Pandoras Büchse GmbH
von Christopher Steinmetz
Auf den ersten Blick ist es ein Déjà-Vu. Am 23. April berät
der Bundestag über den Antrag der Regierungsparteien zur Kontrolle
nichtstaatlicher militärischer Sicherheitsunternehmen. Bis auf einige
wenige Präzisierungen – aus „privaten“ wurden „private militärische
Sicherheitsunternehmen“ – ist es der gleiche Antrag, den die CDU/CSU bereits
2004 eingebracht hat.
Veränderungen gibt es dagegen bei der Haltung der Parteien. 2004
war die SPD gegen den Antrag, heute vertritt sie ihn mit. Dank Fraktionsdisziplin
scheint ihm eine Mehrheit also sicher. Die Regierung soll beauftragt werden,
Maßnahmen zur Kontrolle und Regulierung nichtstaatlicher militärischer
Sicherheitsunternehmen zu entwickeln. Die Regierungsparteien akzeptieren,
dass solche Firmen rechtlich, politisch und militärisch eine enorme
Herausforderung und Gefahr für das staatliche Gewaltmonopol bedeuten.
So weit so gut. Aber was nach rund Jahren der Passivität und den
Erfahrungen mit Söldnerfirmen in den letzten Jahren und Kriegen wie
ein dringend notwendiger Durchbruch erscheint, impliziert die faktische
Legalisierung eines neuen Geschäftsbereiches in Deutschland.
Bislang herrschte in Deutschland eine politisch gewollte rechtliche Unklarheit.
Die Bundeswehr beschränkt sich bei Auslandseinsätzen auf die
Inanspruchnahme privater logistischer Dienstleistungen. Ihr Umgang mit
Militärdienstleistern, die im Auftrag anderer Staaten im Einsatzgebiet
der Bundeswehr tätig sind, wie z.B. DynCorp in Nordafghanistan, wurde
nie abschließend geklärt.
Nun scheint sich der Wind zu drehen. Die Sicherheitsbranche wächst.
Auch deutsche Unternehmen wittern große Aufträge im Ausland
und wollen deshalb aus der Schmuddelecke. Diesen Wunsch bedient der Regierungsantrag.
Er fordert ein System der Lizenzierung für solche Unternehmen und
mehr Selbstkontrolle der Branche durch einen Verhaltenskodex. Der Öffentlichkeit
wird suggeriert, dass man zwischen guten und schlechten privaten Militärdienstleistern
unterscheiden kann. Garniert wird dies mit einem manipulativen Schuss
Fatalismus: „Ein striktes Verbot von privaten militärischen Sicherheitsunternehmen
ist nicht durchsetzbar (…)“ heißt es im Antrag.
International mag das so sein. Die USA, Großbritannien und Südafrika
erfuhren, welch gravierende Probleme auftreten, wenn private Söldnerfirmen
zum Einsatz kommen. Bis heute sieht man, wie mühsam es ist, den einmal
gewährten Handlungsspielraum dieser Firmen wieder einzuschränken.
In Deutschland sind die Vorzeichen andere. Hier gibt es noch keine Firmen
wie Blackwater (Xe) oder DynCorp. Die Bundeswehr fragt private Unterstützung
bei Ausbildung, Informationsbeschaffung oder gar bewaffneten Kampfunterstützungsoperationen
bislang – soweit bekannt – nicht nach. Trotzdem sollen nun rechtliche
Voraussetzungen geschaffen werden, dass solche Angebote entstehen.
Die zentrale Frage nach den strukturellen Vorbedingungen für eine
wirksame staatliche Kontrolle und eine ausreichende öffentliche Transparenz
solcher Unternehmen wird dabei bislang ausgeblendet. Wie relevant dies
sein kann, zeigt ein bereits privatisierter Bereich – die wehrtechnische
Industrie. Deren Rüstungsexporte bleiben trotz staatlicher Kontrolle
und Berichterstattung zu großen Teilen intransparent. Geliefert
wird trotz eines Verhaltenskodexes auch an problematische Empfänger.
Der Anspruch, wirksam kontrollieren zu können, erweist sich oft genug
als gefährliche Illusion. Was für Rüstungsgüter gilt,
dürfte auch für militärische Dienstleistungen gelten. Die
Bundesregierung hat bereits angekündigt, dass Transparenz und Rechenschaftspflicht
der Sicherheitsdienstleister enge Grenzen gesetzt sein könnten, da
Auskunftspflichten als Eingriff in die unternehmerische Freiheit und Angriff
auf Geschäftsgeheimnisse betrachtet werden könnten. Ohne Transparenz
aber kann Fehlverhalten kaum geahndet und noch schwerer parlamentarisch
kontrolliert werden.
Gut gemeint heißt leider nicht automatisch gut gemacht. Mit ihrem
Antrag begeben sich die Regierungsfraktionen auf eine abschüssige
Bahn, an deren Ende der American Way of War stehen könnte. Und das
obwohl gerade das Beispiel USA zeigt wie mühsam es ist, einmal gemachte
Fehler wieder zu korrigieren, nachdem bereits ein Milliardenmarkt und
eine einflussreiche Industrielobby entstanden sind. Einmal geöffnet,
lässt sich die Büchse der Pandora kaum neu verschließen.
Christopher Steinmetz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Paul Schäfer (MdB)
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