Stichwort: Europas schnelle Eingreifverbände
Das Battlegroup-Konzept
von Otfried Nassauer
European Battlegroups
Die NATO schafft sich mit der NATO Response Force (NRF) eine besonders schnelle
Eingreiftruppe. Die Europäische Union (EU) soll ähnliches erhalten sogenannte
Battlegroups. Geplant sind bis zu 13 besonders schnell verlegbare Eingreifgruppen von
jeweils rund 1.500 Soldaten. Dies entspricht einem Battalion mit zugeordneten Kampf- und
Unterstützungstruppen. Jede dieser Gruppen soll binnen 5-10 Tagen verlegt und vorort
eingesetzt werden können. Sie soll fähig sein, sowohl Friedensmissionen als auch
Kampfaufträge für 30 Tage autonom zu erfüllen. Bei Bedarf und bei Bereitstellung von
Nachschub können Einsätze auf 120 Tage ausgedehnt werden. Ihr Einsatzradius soll 6.000
km betragen. Dies haben die EU-Verteidigungsminister am 22.November 2004 beschlossen.
Erste Battlegroups für eine Mission sollen bereits ab Januar 2005 einsetzbar sein
(anfängliche Einsatzbereitschaft Initial Operational Capability), der Gesamtumfang
soll bis 2007 erreicht werden (volle Einsatzbereitschaft Full Operational
Capability), wenn auch alle multinationale Gruppen bereitstehen. Ab 2005 soll ein
einzelner Kriseneinsatz möglich sein, ab 2007 zumindest zwei parallele.
In der Regel sollen die Gruppen auf Basis eines UN-Mandates und auf Anfrage der
Vereinten Nationen zum Einsatz kommen, zum Beispiel bei Konflikten in Afrika. Ausnahmen
anderer Art aber werden nicht ausgeschlossen.
Die Battlegroups können auch das Anfangskontingent einer größeren und längeren
Operation darstellen, das später von langsamer verlegbaren, größeren Kräften aus dem
Bereich der Europäischen Eingreifkräfte (oder z.B. afrikanischen Peacekeeping-Truppen)
ergänzt und abgelöst wird. Die Gruppen kommen entweder aus einem einzelnen EU-Staat,
werden also von einer Framework-Nation geleitet oder aber werden in multinationaler
Zusammenarbeit bereitgestellt. Angestrebt wird, dass neben in vielen Eventualfällen
einsetzbaren Battlegroups auch solche für spezielle Umgebungen, wie z.B. Gebirgsräume,
Städte, Dschungelgebiete oder Wüsteneinsätze aufgestellt werden. Eine Battlegroup oder
Teile davon können nur bereitgestellt werden, wenn geeigneter Transportraum vorgehalten
und verfügbar ist, mit dem das Kontingent rechtzeitig am Einsatzort eintreffen kann. Dies
soll mittels einer Sonderinitiative namens GAD (Global Approach on Deployability)
gewährleistet werden
Die Vorgeschichte
Auf eine Fähigkeit zu besonders schnellem Eingreifen hatte sich die EU bereits Anfang
2003 geeinigt. Die konkrete Idee zu den Battlegroups geht auf den britisch-französischen
Gipfel im November 2003 in London zurück. Dort wurde eine "neue Initiative"
vorgeschlagen, mit der die Europäische Union eine Fähigkeit zum schnellen militärischen
Eingreifen entwickeln soll, um "die Vereinten Nationen kurzfristig bei
Krisenmanagementsituationen zu unterstützen." Das Augenmerk gelte dabei insbesondere
Afrika mit seinen vielen zerfallenden Staaten. Der Europäische Rat billigte den Vorschlag
im Dezember 2003 im Grundsatz und Anfang 2004 legten Großbritannien, Frankreich und
Deutschland einen detaillierteren Diskussionsvorschlag vor. Das Konzept wurde im Mai 2004
gebilligt und im November durch Zusagen nationaler Beiträge aus 21 der 25 EU-Staaten
unterfüttert. Dänemark (aus rechtlichen Gründen) und Malta (mangels Streitkräften)
beteiligen sich nicht. Estland und Irland beabsichten, später über ihre Beiträge zu
entscheiden. Norwegen leistet obwohl kein EU-Mitglied einen Beitrag im
Umfang von 200 Soldaten.
Battlegroups und NATO-Eingreiftruppe
Konzept und militärische Fähigkeiten für die europäischen "Battlegroups"
stehen in einem potentiell kooperativen wie potentiell konkurrenzhaften Wechselverhältnis
zu den europäischen Beiträgen zur NATO-Response Force (NRF), da alle europäischen
Staaten ihre Zusagen an die Eingreifverbände der NATO und der EU aus dem gleichen Pool
vorhandener Kräfte erfüllen müssen. Dies kann zu Konkurrenzen um die Verfügbarkeit von
Kontingenten aber auch um deren Ausstattungsorientierung und Interoperabilität mit
anderen NATO- oder EU-Kontingenten führen. Beide Institutionen sind darum bemüht, dieses
Problem nicht als solches Aufscheinen zu lassen. Deutlich wird es aber bereits im Blick
auf eine Einheit wie die Deutsch-Niederländisch-Finnische Battlegroup. Finnland wirkt aus
rechtlichen Gründen nicht in Operationen militärischer Bündnisse (NATO) mit. Gleiches
gilt für die Österreich.
Deutschland agiert auffällig
Unterschiedlich sind die großen europäischen Staaten das Projekt
"Battlegroups" angegangen. Während Großbritannien und Frankreich, aber auch
Italien und Spanien sich entschieden haben, jeweils eine Battlegroup national bzw. als
Rahmennation zu stellen und darüber hinaus die Beteiligung an jeweils ein oder zwei
multinationalen Gruppen vorzusehen, ging die Bundesrepublik einen anderen Weg: Sie
beteiligt sich an vier multinationalen Battlegroups, gerade auch an solchen mit kleineren
europäischen Staaten. Darin spiegelt sich wahrscheinlich nicht zuletzt eine
unterschiedliche Gewichtung nationaler Souveränitätsvorbehalte hinsichtlich von
Verteidigungsfragen unter den größeren EU-Staaten.
Die EU-Staaten und ihre Battlegroups
Beteiligte Staaten
|
Charakter
|
ab
|
Frankreich |
Nationale Battlegroup |
2005 |
Großbritannien |
Nationale Battlegroup |
2005 |
Italien |
Nationale Battlegroup |
|
Spanien |
Nationale Battlegroup |
|
Frankreich-Belgien |
Multinationale Battlegroup |
2007 |
Großbritannien - Niederlande |
Multinationale Battlegroup |
|
Deutschland Frankreich -Belgien-Luxemburg
(potentiell Spanien) |
Multinationale Battlegroup |
|
Deutschland Österreich -Tschechien |
Multinationale Battlegroup |
2007 |
Deutschland Polen Slowakei
Lettland - Litauen |
Multinationale Battlegroup |
2007 |
Deutschland Niederlande Finnland |
Multinationale Battlegroup |
2007 |
Italien Ungarn Slowenien |
Multinationale Battlegroup |
2007 |
Italien Spanien Griechenland
Portugal |
Multinationale battlegroup |
2007 |
Finnland Schweden Norwegen |
Multinationale Battlegroup |
2007 |
|
|
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Sonderfähigkeiten: |
|
|
Frankreich |
Verlegbares Hauptquartier |
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Zypern |
Sanitätsgruppe |
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Griechenland |
Koordinationszentrum See-Transport |
|
Litauen |
Wasseraufbereitungseinheit |
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ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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