BITS Stichwort
März 2005


Atomare Bunkerknacker

von Otfried Nassauer

Die USA wollen mit der Entwicklung einer neuen Atomwaffe beginnen. Dafür steht das Kürzel RNEP, Robust Nuclear Earth Penetrator, zu deutsch: Robuster Nuklearer Erd-Penetrator. Mit dieser neuen Waffe sollen tief unter der Erde verbunkerte Ziele, zum Beispiel Stollen, die in Gebirgszüge gegraben wurden, zustört werden. Über 10.000 Bunker zählen die US-Geheimdienste mittlerweile weltweit. Dort, so die Annahme, werden potentielle Gegner in Zukunft immer häufiger ihre Kommandozentralen, ihre Massenvernichtungswaffen oder deren Trägersysteme verstecken und zu schützen suchen. Zunächst sollen zwei vorhandene Atomwaffentypen, die strategische B-83-Bombe und die Bombe B-61, darauf untersucht werden, ob man sie erfolgversprechend abwandeln kann.

Ganz einfach wird der Bau einer solchen Waffe nicht. Denn die komplizierte Zündtechnik für den Atomsprengsatz und andere funktionswichtige Teile der Waffe müssen vollständig intakt bleiben, während die Waffe mit hoher Geschwindigkeit auf die Erde auftrifft und tief in Geröll, Gestein, Fels oder Beton eindringt. Es gibt erste Erfahrungen: Die einzige Nuklearwaffe im US-Arsenal, die Bunkerknacker-Qualitäten besitzt, ist die mit einem besonders harten äußeren Mantel umgebene Atombombe B-61-Modell 11, ein relativ großer Nuklearsprengsatz. Tests haben ergaben, dass diese Waffe Grenzen hat: Sie funktioniert nicht bei allen Böden. Sie muss in einem bestimmten Winkel auftreffen und dringt nur begrenzt tief in den Untergrund ein. Mehr als sieben Meter Stahlbeton kann sie beispielsweise nicht durchschlagen. Außerdem es ist - wegen der hohen Sprengkraft – bei einem Einsatz dieser Waffe mit sehr viel radioaktivem Fallout zu rechnen. Damit wäre es problematisch, sie in der Umgebung bewohnter Gebiete einzusetzen.

Das soll bei dem neuen Bunkerknackern anders werden. Die neue Waffe werde speziell für den Einsatz gegen solche Ziele entwickelt und nicht nur deutlich tiefer in die Erde eindringen können, sondern – so empfiehlt eines der wichtigsten Beratergremien des Pentagons, das Defense Science Board – in einer Version auch einen Sprengkopf tragen, der eine besonders niedrige Sprengkraft hat. Die Berater halten es für möglich, selbst 200 Meter unter Fels liegende Bunker mit einem Sprengkopf auszuschalten, der weniger als ein Viertel der Sprengkraft der Hiroshima-Bombe hat. Billig wird das alles nicht. Knapp 500 Mio. US-Dollar will das zuständige Energieministerium in den nächsten 5 Jahren dafür ausgeben. An deren Ende, 2009, soll die Entwicklung eines produktionsreifen Sprengkopfes stehen. Für 2005 machten Pentagon und Energieministerium diese Rechnung jedoch zunächst ohne den Wirt. Der Kongress strich das Geld. 2006 will die Regierung nun einen neuen Anlauf unternehmen.

Das Vorhaben steht in der öffentlichen Kritik. Zum einen grundsätzlich, weil die USA mit ihm ein faktisch seit 10 Jahren geltendes Moratorium aufgeben würden, keine neuen Atomwaffen zu entwickeln. Zum anderen, weil viele Wissenschaftler bezweifeln, dass eine Waffe entwickelt werden kann, die leisten kann, was die RNEP leisten soll. Physiker haben wiederholt darauf hingewiesen, dass der Entwicklung solcher Waffen quasi-naturgesetzliche Grenzen gesetzt seien, die sich daraus ergeben, dass der Zünd- und Funktionsmechanismus der Waffe beim Eindringen nicht beschädigt werden darf. Zudem argumentieren viele Kritiker, dass selbst wenn diese Waffe deutlich mehr Bunkeranlagen ausschalten könnte als bisherige Waffen, es weiterhin Bunker geben werde, die auch sie nicht zerstören kann. Auch eine Atomexplosion fast ohne Fallout werde es nicht geben.

Sie raten, heutige konventionelle Bunkerknacker weiter zu entwickeln. Diese können schon jetzt bis zu sieben Meter Stahlbeton durchdringen. Künftige sollen leistungsfähiger sein. Zehn oder mehr Meter werden für möglich gehalten. Mit den in absehbarer Zeit verfügbaren leistungsfähigeren konventionellen Sprengstoffen seien sogar sprunghafte Leistungssteigerungen möglich.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS