Alexander Richter Das Kommando Spezialkräfte, kurz KSK, wurde am 20. April 1996 offiziell aufgestellt und ist in der Graf-Zeppelin-Kaserne im nordschwarzwäldischen Calw stationiert. Das Aufgabenspektrum der Spezialeinheit des Heeres ist weit gefächert: Es reicht von der Rettung, Befreiung und Evakuierung deutscher und anderer Staatsbürger im Ausland, über die Abwehr terroristischer Bedrohungen, die Informationsbeschaffung in Krisen- und Konfliktgebieten, den Schutz eigener Soldaten oder anderer Personen in besonderen Lagen bis hin zu Kampfeinsätzen im gegnerischen Gebieten, um beispielsweise Kommunikationszentren oder politische Schaltzentralen handlungsunfähig zu machen. Das KSK untersteht direkt dem Bundesverteidigungsminister, der dem Kommandeur der Spezialeinheit bewaffnete Einsätze befehlen kann. Theoretisch ist jedoch die generelle Zustimmung des Deutschen Bundestages zu einem solchen Einsatzes im Ausland zwingende Voraussetzung. Einzig legitime Ausnahme sind Situationen, bei denen Gefahr im Verzug ist. In diesem Fall müsste der Bundestag dem Einsatz allerdings nachträglich zustimmen. Um den gestellten Aufgaben gerecht zu werden, ist das KSK in drei wesentliche Bereiche aufgegliedert: Der größte Teil der rund 1000 Soldaten in Calw ist damit beschäftigt, Einsätze logistisch, organisatorisch und mit Ausbildung zu unterstützen beziehungsweise vorzubereiten. Dazu zählt auch ein Ausbildungs- und Versuchszentrum, das Material und Geräte speziell für das KSK entwickelt und testet. Das zweite Standbein der Bundeswehrspezialeinheit ist eine Fernspäherkompanie, die im Vorfeld und während der Kommandoeinsätze das gegnerische Gebiet auskundschaften soll. Die rund 100 Fernspäher sind in zwei Züge gegliedert. Ein herkömmlichen Fernspähzug mit zwölf Einzeltrupps zu je vier Soldaten soll Regionen vor dem eigentlichen Einsatz erkunden. Und ein Fernspäh-Kommandozug mit acht Einzelteams zu ebenfalls je vier Soldaten soll während der Einsätze unterstützend tätig sein. Die eigentliche Kerntruppe des KSK sind 64 Kommandotrupps, die ebenfalls aus nur je vier Soldaten bestehen. Jeder Kommandosoldat hat zusätzlich zu der dreijährigen Spezialausbildung des KSK weiterführenden Unterricht in bestimmten Gebieten erhalten. So besteht ein Team aus einem Spezialisten für Sprengstoffe oder andere Pionieraufgaben, einem Soldaten mit besonderen Waffenkenntnissen, einem hochqualifizierten Sanitäter und einem Spezialisten für Fernmeldetechnik. Jeweils vier Kommandotrupps sind zu einem Zug zusammengefasst, der seinerseits mit drei weiteren Zügen eine Kompanie bildet. Jeder Zug innerhalb einer Kompanie ist wiederum auf spezielle Einsatzbedingungen vorbereitet. Der erste Zug ist für das Eindringen über den Landweg ausgebildet worden, der zweite für Luftlandeoperationen und der dritte für Landungen über den Wasserweg. Der vierte Zug ist schließlich auf Einsätze im Hochgebirge sowie auf besondere meteorlogische Umgebungen, wie beispielsweise Polarregionen, spezialisiert. Es ist allerdings nicht zwangsläufig, dass jeder Trupp eines Zuges allein in den Einsatz zieht. Die Teams sind miteinander verwendbar, also Teile des ersten Trupps vom ersten Zuges arbeiten mit Teilen des zweiten, dritten oder vierten Zuges zusammen. Ebenso ist vorgesehen, dass mehrere Trupps zusammengefasst werden können. Eines ist jedoch ganz klar geregelt: Es gehen nie weniger als vier Mann in einen Einsatz. Insgesamt sind im KSK vier Kommadokompanien geplant, die mit ihren jeweiligen Befehlshabern zusammen rund 300 Mann zählen. Doch die harten Auswahlkriterien des ehemaligen Heeresinspekteurs der Bundeswehr, Generalleutnant Helmut Willmann, der wesentlichen Anteil an der Aufstellung der Truppe hatte, ist die Personalplanung des KSK ins Stocken geraten. Während die erste und zweite Kommadokompanie in der Gründungsphase ins Leben gerufen wurden und mittlerweile einsatzbereit sind, sollten die dritte und vierte im Laufe des Jahres 1998 aufgestellt werden und Ende 2001 das KSK komplettieren. Aber viele Bewerber sind durch das Auswahlverfahren durchgefallen oder wurden von den Anforderungen abgeschreckt. Nur einer von vier Bewerbern besteht die Aufnahmeprüfung. So kommt es, dass die Truppe in Calw bereits im sechsten Jahr nach ihrer Gründung große Nachwuchssorgen hat. Mittlerweile ist unklar, wann sich die dritte und vierte Kommadokompanie einsatzbereit melden können. Rekrutiert werden die Kommandosoldaten aus Heer, Marine und Luftwaffe. Die Anwärter dürfen nicht älter als 32 Jahre sein, müssen ein mehrstufiges Auswahlverfahren