waffe nicht. Denn die komplizierte Zündtechnik
für den Atomsprengsatz und andere funktionswichtige Teile der Waffe müssen vollständig
intakt bleiben, während die Waffe mit hoher Geschwindigkeit auf die Erde auftrifft und
tief in Geröll, Gestein, Fels oder Beton eindringt. Es gibt erste Erfahrungen: Die
einzige Nuklearwaffe im US-Arsenal, die Bunkerknacker-Qualitäten besitzt, ist die mit
einem besonders harten äußeren Mantel umgebene Atombombe B-61-Modell 11, ein relativ
großer Nuklearsprengsatz. Tests haben ergaben, dass diese Waffe Grenzen hat: Sie
funktioniert nicht bei allen Böden. Sie muss in einem bestimmten Winkel auftreffen und
dringt nur begrenzt tief in den Untergrund ein. Mehr als sieben Meter Stahlbeton kann sie
beispielsweise nicht durchschlagen. Außerdem es ist - wegen der hohen Sprengkraft
bei einem Einsatz dieser Waffe mit sehr viel radioaktivem Fallout zu rechnen. Damit wäre
es problematisch, sie in der Umgebung bewohnter Gebiete einzusetzen.
Das soll bei dem neuen Bunkerknackern anders werden. Die neue Waffe werde speziell für
den Einsatz gegen solche Ziele entwickelt und nicht nur deutlich tiefer in die Erde
eindringen können, sondern so empfiehlt eines der wichtigsten Beratergremien des
Pentagons, das Defense Science Board in einer Version auch einen Sprengkopf tragen,
der eine besonders niedrige Sprengkraft hat. Die Berater halten es für möglich, selbst
200 Meter unter Fels liegende Bunker mit einem Sprengkopf auszuschalten, der weniger als
ein Viertel der Sprengkraft der Hiroshima-Bombe hat. Billig wird das alles nicht. Knapp
500 Mio. US-Dollar will das zuständige Energieministerium in den nächsten 5 Jahren
dafür ausgeben. An deren Ende, 2009, soll die Entwicklung eines produktionsreifen
Sprengkopfes stehen. Für 2005 machten Pentagon und Energieministerium diese Rechnung
jedoch zunächst ohne den Wirt. Der Kongress strich das Geld. 2006 will die Regierung nun
einen neuen Anlauf unternehmen.
Das Vorhaben steht in der öffentlichen Kritik. Zum einen grundsätzlich, weil die USA
mit ihm ein faktisch seit 10 Jahren geltendes Moratorium aufgeben würden, keine neuen
Atomwaffen zu entwickeln. Zum anderen, weil viele Wissenschaftler bezweifeln, dass eine
Waffe entwickelt werden kann, die leisten kann, was die RNEP leisten soll. Physiker haben
wiederholt darauf hingewiesen, dass der Entwicklung solcher Waffen quasi-naturgesetzliche
Grenzen gesetzt seien, die sich daraus ergeben, dass der Zünd- und Funktionsmechanismus
der Waffe beim Eindringen nicht beschädigt werden darf. Zudem argumentieren viele
Kritiker, dass selbst wenn diese Waffe deutlich mehr Bunkeranlagen ausschalten könnte als
bisherige Waffen, es weiterhin Bunker geben werde, die auch sie nicht zerstören kann.
Auch eine Atomexplosion fast ohne Fallout werde es nicht geben.
Sie raten, heutige konventionelle Bunkerknacker weiter zu entwickeln. Diese können
schon jetzt bis zu sieben Meter Stahlbeton durchdringen. Künftige sollen
leistungsfähiger sein. Zehn oder mehr Meter werden für möglich gehalten. Mit den in
absehbarer Zeit verfügbaren leistungsfähigeren konventionellen Sprengstoffen seien sogar
sprunghafte Leistungssteigerungen möglich.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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