BITS Stichwort
November 2004


Stichwort: Europas schnelle Eingreifverbände
Das Battlegroup-Konzept

von Otfried Nassauer


European Battlegroups

Die NATO schafft sich mit der NATO Response Force (NRF) eine besonders schnelle Eingreiftruppe. Die Europäische Union (EU) soll ähnliches erhalten – sogenannte Battlegroups. Geplant sind bis zu 13 besonders schnell verlegbare Eingreifgruppen von jeweils rund 1.500 Soldaten. Dies entspricht einem Battalion mit zugeordneten Kampf- und Unterstützungstruppen. Jede dieser Gruppen soll binnen 5-10 Tagen verlegt und vorort eingesetzt werden können. Sie soll fähig sein, sowohl Friedensmissionen als auch Kampfaufträge für 30 Tage autonom zu erfüllen. Bei Bedarf und bei Bereitstellung von Nachschub können Einsätze auf 120 Tage ausgedehnt werden. Ihr Einsatzradius soll 6.000 km betragen. Dies haben die EU-Verteidigungsminister am 22.November 2004 beschlossen. Erste Battlegroups für eine Mission sollen bereits ab Januar 2005 einsetzbar sein (anfängliche Einsatzbereitschaft – Initial Operational Capability), der Gesamtumfang soll bis 2007 erreicht werden (volle Einsatzbereitschaft – Full Operational Capability), wenn auch alle multinationale Gruppen bereitstehen. Ab 2005 soll ein einzelner Kriseneinsatz möglich sein, ab 2007 zumindest zwei parallele.

In der Regel sollen die Gruppen auf Basis eines UN-Mandates und auf Anfrage der Vereinten Nationen zum Einsatz kommen, zum Beispiel bei Konflikten in Afrika. Ausnahmen anderer Art aber werden nicht ausgeschlossen.

Die Battlegroups können auch das Anfangskontingent einer größeren und längeren Operation darstellen, das später von langsamer verlegbaren, größeren Kräften aus dem Bereich der Europäischen Eingreifkräfte (oder z.B. afrikanischen Peacekeeping-Truppen) ergänzt und abgelöst wird. Die Gruppen kommen entweder aus einem einzelnen EU-Staat, werden also von einer Framework-Nation geleitet oder aber werden in multinationaler Zusammenarbeit bereitgestellt. Angestrebt wird, dass neben in vielen Eventualfällen einsetzbaren Battlegroups auch solche für spezielle Umgebungen, wie z.B. Gebirgsräume, Städte, Dschungelgebiete oder Wüsteneinsätze aufgestellt werden. Eine Battlegroup oder Teile davon können nur bereitgestellt werden, wenn geeigneter Transportraum vorgehalten und verfügbar ist, mit dem das Kontingent rechtzeitig am Einsatzort eintreffen kann. Dies soll mittels einer Sonderinitiative namens GAD (Global Approach on Deployability) gewährleistet werden

Die Vorgeschichte
Auf eine Fähigkeit zu besonders schnellem Eingreifen hatte sich die EU bereits Anfang 2003 geeinigt. Die konkrete Idee zu den Battlegroups geht auf den britisch-französischen Gipfel im November 2003 in London zurück. Dort wurde eine "neue Initiative" vorgeschlagen, mit der die Europäische Union eine Fähigkeit zum schnellen militärischen Eingreifen entwickeln soll, um "die Vereinten Nationen kurzfristig bei Krisenmanagementsituationen zu unterstützen." Das Augenmerk gelte dabei insbesondere Afrika mit seinen vielen zerfallenden Staaten. Der Europäische Rat billigte den Vorschlag im Dezember 2003 im Grundsatz und Anfang 2004 legten Großbritannien, Frankreich und Deutschland einen detaillierteren Diskussionsvorschlag vor. Das Konzept wurde im Mai 2004 gebilligt und im November durch Zusagen nationaler Beiträge aus 21 der 25 EU-Staaten unterfüttert. Dänemark (aus rechtlichen Gründen) und Malta (mangels Streitkräften) beteiligen sich nicht. Estland und Irland beabsichten, später über ihre Beiträge zu entscheiden. Norwegen leistet – obwohl kein EU-Mitglied – einen Beitrag im Umfang von 200 Soldaten.

Battlegroups und NATO-Eingreiftruppe
Konzept und militärische Fähigkeiten für die europäischen "Battlegroups" stehen in einem potentiell kooperativen wie potentiell konkurrenzhaften Wechselverhältnis zu den europäischen Beiträgen zur NATO-Response Force (NRF), da alle europäischen Staaten ihre Zusagen an die Eingreifverbände der NATO und der EU aus dem gleichen Pool vorhandener Kräfte erfüllen müssen. Dies kann zu Konkurrenzen um die Verfügbarkeit von Kontingenten aber auch um deren Ausstattungsorientierung und Interoperabilität mit anderen NATO- oder EU-Kontingenten führen. Beide Institutionen sind darum bemüht, dieses Problem nicht als solches Aufscheinen zu lassen. Deutlich wird es aber bereits im Blick auf eine Einheit wie die Deutsch-Niederländisch-Finnische Battlegroup. Finnland wirkt aus rechtlichen Gründen nicht in Operationen militärischer Bündnisse (NATO) mit. Gleiches gilt für die Österreich.

Deutschland agiert auffällig
Unterschiedlich sind die großen europäischen Staaten das Projekt "Battlegroups" angegangen. Während Großbritannien und Frankreich, aber auch Italien und Spanien sich entschieden haben, jeweils eine Battlegroup national bzw. als Rahmennation zu stellen und darüber hinaus die Beteiligung an jeweils ein oder zwei multinationalen Gruppen vorzusehen, ging die Bundesrepublik einen anderen Weg: Sie beteiligt sich an vier multinationalen Battlegroups, gerade auch an solchen mit kleineren europäischen Staaten. Darin spiegelt sich wahrscheinlich nicht zuletzt eine unterschiedliche Gewichtung nationaler Souveränitätsvorbehalte hinsichtlich von Verteidigungsfragen unter den größeren EU-Staaten.

 

Die EU-Staaten und ihre Battlegroups

Beteiligte Staaten

Charakter

ab

Frankreich Nationale Battlegroup 2005
Großbritannien Nationale Battlegroup 2005
Italien Nationale Battlegroup  
Spanien Nationale Battlegroup  
Frankreich-Belgien Multinationale Battlegroup 2007
Großbritannien - Niederlande Multinationale Battlegroup  
Deutschland – Frankreich -Belgien-Luxemburg (potentiell Spanien) Multinationale Battlegroup  
Deutschland – Österreich -Tschechien Multinationale Battlegroup 2007
Deutschland – Polen – Slowakei – Lettland - Litauen Multinationale Battlegroup 2007
Deutschland – Niederlande – Finnland Multinationale Battlegroup 2007
Italien – Ungarn – Slowenien Multinationale Battlegroup 2007
Italien – Spanien – Griechenland – Portugal Multinationale battlegroup 2007
Finnland – Schweden – Norwegen Multinationale Battlegroup 2007
     
Sonderfähigkeiten:    
Frankreich Verlegbares Hauptquartier  
Zypern Sanitätsgruppe  
Griechenland Koordinationszentrum See-Transport  
Litauen Wasseraufbereitungseinheit  

 


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS