Unveröffentlichter Artikel
20. April 2009


Pandoras Büchse GmbH

von Christopher Steinmetz

Auf den ersten Blick ist es ein Déjà-Vu. Am 23. April berät der Bundestag über den Antrag der Regierungsparteien zur Kontrolle nichtstaatlicher militärischer Sicherheitsunternehmen. Bis auf einige wenige Präzisierungen – aus „privaten“ wurden „private militärische Sicherheitsunternehmen“ – ist es der gleiche Antrag, den die CDU/CSU bereits 2004 eingebracht hat.

Veränderungen gibt es dagegen bei der Haltung der Parteien. 2004 war die SPD gegen den Antrag, heute vertritt sie ihn mit. Dank Fraktionsdisziplin scheint ihm eine Mehrheit also sicher. Die Regierung soll beauftragt werden, Maßnahmen zur Kontrolle und Regulierung nichtstaatlicher militärischer Sicherheitsunternehmen zu entwickeln. Die Regierungsparteien akzeptieren, dass solche Firmen rechtlich, politisch und militärisch eine enorme Herausforderung und Gefahr für das staatliche Gewaltmonopol bedeuten. So weit so gut. Aber was nach rund Jahren der Passivität und den Erfahrungen mit Söldnerfirmen in den letzten Jahren und Kriegen wie ein dringend notwendiger Durchbruch erscheint, impliziert die faktische Legalisierung eines neuen Geschäftsbereiches in Deutschland.

Bislang herrschte in Deutschland eine politisch gewollte rechtliche Unklarheit. Die Bundeswehr beschränkt sich bei Auslandseinsätzen auf die Inanspruchnahme privater logistischer Dienstleistungen. Ihr Umgang mit Militärdienstleistern, die im Auftrag anderer Staaten im Einsatzgebiet der Bundeswehr tätig sind, wie z.B. DynCorp in Nordafghanistan, wurde nie abschließend geklärt.

Nun scheint sich der Wind zu drehen. Die Sicherheitsbranche wächst. Auch deutsche Unternehmen wittern große Aufträge im Ausland und wollen deshalb aus der Schmuddelecke. Diesen Wunsch bedient der Regierungsantrag. Er fordert ein System der Lizenzierung für solche Unternehmen und mehr Selbstkontrolle der Branche durch einen Verhaltenskodex. Der Öffentlichkeit wird suggeriert, dass man zwischen guten und schlechten privaten Militärdienstleistern unterscheiden kann. Garniert wird dies mit einem manipulativen Schuss Fatalismus: „Ein striktes Verbot von privaten militärischen Sicherheitsunternehmen ist nicht durchsetzbar (…)“ heißt es im Antrag.

International mag das so sein. Die USA, Großbritannien und Südafrika erfuhren, welch gravierende Probleme auftreten, wenn private Söldnerfirmen zum Einsatz kommen. Bis heute sieht man, wie mühsam es ist, den einmal gewährten Handlungsspielraum dieser Firmen wieder einzuschränken. In Deutschland sind die Vorzeichen andere. Hier gibt es noch keine Firmen wie Blackwater (Xe) oder DynCorp. Die Bundeswehr fragt private Unterstützung bei Ausbildung, Informationsbeschaffung oder gar bewaffneten Kampfunterstützungsoperationen bislang – soweit bekannt – nicht nach. Trotzdem sollen nun rechtliche Voraussetzungen geschaffen werden, dass solche Angebote entstehen.

Die zentrale Frage nach den strukturellen Vorbedingungen für eine wirksame staatliche Kontrolle und eine ausreichende öffentliche Transparenz solcher Unternehmen wird dabei bislang ausgeblendet. Wie relevant dies sein kann, zeigt ein bereits privatisierter Bereich – die wehrtechnische Industrie. Deren Rüstungsexporte bleiben trotz staatlicher Kontrolle und Berichterstattung zu großen Teilen intransparent. Geliefert wird trotz eines Verhaltenskodexes auch an problematische Empfänger. Der Anspruch, wirksam kontrollieren zu können, erweist sich oft genug als gefährliche Illusion. Was für Rüstungsgüter gilt, dürfte auch für militärische Dienstleistungen gelten. Die Bundesregierung hat bereits angekündigt, dass Transparenz und Rechenschaftspflicht der Sicherheitsdienstleister enge Grenzen gesetzt sein könnten, da Auskunftspflichten als Eingriff in die unternehmerische Freiheit und Angriff auf Geschäftsgeheimnisse betrachtet werden könnten. Ohne Transparenz aber kann Fehlverhalten kaum geahndet und noch schwerer parlamentarisch kontrolliert werden.

Gut gemeint heißt leider nicht automatisch gut gemacht. Mit ihrem Antrag begeben sich die Regierungsfraktionen auf eine abschüssige Bahn, an deren Ende der American Way of War stehen könnte. Und das obwohl gerade das Beispiel USA zeigt wie mühsam es ist, einmal gemachte Fehler wieder zu korrigieren, nachdem bereits ein Milliardenmarkt und eine einflussreiche Industrielobby entstanden sind. Einmal geöffnet, lässt sich die Büchse der Pandora kaum neu verschließen.


Christopher Steinmetz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Paul Schäfer (MdB)