durchlaufen und sich für mindestens sechs Jahre beim KSK verpflichten. Abgesehen von den körperlichen Risiken und der seelischen Belastung während Ausbildung und Einsatz, müssen die KSK-Soldaten auch andere Widrigkeiten in Kauf nehmen. Schon bei der Planung der Spezialeinheit war die strenge Geheimhaltung ein fester Bestandteil. Um die Einsatzfähigkeit des KSK nicht zu gefährden, sah es die Bundeswehr als notwendig an, über die hochmoderne Ausrüstung, Ausbildung und die Identität der Soldaten so wenig wie möglich nach Außen dringen zu lassen. Die Militärs befürchteten, ansonsten den größten Vorteil des KSK, das Überraschungsmoment, zu verspielen. Die Soldaten müssen schriftlich versichern, mit niemanden außerhalb des KSK über ihre Arbeit, geschweige denn irgendwelche Einsätze, zu sprechen. Das schließt die Ehefrauen der Männer mit ein. Anlass zur Gründung einer deutschen Spezialeinheit waren nach Angaben der damaligen christlich-liberalen Regierungskoalition Evakuierungsaktionen von Zivilisten aus Krisensituationen in Afrika, auf der Arabischen Halbinsel, im Nahen Osten und im Irak durch westliche Eliteeinheiten in der ersten Hälfte der neunziger Jahre. Als Paradebeispiel diente dabei häufig der Rettungseinsatz belgischer Fallschirmjäger für sieben Techniker der Deutschen Welle und vier weitere Deutsche in Ruandas Hauptstadt Kigali während der Bürgerkriegswirren in dem kleinen afrikanischen Land im April 1994. Dieses Ereignis scheint Überlegungen im Bundesverteidigungsministerium für eine eigene Spezialeinheit Deutschlands nach dem Vorbild des britischen Special Air Service (SAS) sowie entsprechender Kommandotruppen der USA und Frankreichs beschleunigt zu haben. Am 7. Februar 1997 gab die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion an, dass seit 1994 intensiv auf der Bonner Hardthöhe an einem Konzept für das KSK gearbeitet werde. Doch angeblich sollen schon in den achtziger Jahren Planungsansätze bestanden haben. Sicher ist, dass schon vor Gründung des KSK einzelne Bundeswehreinheiten auf Evakuierungsaktionen im Verteidigungsfall vorbereitet waren. Manche Züge der drei deutschen Fallschirmjägerbataillone hatten eine entsprechende Ausbildung durchlaufen. Ihr Training beschränkte sich aber auf Einsätze innerhalb des NATO-Territoriums. Das KSK dagegen soll unter allen klimatischen und geografischen Bedingungen handlungsfähig sein. Im März 1995 kündigte der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) in einem Konzeptpapier öffentlich an, dass die Bundeswehr eine eigene Spezialeinheit in Calw aufstellen werde. Im Juni desselben Jahres wurde der Aufbau vom Kabinett unter Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) beschlossen. Am 1. April 1996 bezog das KSK seinen Stützpunkt in Calw. Erster Kommandeur war Brigadegeneral Fred Schulz, der im November 2000 dem heutigen Befehlshaber des KSK, Brigadegeneral Reinhard Günzel, das Kommando übergab. Einem Artikel des "SPIEGEL" vom 24. September 2001 zufolge kam das KSK bisher vier Mal zum Einsatz. Im Juni 1998 hatte das KSK demnach seine Feuerprobe: Kommandosoldaten nahmen in der in Bosnien gelegenen serbischen Enklave Foca den als Kriegsverbrecher gesuchten Ex-Kommandanten eines serbischen Internierungslagers, Milorad Krnojelac, fest. Ebenfalls in Foca verhafteten KSK-Männer in der Nacht vom 1. auf den 2. August 1999 den serbischen Paramilitär Radomir Kovac. Im selben Monat nahmen im kosovarischen Orahovac deutsche und niederländische Spezialkräfte in einer Blitzaktion drei weitere als Kriegsverbrecher verdächtigte Serben fest. Der bislang letzte Zugriff erfolgte laut "Spiegel" im Oktober des vergangenen Jahres wieder in Foca. Die Aktion endete aber mit einem Blutbad. Am späten Abend sollte der Verdächtige Janko Janjic verhaftet und an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag überstellt werden. Ihm wurde vorgeworfen, mehrere bosnische Dörfer überfallen, Frauen vergewaltigt und gefoltert zu haben. Doch als die Deutschen sein Haus stürmten, tötete sich der 43-Jährige selbst, indem er sich mit einer Handgranate in die Luft sprengte. Drei KSK-Soldaten wurden dabei schwer verletzt. Hinzu kommen Einsätze der Fernspäher des KSK im serbischen Presovo-Tal, in Mazedonien, im Kosovo und möglicherweise auch in Zentralasien im Zuge des Afghanistan-Krieges. Aufklärungseinsätze dieser Komponente im Mittleren Osten oder am Horn von Afrika dürfen ebenfalls als wahrscheinlich gelten. Alexander Richter ist Journalist und ehrenamtlich bei BITS tätig.
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