"Herkules" - ein Mammutprojekt
von Christopher Steinmetz
Vernetzung und IT Informationstechnik so lauten auch bei der Bundeswehr
die Schlagworte der Moderne. "Herkules" heißt das größte
Modernisierungsvorhaben. Für zehn Jahre sollen alle zivilen, nicht sicherheitskritischen
IT-Systeme der Bundeswehr von der Privatindustrie modernisiert und betrieben werden. Das
will die Bundeswehr sich etwa 6,6 Milliarden Euro kosten lassen, die in Jahresraten von je
665 Millionen Euro gezahlt werden sollen.
Die privaten Anbieter sollen dafür unter anderem zwei Verwaltungsrechenzentren
modernisieren und betreiben, ein flächendeckendes, leistungsstarkes Netz für
Telekommunikation und Datenverkehr aufbauen und betreiben, alle Bundeswehrrechner auf eine
moderne, einheitliche Software umstellen und dafür sorgen, dass an jedem Arbeitsplatz
auch immer ein moderner Rechner mit gepflegter Software steht. Zur Durchführung der
"Herkules"-Aufgaben soll eine IT-Gesellschaft gegründet werden, an der die
Privatindustrie die Mehrheit und die Bundeswehr maximal 49,9 Prozent hält.
Die Vorgeschichte
Der Bundeswehr geht es vor allem um eine einheitliche Datenverarbeitung. Zu
"Herkules" wurden deshalb 2001 drei kleinere Projekte zusammengeführt, die
schon 1999 als Pilotprojekte für eine Zusammenarbeit von Wirtschaft und Bundeswehr ins
Leben gerufen worden waren.
Für das Großprojekt interessierten sich viele. An der Ausschreibung beteiligten sich
sieben Konsortien, zwei kamen in die engere Auswahl. Das Verteidigungsministerium (BMVg)
entschied sich für das Angebot des Konsortiums ISIC-21. In diesem arbeiten unter Führung
des IT-Unternehmens CSC Ploenzke der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS und die mittlerweile
angeschlagene Mobilcom mit.
Probleme und Risiken
Seit September 2003 wurde über vertragliche Einzelheiten wie Leistungspakete,
Stückzahlen, Fristen und Kosten verhandelt. Mitte 2004 sollte der Vertrag unter Dach und
Fach sein, weil für 2005 Haushaltsmittel eingestellt werden sollen. Aber eine Einigung
konnte nicht erzielt werden. "Herkules" steht auch noch nicht auf der Liste der
Beschaffungsvorhaben, mit denen sich der Bundestag in diesem Jahr befassen soll, damit
2005 Geld für sie da ist.
Je mehr Zeit verstreicht, desto mehr Risiken entstehen für das Vorhaben. Schon jetzt
gelten einige der technischen Anforderungen als überholt. Der Umfang der Leistungen
ändert sich, weil die kleinere Bundeswehr der Zukunft weniger Standorte hat und weniger
Computer und Telefonanschlüsse braucht. Je mehr Änderungen gegenüber der
ursprünglichen Ausschreibung aber eintreten, desto wahrscheinlicher wird es, dass das
unterlegene Bieterkonsortium eine Neuausschreibung des gesamten Projektes einklagen kann.
Das aber würde das Reformvorhaben erneut um wenigstens zwei Jahre verzögern.
Risiko "Öffentliches Vergaberecht"
Bundeswehr und Industrie gingen bisher davon aus, dass die künftige IT-Gesellschaft
nicht an das öffentliche Vergaberecht gebunden ist, weil sie mehrheitlich in Privatbesitz
wäre. Der erhoffte Vorteil: Sie könnte auf zeitaufwendige Ausschreibungsverfahren
verzichten, die für die öffentliche Hand Pflicht sind. Das spart Zeit und Kosten.
Doch diese Rechnung könnte ohne den Wirt entstanden sein. Deutsche Gerichte haben bisher
immer entschieden: Nimmt eine Firma Kernaufgaben des Bundes wahr, so ist sie an das
öffentliche Vergaberecht gebunden, auch wenn der Bund nur eine Minderheitsbeteiligung
hält. Gilt das auch für die künftige IT-Gesellschaft, dann ist die Zeit- und
Kostenkalkulation für "Herkules" Makulatur. Leicht könnten mehrere Hundert
Millionen Euro zusätzlich nötig werden.
Es könnte teuer werden
Ein Risiko ist auch die "Laufzeit" von zehn Jahren. Während die Industrie
schubweise viel Geld für Investitionen ausgeben muss, will das Verteidigungsministerium
immer gleiche Jahresraten zahlen. Die Risiken der Preis- und Inflationsentwicklung soll
die Industrie tragen. Kalkuliert sie vorsichtig, dann bietet sie deshalb weniger für mehr
Geld an, um auf der sicheren Seite zu sein. Die Verträge könnten wie schon bei
anderen Privatisierungsvorhaben der Bundeswehr - auch versteckte Kosten oder
Leistungsminderungen enthalten. Dann kommt "Herkules" die Bundeswehr teuer zu
stehen.
Das Verteidigungsministerium hat kaum Alternativen zu ISIC-21. Bezieht es die
Konkurrenz um Siemens wieder ein, dann kostet das viel Zeit und wohl auch mehr Geld.
Reduziert es die Leistungsanforderungen an Modernisierung und Wartung, dann wächst das
Risiko einer halbfertigen oder nicht ausreichend leistungsfähigen Lösung. In beiden
Fällen wächst die Wahrscheinlichkeit, dass sich "Herkules" zu einem Debakel
wie Toll Collect entwickelt.
ist
wissenschaftlicher Mitarbeiter bei BITS.
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