BITS Stichwort
März 2005


Schmutzige Bombe oder Radiologische Bombe

von Otfried Nassauer

Eine "schmutzige Atombombe" ist ein konventioneller Sprengsatz, der radioaktives Material enthält. Bei der Explosion wird keine Kettenreaktion ausgelöst. Ob das verwendete radioaktive Material zum Atomwaffenbau geeignet ist oder nicht, spielt dabei keine entscheidende Rolle. Es kann zum Beispiel auch aus dem medizinischen Bereich kommen. Ziel der Bombe ist es, dass eine Sprengstoffexplosion Druckwelle und Wind schädliche radioaktive Substanzen möglichst großräumig verteilt. Das macht diese Waffe für Streitkräfte weitgehend uninteressant, für Terroristen dagegen möglicherweise umso interessanter.

Würde eine "schmutzige Atombombe" z.B. auf dem Dach eines Hochhauses in einer Millionstadt wie New York oder London gezündet, dann könnten vielleicht Tausende Menschen betroffen sein. Je nach Menge, Aktivität und Halbwertzeit des verwendeten nuklearen Materials und je nach Stärke der konventionellen Explosion wären unterschiedlich große Gebiete verstrahlt und möglicherweise für längere Zeit nicht mehr bewohnbar.

Eine Studie des Washingtoner Center for Strategic International Studies (CSIS) über die potentiellen Auswirkungen der Explosion einer sehr großen schmutzigen 1.800-Kilogramm-Bombe zwischen dem Capitol und dem Weißem Haus kam zu dem Schluss, dass zwar ganze Häuserblocks radioaktiv verseucht werden würden und die wirtschaftlichen Auswirkungen substantiell wären. Eine wirklich großräumige Verseuchung aber sei selbst bei einer Waffe dieser Größenordnung nicht zu erwarten. Die Hauptwirkung, so Phil Anderson vom CSIS, wäre psychologischer Natur.

Wissenschaftler warnen seit Jahren, dass Terroristen versuchen könnten, solche Bomben zu bauen und fordern schärfere Sicherheitsvorkehrungen für alle infrage kommenden nuklearen Materialien. Denn während das atomare Material für Atomwaffen und in Atomkraftwerken relativ gut gesichert ist und der Verbleib meist zumindest relativ gut kontrolliert wird, gilt es als deutlich einfacher, radioaktive Stoffe – wie z.B. Caesium-137 oder Kobalt-60 - aus Industrieanlagen oder Krankenhäusern zu beschaffen. Auch atomarer Müll ist vergleichsweise leichter zugänglich und könnte für eine solche Waffe verwendet werden. Die US-Regulierungsbehörde für die zivile Nutzung der Atomenergie, NRC, räumte im Mai 2002 ein, dass in den USA binnen fünf Jahren mehr als 800 Geräte verschwunden seien, die radioaktives Material enthielten.

Auch technisch ist es leichter, eine "schmutzige Bombe" zu bauen als eine echte Nuklearwaffe. Für eine solche Waffe ist weder angereichertes Uran erforderlich noch abgetrenntes Plutonium oder ein so hochkomplexer Zündmechanismus wie für eine Atomwaffe.

Katastrophen- und Zivilschützer führen seit einigen Jahren regelmäßig Übungen durch, in denen die Folgen der Explosion einer schmutzigen bzw. radiologischen Bombe durchgespielt werden. Eine solche internationale Übung fand 2002 beispielsweise unter dem Namen EURATOX 2002 im südfranzösischen Canjuers statt.

Der Irak hat in seinem großen Bericht über seine Massenvernichtungswaffen an die UNO im Dezember 2002 zugegeben, zeitweilig die Machbarkeit einer solchen Waffe untersucht zu haben. Und doch wurde – soweit bekannt – bislang nie eine "schmutzige" radiologische Bombe zum Einsatz gebracht, vielleicht, weil schon der Bau der Waffe auch die Bombenbauer erheblich gefährden würde.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS