Schmutzige Bombe oder Radiologische Bombe
von Otfried Nassauer
Eine "schmutzige Atombombe" ist ein konventioneller Sprengsatz, der
radioaktives Material enthält. Bei der Explosion wird keine Kettenreaktion ausgelöst. Ob
das verwendete radioaktive Material zum Atomwaffenbau geeignet ist oder nicht, spielt
dabei keine entscheidende Rolle. Es kann zum Beispiel auch aus dem medizinischen Bereich
kommen. Ziel der Bombe ist es, dass eine Sprengstoffexplosion Druckwelle und Wind
schädliche radioaktive Substanzen möglichst großräumig verteilt. Das macht diese Waffe
für Streitkräfte weitgehend uninteressant, für Terroristen dagegen möglicherweise umso
interessanter.
Würde eine "schmutzige Atombombe" z.B. auf dem Dach eines Hochhauses in
einer Millionstadt wie New York oder London gezündet, dann könnten vielleicht Tausende
Menschen betroffen sein. Je nach Menge, Aktivität und Halbwertzeit des verwendeten
nuklearen Materials und je nach Stärke der konventionellen Explosion wären
unterschiedlich große Gebiete verstrahlt und möglicherweise für längere Zeit nicht
mehr bewohnbar.
Eine Studie des Washingtoner Center for Strategic International Studies (CSIS) über
die potentiellen Auswirkungen der Explosion einer sehr großen schmutzigen
1.800-Kilogramm-Bombe zwischen dem Capitol und dem Weißem Haus kam zu dem Schluss, dass
zwar ganze Häuserblocks radioaktiv verseucht werden würden und die wirtschaftlichen
Auswirkungen substantiell wären. Eine wirklich großräumige Verseuchung aber sei selbst
bei einer Waffe dieser Größenordnung nicht zu erwarten. Die Hauptwirkung, so Phil
Anderson vom CSIS, wäre psychologischer Natur.
Wissenschaftler warnen seit Jahren, dass Terroristen versuchen könnten, solche Bomben
zu bauen und fordern schärfere Sicherheitsvorkehrungen für alle infrage kommenden
nuklearen Materialien. Denn während das atomare Material für Atomwaffen und in
Atomkraftwerken relativ gut gesichert ist und der Verbleib meist zumindest relativ gut
kontrolliert wird, gilt es als deutlich einfacher, radioaktive Stoffe wie z.B.
Caesium-137 oder Kobalt-60 - aus Industrieanlagen oder Krankenhäusern zu beschaffen. Auch
atomarer Müll ist vergleichsweise leichter zugänglich und könnte für eine solche Waffe
verwendet werden. Die US-Regulierungsbehörde für die zivile Nutzung der Atomenergie,
NRC, räumte im Mai 2002 ein, dass in den USA binnen fünf Jahren mehr als 800 Geräte
verschwunden seien, die radioaktives Material enthielten.
Auch technisch ist es leichter, eine "schmutzige Bombe" zu bauen als eine
echte Nuklearwaffe. Für eine solche Waffe ist weder angereichertes Uran erforderlich noch
abgetrenntes Plutonium oder ein so hochkomplexer Zündmechanismus wie für eine Atomwaffe.
Katastrophen- und Zivilschützer führen seit einigen Jahren regelmäßig Übungen
durch, in denen die Folgen der Explosion einer schmutzigen bzw. radiologischen Bombe
durchgespielt werden. Eine solche internationale Übung fand 2002 beispielsweise unter dem
Namen EURATOX 2002 im südfranzösischen Canjuers statt.
Der Irak hat in seinem großen Bericht über seine Massenvernichtungswaffen an die UNO
im Dezember 2002 zugegeben, zeitweilig die Machbarkeit einer solchen Waffe untersucht zu
haben. Und doch wurde soweit bekannt bislang nie eine "schmutzige"
radiologische Bombe zum Einsatz gebracht, vielleicht, weil schon der Bau der Waffe auch
die Bombenbauer erheblich gefährden würde.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
|