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20. Januar 2014


Europäer sollen für die nukleare Modernisierung mitzahlen

von Otfried Nassauer

Norton Schwartz liebt die klaren Worte. Der ehemalige Stabschef der US AirForce machte sich Mitte Januar dafür stark, die geplante nuklearfähige Version des neuen Jagdbombers der USA, des Joint Strike Fighters F-35, nur noch dann zu entwickeln, wenn die Europäer sich verpflichten, einen Teil der Kosten zu übernehmen. Gebe es kein finanzielles „Burdensharing“, keine finanzielle Lastenteilung, so sei es besser, auf das mehrere Hundert Millionen Dollar teure Vorhaben zu verzichten und „die Ressurcen, die heute für die Integration nuklearen Waffen in die F35 Block IV vorgesehen sind, umzuwidmen, um die nukleare Integration des Long Range Strike Bombers (des künftigen Langstreckenbombers der USA, LRSB), zu beschleunigen“. Schwartz argumentierte, wenn „es keine finanzielle Beteiligung der NATO-Verbündeten“ gebe, sollten „wir unsere eigene Streitkräftestruktur optimieren.“

Das Vorhaben, den Joint Strike Fighter, nuklearfähig zu machen, liegt derzeit auf Eis. Schon länger. Der Kongress hat auch für das Haushaltsjahr 2014 keine Gelder für die Entwicklung der Variante „Block IV“ bereitgestellt. Das neue Kampfflugzeug leidet noch immer unter erheblichen technischen Problemen, die vor allem mit der Software zu tun haben. Jüngst deutete die Marineinfanterie an, ihr Programm zur Beschaffzbg der F-35 könne sich um eineinhalb Jahre verzögern. Erneut.

Die Modernisierung der US-Atombomben vom Typ B61 zur B61-12 ist aus Sicht von General Schwartz „notwendig“, unabhängig davon, ob das eine nuklearfähige Variante bekommt. Diese Waffe sei „vom Einsatz her betrachtet“ vorteilhaft, weil sie eine geringere Sprengkraft und eine höhere Treffgenauigkeit besitze als die bisherigen luftgestützen Atomwaffen der US-Luftwaffe. „Eine höhere Zielgenauigkeit und eine niedrigere Sprengkraft – das sind wünschenswerte Fähigkeiten. Ohne Frage“, so der ehemalige General. Die B83, eine Megatonnenwaffe, sei zwar jünger als die B61, „übertreffe“ aber mit ihrer großen Sprengkraft die „militärischen Anforderungen“. Die Modernisierung der B61 sei aus seiner Sicht sogar wichtiger als die geplante Entwicklung eines neuen nuklearen Marschflugkörpers großer Reichweits. „Ich würde die B61 vorziehen.“

Der General bestätigt damit – ganz nebenbei – den wesentlichen Kritikpunkt an der B61-12: Die größere und flexiblere militärische Nutzbarkeit der neuen Bombe bringt das Vorhaben in Widerspruch zu dem Vesprechen von US-Präsident Obama, keine neuen und auch keine Atomwaffen mit neuen militärischen Fähigkeiten einzuführen. Gefragt, ob die Modernisierung die bestehende Waffe nur besser mache oder auch zu einer veränderten Zieplanung führen werde, antwortete Schwartz: „Es würde beide Effekte haben.“

Mittlerweile gibt es erste Indizien, dass der militärische Nutzen und die flexiblen Einsatzmöglichkeiten der neuen Waffe noch einmal verbessert worden sein könnten. Im Oktober 2013 wurde bekannt, dass die B61-12 nicht nur die B61-Versionen 3,4,7 und 10 ablösen soll, sondern alle bisherigen Atombomben der USA. Also auch die B83 mit ihrer maximalen Sprengkraft von einer Megatonne und den nuklearen Bunkerknacker B61-11.

Bisher ist nicht ganz klar, wie und warum es zu dieser Veränderung der Planung kam. Möglicherweise soll auf die B83 verzichtet werden, weil ihre Sprengkraft die heutigen Anforderungen übertrifft und man hofft, das Vorhaben B61-12 vom Kongress leichter finanziert zu bekommen, wenn man argumentieren kann, dass eine neue Waffe alle alten Typen ersetzen soll. Vielleicht gibt es aber auch ein technisch begründete Erklärung: Im Sommer 2012 empfahl ein wichtiges wissenschaftliches Beratergremium, die JASONs, nicht nur den sekundären Nuklearsprengsatz (das „Secondary“) der B61-4-Bombe, sondern auch jenen der B61-10 in das Modernsierungsprogramm für die B61-12 einzubeziehen. Das Nuclear Weapons Council, der interministerielle Staatssekretärausschuss, der über den Umfang und den Charakter nuklearer Modernisierungsprogramme Ende 2012, Anfang 2013 entschied, könnte dieser Empfehlung gefolgt sein. Bei der B61-10 handelt es sich um eine Atombombe, die aus den Atomsprengköpfen der umstrittenen Pershing-II-Rakete entwickelt wurde, die ihrerseits eine Ableitung aus der B61-4 darstellten. Die Secondaries der B61-4 und der B61-10 sollen einander weitgehend gleichen.

Das hätte zwei Folgen: Zum einen könnte dann eine größere Zahl von B61-Bomben modernisiert werden, weil mehr Secondaries zur Verfügung stehen. Zum anderen stünden mehr Sprengkraftstärken zur Wahl und ein noch flexiblerer Einsatz der Waffe würde möglich. Bei der B61-10 können andere Sprengkraftstärken gewählt werden als bei der B61-4. Dies hätte unter anderem zur Folge, dass die maximale Sprengkraft eines Teils der künftigen B61-12-Bestände auf rund 80 Kilotonnnen anwachsen könnte. Dies könnte erklären, warum die neue Bombe jetzt auch als Ersatz für die B83 und die B61-11 betrachtet wird.

Kleine Runde, großes Thema also: Die Zukunft taktischer Nuklearwaffen in Europa. Unter diesem Titel hatte die Washingtoner Denkfabrik Stimson Center am 16. Januar in Washington eingeladen. Norman Schwartz war einer der Referenten.

Unter folgendem Link wurde die Veranstaltung dokumentiert:
http://www.stimson.org/spotlight/stimson-event-on-capitol-hill-examines-the-future-of-us-tactical-nuclear-weapons-video/



ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS